Wir stellen ein." Dieses Schild hängte früher der Personalleiter ans Werkstor, wenn er eine Stelle zu vergeben hatte. Die gleiche Information kann ein Jobsuchender heutzutage einfacher bekommen - indem er sich mit seinem Smartphone vor das Werkstor stellt: Ein Knopfdruck, und das Gerät findet die geografische Position heraus, identifiziert anhand der Adresse die jeweilige Firma und schaut im Internet nach, welche Stellen dort frei sind. Das ist keine Zukunftsmusik: Stellenbörsen wie Jobstairs oder Monster etwa bieten kostenlose Programme für das iPhone an, die offene Stellen in der Umgebung finden.
Auch die COMPUTERWOCHE stellte zur CeBIT ihre Job-App mit Karriereinformationen, einem großen Stellenmarkt und einem Gewinnspiel vor.
Firmen müssen sich umstellen
Mobile Recruiting heißt das Zauberwort: Immer mehr Unternehmen sprechen Bewerber auf deren Lieblingskanal an - dem Smartphone. "Diese Entwicklung ist unausweichlich", prognostiziert Stephan Böhm, Professor an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. In einer Umfrage zum Thema M-Recruiting hat er herausgefunden, dass 89 Prozent aller Unternehmen erwarten, in Zukunft Bewerber über mobile Endgeräte auf sich aufmerksam zu machen. Böhm vergleicht die Situation mit den 1990er Jahren, als die ersten Jobbörsen online starteten. "Auch damals dachten viele Unternehmen aufgrund der geringen Reichweite des Netzes, das sei nur ein Gimmick - heute ist dieser Kanal Standard." Seine Prognose: Mittelfristig rekrutieren Unternehmen standardmäßig über mobile Medien.
Zu den Pionieren gehört die Deutsche Telekom. Anfang 2010 stellten die Bonner eine eigene App namens Jobs & More für das iPhone vor, mit der sich Stellensucher über offene Positionen im Unternehmen informieren können. Sie wurde in einem Jahr 24.000-mal heruntergeladen, drei Viertel der Nutzer haben das letzte Update mitgemacht. "Vor allem Absolventen und junge Berufserfahrene sind begeisterte Nutzer", freut sich Frank Staffler, Leiter Recruiting Operations bei der Telekom. Besonders viele Interessenten bekommt die App, wenn die jeweils ausgeschriebene Stelle auch mit Mobilfunk zu tun hat, etwa wenn ein Spezialist für Mobile Entertainment gesucht wird. Insgesamt verwenden vor allem ITler die mobile Jobsuchmaschine. "Eine Bewerbung für eine Position in der Finanzabteilung dagegen habe ich auf diesem Weg noch nicht bekommen", lacht Staffler.
M-Fieber in der Personalerszene
In der Personalerszene - jahrelang drahtlos ziemlich ratlos - ist mittlerweile geradezu das M-Fieber ausgebrochen. Kein Fachkongress kommt ohne das Megathema aus, Experten können sich kaum vor Anfragen retten. Was die Fantasie der Personaler besonders anregt, ist, dass mit dem Smartphone Dinge möglich sind, die der Desktop nicht leisten kann - zum Beispiel den Standort des Nutzers zu berücksichtigen (Fachwort: Location Based Services). Nutzer der App von Jobstairs etwa können sich automatisch potenzielle Arbeitsplätze in ihrer direkten Umgebung anzeigen lassen. Die Jobs erscheinen dann, ähnlich wie eine Google-Placemark, als Stecknadel auf einer Karte. Und das ist erst der Anfang. Die Vision: In Zukunft flaniert der Bewerber auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz durch die Stadt. Gefällt ihm ein Bürogebäude, schaut er kurz auf seinem Handy nach, welche Firma hier residiert und ob sie eine Stelle frei hat.
Jobsuche mit "Terminator-Blick"
Noch zukunftsweisender läuft die Jobsuche über eine so genannte Augmented-Reality-Anwendung ab. Eine solche Software nutzt die Bilder der Handykamera und blendet über das Realbild zusätzliche Informationen aus dem Internet ein. Wohl bekanntestes Beispiel für diese Technik ist die Anwendung Layar: Wer sie auf seinem Smartphone installiert, kann im Display zum Beispiel sehen, wo Wohnungen frei sind, wo sich seine Freunde aufhalten - und wo Jobs zu haben sind, zumindest in den Niederlanden. Die dort ansässige Zeitarbeitsfirma Tempo-Team meldet freie Stellen an Layar. Wenn die Nutzer ihr Handy auf einen Straßenzug halten, erscheint im Display über jedem Haus, wo eine Stelle frei ist, ein dicker Kreis.
"Terminator-Blick" nennen Spötter die Technik, weil sich im Display wie beim bekannten Filmroboter reale Welt und Datenwelt vermischen. Die Frage ist nur, wie viele Jobsucher sich für die Science-Fiction-Technik begeistern können: Läuft wirklich jemand auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz mit dem Handy durch die City?
"Arbeit sucht man nicht jedes Jahr"
Experten bewerten Bewerber-Apps, die Informationen nach dem Standort filtern, insgesamt eher skeptisch: "Das könnte vielleicht für Aushilfen interessant sein", glaubt Wolfgang Brickwedde, ehemals Recruiting-Director bei SAP und heute Unternehmensberater. Der durchschnittliche Stellensucher habe kein Interesse daran, auf seinem Handy-Display ständig mit irgendwelchen Informationen über freie Posten bombardiert zu werden. "Einen Job sucht man sich nur alle paar Jahre. Diese Informationen werden nicht ständig gebraucht - zumal vorab mindestens ein ‚Opt-in` nötig wäre."
Und noch ein kleiner Realitätscheck: Ganz ohne PC geht es bei der Jobsuche nach wie vor nicht. Die meisten Bewerber schnuppern mobil nur - und bewerben sich dann stationär. Allerdings beginnt diese Zweiteilung zu verschwinden: Bei der neuesten Version der Telekom-App können sich Jobsucher vom Smartphone aus auch gleich bewerben. Per Knopfdruck lässt sich ein Xing- oder LinkedIn-Profil sowie eine private Bewerbungspage an das Unternehmen elektronisch verschicken. Personaler prüfen dann zunächst, ob der Interessent halbwegs passt, und wenn ja, geht es mit der klassischen Online-Bewerbung weiter.
US-Firmen wie AT&T oder American Apparel sind noch weiter und akzeptieren auch vom Handy aus geschickte Bewerbungen. Das zeigt, wie die Jobsuche in Zukunft abläuft: Kandidaten haben ihren Lebenslauf ständig bei einem Cloud-Dienstleister gespeichert; interessiert sie eine Stelle, schicken sie dem Arbeitgeber den passenden Link - und das war es dann. "Für den Erstkontakt reicht das sicher aus", meint Stephan Böhm von der Hochschule Rhein-Main. Telekom-Manager Staffler erwartet, dass sich durch die neuen mobilen Möglichkeiten die Gepflogenheiten bei der Personalsuche insgesamt ändern werden: "Die Bewerbung wird kürzer und knackiger - so, wie sie in Asien schon heute ist." Auf Hochglanz polierte Motivationsschreiben im Erstkontakt hält er für ein Auslaufmodell.
Hype um Apps schon bald vorbei?
Der Hype um die Job-Apps könnte allerdings bald vorbei sein. Es zeichnet sich nämlich ab, dass Unternehmen den Nachwuchs bald auch mit speziellen Web-Seiten umgarnen, die sie für mobile Endgeräte optimiert haben. Firmen wie Bertelsmann haben solche abgespeckten Pages schon eingerichtet, andere Großkonzerne werden wohl bald nachziehen. Stand-alone-Apps wären damit überflüssig. "Wir arbeiten technisch zweigleisig", sagt Telekom-Projektleiter Staffler. Offene Stellen werde man künftig sowohl über Apps als auch über mobile Web-Seiten anbieten. Im Blick haben die Personaler dabei Plattformen wie das iPad, auf dem sich dank größerem Display fast so viele Informationen unterbringen lassen wie auf einer traditionellen Karriere-Homepage. Damit wird die nächste Runde des Mobile Recruiting eingeläutet: Der Job wird auf dem Tablet serviert.
Unterwegs zum neuen Job
So könnte die mobile Bewerbung in Zukunft ablaufen.
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Der Bewerber findet einen Job, der ihn interessiert, über die App einer Jobbörse oder eine spezielle, auf mobile Endgeräte eingestellte Karriereseite des Unternehmens.
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Eine formale Bewerbung mit Anschreiben und Zeugnissen gibt es nicht mehr. Stattdessen schickt der Bewerber dem potenziellen Arbeitgeber nur den Link zu seinem Profil in einem sozialen Netzwerk oder einem online hinterlegten Lebenslauf. Anhand dieser Daten trifft das Unternehmen eine Vorauswahl.
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Sobald das Unternehmen die Bewerberdaten hat, verschickt es über die App genaue Status-Updates (zum Beispiel: "85 Prozent bearbeitet, Fachabteilung berät, noch zweiTage bis zur Entscheidung"). Bei Einstiegsjobs ersetzt der mobile Videochat das klassische Bewerbungsgespräch.