Klaus Jamin, Dipl. Hdl. und Professor an der Fachhochschule München Über 100 000 Beschäftige in der Datenverarbeitung wurden vor drei bis vier Jahren gezählt. Heute dürften es vielleicht schon 150 000 sein. Davon sind jedoch 20 bis 30 Prozent aufgrund

16.02.1979

Klaus Jamin, Dipl. Hdl. und Professor an der Fachhochschule München

Über 100 000 Beschäftige in der Datenverarbeitung wurden vor drei bis vier Jahren gezählt. Heute dürften es vielleicht schon 150 000 sein. Davon sind jedoch 20 bis 30 Prozent aufgrund fehlender Ausbildung den Problemen dieses expansiven Wirtschaftszweiges nicht gewachsen. Fachleute bezeichnen sogar 40 Prozent dieses Personenkreises als unqualifiziert.

Um diese Probleme der Ausbildung in der Datenverarbeitung zu lösen, wurde am 9. Juli 1969, also vor zirka zehn Jahren, vom Bundesminister für Wirtschaft das Berufsbild des Datenverarbeitungskaufmanns "erlassen". Es sieht eine dreijährige Ausbildung vor, die jedoch durch mittlere Reife oder Abitur auf zweieinhalb oder zwei Jahre verkürzt werden kann. Die ersten Datenverarbeitungskaufleute wurden nach dem Berufsbildungsplan, der aus 23 Abschnitten besteht, ausgebildet. Die Fächer waren: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, Mathematik, Datenverarbeitungstechnik und Programmierung sowie Datenverarbeitungsorganisation, betriebswirtschaftliche Anwendungen etc.

Hier traten jedoch die ersten Probleme auf. In der Mathematik waren so wohl Lehrer als auch Schüler überfordert, obwohl die meisten Bereiche darauf achten, daß nur Datenverarbeitungskaufleute mit mittlerer Reife oder Abitur eingestellt werden. Aber in der zur Verfügung stehenden Zeit waren Schüler und Lehrer gleichermaßen nicht in der Lage, lineare Gleichungen mit einem oder mehreren Unbekannten, lineare quadratische Funktionen, Logarithmen, lineare Optimierung und Grundbegriffe der Statistik kennenzulernen.

Auch im Bereich der betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen gab es Probleme. So entstammten die Schüler aus den verschiedensten Bereichen der Wirtschaft wie aus Handelsbetrieben, Industriebetrieben oder sogar aus dem Bereich der Dienstleistung.

In dem vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 1. Oktober 1971, veröffentlichten Lehrplan für den Datenverarbeitungskaufmann wurde nun versucht, eine einseitige Ausrichtung auf den Industriebetrieb durch die Fächer: Wirtschaft, Produktionswirtschaft, Handel und Versicherungswesen etc. zu verringern. Aber auch hier waren die Lehrer und Schüler überfordert, denn wie kann bei einer Schülerzahl von 30, bei denen fünf aus den Bankbetrieben, vier aus Großhandelsbetrieben einer aus der Verwaltung und 20 aus Industriebetrieben kommen, eine befriedigende Lösung erreicht werden.

Ein weiteres Problem war die mangelnde Ausstattung der Schulen mit Datenverarbeitungsanlagen, die zusätzlich noch die verschiedensten Programmiersprachen können sollten, denn der IBM-Assembler ist nun eben nicht gleich dem NCR-Assembler.

Aber auch das Problem, ob Cobol oder PL/1 gelehrt werden sollte, war nicht vollständig gelöst. So sanken zum Beispiel in München die anfangs recht erstaunlichen Schülerzahlen von über 60 im Jahre 1971 bis auf 25 im Jahre 1976/77.

Nach einiger Zeit wurden in verschiedenen Ländern neue Stoffverteilungspläne entwickelt. Diese Pläne, die in den ersten Klassen erprobt worden sind, zeigten deutlich, daß sie verbessert wurden, daß sie mehr Praxisnähe zeigten und weder Schüler noch Lehrer überfordern, sondern ein bestimmtes hohes, aber nicht zu hohes Niveau haben.

Vielleicht kam jedoch auch die Erfahrung der Wirtschaft hinzu, daß es ohne eine solide Ausbildung auch in der DV doch nicht geht. Private Datenverarbeitungsschulen, die selbstverständlich ihren wichtigen Platz in der Wirtschaft haben, können und wollen bestimmte Bereiche der Datenverarbeitung zeigen, können jedoch nicht eine so umfassende Ausbildung, wie sie der Datenverarbeitungskaufmann haben muß, bieten.

So stiegen in München die Schülerzahlen in den letzten drei Jahren um das Dreifache an, andere Länder zeigen dieselben Erfahrungen. Auch große Firmen, die ihre DV-Kaufleute selbst ausgebildet haben, indem sie anschließend an die Ausbildung zum Industriekaufmann einen Datenverarbeitungsaufbaukurs angeboten haben, überlegen nun, ob sie ihre Schüler nicht lieber gleich in die Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann schikken sollen.

Zu einer soliden Ausbildung zum DV-Kaufmann raten die ersten Schüler von 1972 des Berufsbildungszentrums München sogar selbst. Sie würden nach einer Umfrage zu 90 Prozent nochmals denselben Beruf ergreifen und halten die Ausbildung zum DV-Kaufmann für die erste große Chance, die ihnen auf ihrem Berufsweg gegeben worden ist.

Revidiert Stoffverteilungsplan

Beispiel: Münchner Berufsbildungszentrum (BBZ)

Von insgesamt 35 Wochenstunden entfallen auf das Fach Datenverarbeitung 12, Betriebswirtschaft 5, Mathematik 5, Buchführung 3, Englisch 3, Sozialkunde 3, Religionslehre 3, Deutsch 3 und Sport 2 Wochenstunden.

Die 12 Stunden Datenverarbeitung werden im ersten und zweiten Schuljahr in zwei Blöcken zu je sechseinhalb Wochen angeboten. Das dritte Schuljahr kann in München aus schulorganisatorischen Gründen nur in Teilzeitform für ein halbes Schuljahr durchgeführt

werden, da über 90 Prozent der Auszubildenden nach zweieinhalb Jahren die IHK-Prüfung ablegen.

Der Unterricht wird in theoretischen und praktischen Unterricht eingeteilt, das bedeutet, die theoretisch dargebotenen Unterrichtsthemen werden durch Übungen, Praxis am Rechner, Fallstudien und Gruppenarbeit vertieft.

Erstes Ausbildungsjahr erster Block.

Die Entwicklung der Datenverarbeitung, Grundbegriffe, Aufbau eines DV-Systems, parallel dazu werden bereits die Grundbegriffe der Assembler-Sprache gezeigt, Aufbau der Zentraleinheit, Grundeinheiten, Codes.

Erstes Ausbildungsjahr, zweiter Block

Datenträger, Programmiersprachen, Aufbau und Arbeitsweise von Magnetplattenspeichern, parallel dazu werden wieder Programme geschrieben, die eine Übung mit den Datenträgern gewährleisten, Lochkarte und Lochstreifen (sehr kurz), optisch lesbare Belege, Datenerfassung, Ein- und Ausgebegeräte, Mikrofilmverarbeitung, Datenfernübertragung,

Zweites Ausbildungsjahr, dritter Block

Nachdem im ersten Jahr die Programmiersprache Assembler dargeboten wurde, werden in diesem Jahr die Programmiersprachen Cobol und PL/1 eingeführt. Dazu werden Datenorganisation, Datensatzstrukturen, Schlüsselsysteme, Dateiorganisation auf Band und Platte sowie die verschiedenen Verarbeitungsformen auf Platte theoretisch und praktisch gezeigt. Anschließend werden die Verarbeitungsverfahren wie zum Beispiel Sortieren, Suchverfahren und Datensicherung theoretisch und praktisch geübt.

Einführung in die Programmierunterstützung, Verfahren der Programmierung wie zum Beispiel strukturierte und normierte Programmierung. Datenbankkonzepte. Zweites Ausbildungsjahr, vierter Block

Betriebsarten, Datenfernverarbeitung, Betriebssysteme, Job-Management, Task-Management. Data-Management, Aufgaben der Job-Kontrollsprachen, auch dazu wiederum Übungen.

Arbeitsprogramme, Dienstprogramme etc. Virtuelles Konzept. Datenschutz, Wirtschaftlichkeitsprüfung und aktuelle Themen, die je nach Bedarf und Ausrichtung der Schüler zusätzlich angeboten werden können.

Damit ist dieser Stoffplan sehr ausführlich; neben den Programmiersprachen Assembler, Cobol und PL/1, die meist nur theoretisch beziehungsweise mit wenigen Übungen in der Schule dargeboten werden können, wird die Programmiersprache Basic an einem schuleigenen Computer gelehrt.