Software-Modernisierung

Knowhow-Träger gehen in Rente

14.08.2009 von Klaus Manhart
Standard-Software ist leichter zu warten und hat meist eine geringere Fehlerquote. Zudem sind immer weniger Programmierer im Unternehmen unterwegs, die die Codes für die Eigenentwicklungen schreiben und betreuen können. Experton Group-Analyst Wolfgang Schwab rät Unternehmen daher massiv zu Standards.
Die Individual-Software in vielen Unternehmen ist in die Jahre gekommen - genauso wie ihre Entwickler, die jetzt ins Rentenalter kommen.
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Schon seit längerem geht der Trend weg von Individual-Software hin zu Programmen von der Stange. Standard-Software von Microsoft, SAP oder Oracle deckt einen klar definierten Anwendungsbereich ab und wird als vorgefertigtes Produkt erworben. Das macht sie preiswert und spart Man-Power im Unternehmen.

Im Gegensatz dazu wird Individual-Software für den gezielten Unternehmenseinsatz in Eigenentwicklung programmiert. Vor allem in den sechziger, siebziger und teilweise achtziger Jahren war das die bevorzugte Methode der Software-Einführung. Heterogene, leistungsschwache IT-Landschaften führten dazu, dass auf Unternehmensbedürfnisse sehr individuell eingegangen werden musste. Abgesehen davon gab es auch kaum Alternativen zur Eigenlösung.

Individual-Software wird immer komplexer

Mit dem Wachstum der Unternehmen ist jedoch die Individual-Software immer ausufernder geworden. Mittlerweile sind Eigenentwicklungen so komplex, dass sie kaum mehr aufrecht zu erhalten sind. Neue Technologien wie eine Internet-Anbindung oder Java-Applikationen können gar nicht mehr oder nur mit großem Aufwand integriert werden.

Viele Unternehmen müssen zudem leidvoll feststellen, dass die Know-how-Träger der Eigenentwicklungen zunehmend das Rentenalter erreichen - und damit die Personaldecke immer dünner wird. "Wenn Sie niemanden mehr haben, der diese Applikationen warten kann, dann haben Sie ein Riesenproblem", sagt Wolfgang Schwab, Senior Advisor & Program Manager Efficient Infrastructure bei der Experton Group.

Der zunehmende Know-How-Mangel und die steigende Komplexität der Individual-Software treiben die Betriebskosten drastisch in die Höhe. "Die Wartungskosten, die eine Individual-Lösung nach sich zieht, sind relativ hoch", erklärt Wolfgang Schwab. "Und damit sind die Betriebskosten einer eigenen Lösung in aller Regel höher als die einer Standard-Lösung.".

Solche Überlegungen sind für viele Unternehmen der Auslöser, über einen Wechsel von Individual-Software hin zu Standard-Applikationen nachzudenken. Besonders die Kosten dürften dabei eine ausschlaggebende Rolle spielen. Bedenkt man, dass beispielsweise ein Standard-ERP-System nur etwa fünf bis zwanzig Prozent der Kosten einer individuellen ERP-Lösung ausmacht, ist dies ein schlagkräftiges Argument - wobei es immer einen Spagat zwischen Funktionserhalt und Ersparnis gibt. Dennoch: "Viele Unternehmen überlegen, ob sie die gleiche oder zumindest eine ähnliche Funktionalität einfacher und günstiger mit einer Standardlösung umsetzen können", sagt Experton-Analyst Schwab.

Standard-Software ist weniger fehleranfällig und schneller verfügbar

Neben geringeren Kosten punktet Standard-Software aber noch mit anderen Qualitäten. So sind häufig installierte Standard-Systeme wie etwa von SAP oder Oracle durch viele Anwender überprüft worden - und daher weniger fehleranfällig als individuelle Software. Und sie sind deutlich schneller verfügbar als Eigenlösungen, die erst zeitaufwändig entwickelt werden müssen.

Vor allem aber ist, im Gegensatz zu individuellen Software-Lösungen, kein großer Mitarbeiterstab zur Weiterentwicklung und Wartung des Systems mehr nötig. Statt dessen werden diese kostspieligen Aufgaben an den Software-Hersteller "outgesourct": Er garantiert die Weiterentwicklung des Produkts - der Anwender erhält im Rahmen von Wartungsverträgen lediglich aktuelle, fehlerbereinigte Releases. Nicht zuletzt deshalb haben sich für Unternehmen, die noch vor der Jahr-2000-Umstellung auf Software von der Stange gesetzt haben, die dadurch bedingten IT-Probleme in Grenzen gehalten. Ohne automatische Software-Updates hätte es bei der Jahr-2000-Umstellung und bei der Euro-Einführung sicherlich mehr Schwierigkeiten gegeben.

Mit dem Umstieg auf Standard-Software ist allerdings fast immer auch ein Hardware-Wechsel verbunden. Denn ältere Computer-Hardware, Betriebssysteme und Netzwerke werden den Anforderungen, die moderne Standard-Software stellt, nicht mehr gerecht.

Das gilt besonders für die Ablösung von Mainframe-Applikationen. "Wer eine Mainframe-Applikation hat, wird bestimmt keine Standard-Applikation auf dem Mainframe laufen lassen", erklärt Experton-Mann Schwab. "Die meisten stellen dann auf Unix bzw. Linux oder Windows um - und da braucht man entsprechend neue Hardware."

Datenbanken kritisch

Der notwendige Technologiesprung kann oft nur durch den kompletten Austausch der Hardware realisiert werden. Das kann erst einmal teuer werden, amortisiert sich aber im Lebenszyklus im Vergleich zu den Kosten für Eigenentwicklungen deutlich. Zudem ist der Preis für Hardware-Systeme durch stetig fallende Herstellungskosten und durch die Massenfertigung permanent im Sinkflug.

Der HP-Intel-Insider

Die Hardware-Hersteller haben sich auf den steigenden Bedarf eingestellt und stellen standardisierte Server - basierend beispielsweise auf Intel-Technologie - für alle Unternehmensanforderungen bereit. Im unteren Segment verrichten in der Regel Industrie-Standard-Server als Multi-Purpose-Systeme ihre Dienste - in nicht-kritischen Bereichen etwa als File-Print-Server oder als Web-oder Applikationsserver. Beim Hersteller HP beispielsweise wird dieses Segment mit den Proliant-Servern auf Intel x86-Basis bedient - mit einer maximalen Größe von bis zu acht CPU-Sockets bei Blade-Systemen.

Datenbanken kritisch

Kritisch sind meistens Datenbanken. Hier müssen höherwertige Systeme eingesetzt werden, die eine bessere Verfügbarkeit garantieren. HP Integrity Server skalieren beispielsweise bis zu 128 Prozessorkerne und unterstützen Windows, Linux und Unix. "Integrity Server werden eher im Datenbankbereich, Proliant-Server im Frontend eingesetzt", erklärt Michael Garri. GTM Manager bei HP Business Critical Systems Deutschland. "Von der Positionierung her sind die Proliant-Server die Rechner mit der Standard-Verfügbarkeit, die etwa bei 98,5 Prozent liegt. Die Integrity-Server fungieren hingegen als Mission-critical Server, das heißt, sie eignen sich für Anwendungen, bei denen die Verfügbarkeit höher sein muss als der Standard."

Doch das Limit ist damit noch nicht erreicht. Spitzenwerte bei den Verfügbarkeiten erzielen fehlertolerante Server wie die HP Integrity Nonstop Systeme. In diesen Servern laufen die Applikationen in zwei Prozessen parallel und überwachen sich gegenseitig. "Fehlertolerante Systeme werden dort eingesetzt, wo die Verfügbarkeit kombiniert mit kostengünstigstem Betrieb das absolute KO-Kriterium ist", sagt Garri. "Beispielweise bei Börsen oder bei Kreditkartentransaktionen im Bankenwesen.".

So viel ist klar: Unternehmen, die Standard-Rechner einsetzen sparen Geld. Das gilt gerade für die Kombination aus Standard-Hardware und Standard-Software.

Konsolidierung bei HP: von 10.000 auf 1.500 Applikationen reduziert

So hat erst die Standardisierung von Software die Konsolidierung von Hardware ermöglicht. Umgekehrt hat die Standardisierung von Hardware und IT-Infrastrukturen dazu beigetragen, auch Aufgaben zu konsolidieren und sie mit standardisierten Werkzeugen zu bearbeiten. Damit lassen sich konkret auch kostspielige Applikationen einsparen. Das hat HP nach eigenen Angaben im eigenen Haus bereits praktiziert. In einer weltweiten Aktion konnte das Unternehmen 10.000 eingesetzte Applikationen auf 1.500 reduzieren