Studie der Stadt Wien

Keine Lösung bei Linux versus Microsoft

09.03.2010 von Johannes Klostermeier
Die Verwaltung der Stadt Wien wird weiterhin Open Source-Software und Microsoft-Programme nebeneinander benutzen. Das ist das Ergebnis der zweiten Evaluierungsstudie über den Einsatz von Open Source Software, deren Zusammenfassung die Stadt erst nach einem Gemeinderatsbeschluss veröffentlich hat. Eine Grundsatzentscheidung wird weiter verschoben.

Unter der Überschrift „Wien verschiebt Entscheidung über Linux“ berichtete die Website des österreichischen Senders ORF über die Veröffentlichung der Zusammenfassung der zweiten Evaluierungsstudie der Stadt Wien. Die StudieOpen Source Software am Arbeitsplatz im Magistrat Wien – Evaluierung des bisherigen Einsatzes und Entwicklung zukünftiger Handlungsalternativen“ (STOSS 2) war schon seit längerem fertig gestellt, sollte aber nicht veröffentlicht werden. Offizielle Begründung damals: Sie diene nur als „interner Arbeitsbehelf“ für „folgenschwere Entscheidungen“. Die darin enthaltenen Informationen dürften nicht an Mitbewerber gelangen. Aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses erfolgte jetzt die Veröffentlichung.

Seit dem Jahr 2004 steht den Mitarbeitern der Wiener Verwaltung an 21.000 PC-Arbeitsplätzen neben den Office-Paketen von Microsoft auch eine für den Bedarf der Stadt eigens zusammen gestellte Version der Open-Source-Software Open Office und das Betriebssystems Linux (Wienux) zur Verfügung. Die Open-Source-Ausstattung ist auf 14.000 Rechnern installiert und wird von rund zehn Prozent der Angestellten regelmäßig genutzt.

In der Studie wurden vier Varianten untersucht:

  1. „Open Choice“ Wahlmigration
    Die Dienststellen können weiterhin zwischen den beiden unterschiedlichen Office-Produkten und Systemplattformen wählen.

  2. Open Office“ Migration
    Die Office-Suite OpenOffice.org wird generell eingesetzt, das Betriebssystem bleibt Windows.

  3. „Open Solution“
    Vorerst erfolgt ein Wechsel zu OpenOffice.org; ab 2011 wird als Betriebssystem Linux eingesetzt.

  4. „Microsoft auf dem Desktop“
    Es werden generell Microsoft Office und das Betriebssystem Windows eingesetzt.

Bei keiner der ersten drei Möglichkeiten sei jedoch eine vollständige Umstellung aller Arbeitsplätze zu erwarten. Auch bei Migrationen auf Open Source Software in anderen Organisationen etwa der Stadt München gebe es, so die Studie, lediglich für rund 80 Prozent aller Arbeitsplätze ein einheitliche Lösung, und das auch nur „im optimalen Fall“.

Vollständiger Open-Source-Einsatz nicht möglich

Bei keiner der ersten drei Möglichkeiten sei jedoch eine vollständige Umstellung aller Arbeitsplätze zu erwarten. Auch bei Migrationen auf Open Source Software in anderen Organisationen etwa der Stadt München gebe es, so die Studie, lediglich für rund 80 Prozent aller Arbeitsplätze ein einheitliche Lösung, und das auch nur „im optimalen Fall“.

Kern des Ergebnisses der Evaluierungsstudie ist denn auch: Zwar ließen sich auf Open Office und Linux basierende PC-Arbeitsplätze grundsätzlich in die Systemlandschaft des Magistrats der Stadt integrieren, jedoch würden auf mehr als der Hälfte der PCs Softwareprodukte verwendet, für die „keine unter Linux lauffähigen Alternativen ohne Umstellungsaufwand verfügbar sind.“ Dabei geht es laut Studie um rund 1100 Software-Pakete, darunter auch Eigenentwicklungen, wie etwa SAS Balanced Score Card, SAP Business Warehouse oder das selbst geschriebene Programm VIPer als dezentrale Komponente der zentralen Personalverwaltung.

Deshalb, so kommt die Studie zu dem Schluss, ergäbe sich die weitere Notwendigkeit einer längerfristigen Koexistenz von Windows und Linux. Zitat: „Selbst wenn jedoch alle notwendigen Einzelkomponenten unter Linux bereits verfügbar wären, müsste auf Basis der Erfahrungen bisheriger magistratsweiter Systemumstellungen eine mehrjährige Koexistenz beider Plattformen eingeplant werden.“ Deshalb werde die Variante 1, die „Open Choice Wahlmigration“ noch beibehalten. Sie sei jedoch, stellt die Studie auch explizit fest, „nicht als Grundsatzentscheidung für die Zukunft zu sehen“.

Hintergrund der Studie war der Zwang, eine Entscheidung zu treffen, welche Office-Programme und welches Betriebssystem in Nachfolge der aktuellen Produkte eingeführt werden solle. Eine Migration auf Windows Vista hat die Stadt übersprungen, die Windows-Rechner der Wiener Magistrate arbeiten unter Windows XP, deren Lizenzen aber im kommenden Jahr auslaufen werden. Für die Umstellung der PCs rechnet man intern mit einer Zeitdauer von rund zwei Jahren.

Nun will die Stadt weitere Maßnahmen umsetzen, um sich für die Zukunft alle Optionen offen zu halten. Dazu gehört ein Förderwettbewerb „Open Source für Wien“, bei dem diesbezügliche Forschungs- und Entwicklungsprojekte Wiener Unternehmen angeregt werden sollen. Auch plant die Stadt Wien eine weitere Informationskampagne, damit mehr Mitarbeiter Open Source Software nutzen. So soll es etwa Einführungskurse in Open Office geben.

Wiener Grüne hoffen weiter auf Open Source

Die Wiener Grünen, Streiter für quelloffene Software, begrüßten in einer Stellungnahme die weitere Fortführung und Ausweitung des Einsatzes von Open Source Software. „Dieser Schritt, basierend auf der neuen Evaluierung, ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass es die Stadt Wien ernst meint, teilte die Kultur- und Technologiesprecherin der Wiener Grünen mit. Sie sagte aber auch: „Wir hoffen aber, dass es in Zukunft noch stärkere politische Unterstützung von Seiten der Stadt Wien für den Einsatz von Open Source Software geben wird.“

Irgendwie scheinen die Sterne für Open Source Software in Wien aber nicht besonders gut zu stehen. So scheiterte etwa im Sommer 2008 der alleinige Einsatz von Wienux in den Wiener Kindergärten daran, dass eine bereits gekaufte Software zur Erfassung der Sprachkenntnisse von Kindern nur im Internet Explorer funktionierte.

Offiziell will man sich aber auch weiterhin alle Möglichkeiten offen halten. Im Dezember vergangen Jahres beschloss die Stadt Wien nun zunächst, für 1,5 Millionen Euro Lizenzen von Microsoft Office für die kommenden drei Jahre zu kaufen. Beobachter rechnen mit einer Grundsatzentscheidung für oder gegen den Einsatz von Open Source Software erst nach der Gemeinderatswahl im Oktober dieses Jahres.