Viele Hersteller forcieren den Trend

Java bahnt sich seinen Weg in die Unternehmens-DV

23.12.1998
NEW YORK (gfh) - Ist Java reif für kritische Anwendungen, und sind umgekehrt die Unternehmen reif für Java? Enthusiastisch bejahten die rund 250 Aussteller auf der Java Business Expo in New York diese Fragen. Als Beleg für ihre Zuversicht zeigten sie - allen voran Sun und die IBM - viele neue Produkte.

Tatsächlich sind die Bemühungen der Branche, brauchbare Produkte in großer Menge auf den Markt zu bringen, nicht zu übersehen (siehe rechts). Kritiker sprechen daher von einem rein herstellergetriebenen Boom, dem kaum ein Bedarf bei den Anwendern gegenüberstehe. Insbesondere die Behauptung, hier entständen Lösungen für die Unternehmens-DV, ist mit großer Vorsicht zu genießen. So gilt den Java-Propagandisten bereits eine Workgroup-Applikation als unternehmenswichtig. Selbst die Hersteller würden heute davor warnen, mit Java-Entwicklungen Anwendungen zu ersetzen, an denen heute Tausende Benutzer gleichzeitig sitzen - reine Web-Seiten-Zugriffe ausgenommen. Zu ähnlicher Vorsicht raten Fachleute auch bei der Verwendung der mit Java konkurrierenden COM+-Techniken von Microsoft.

Marktforscher sehen die Situation häufig etwas positiver. So schätzt Forrester Research, daß derzeit drei Viertel aller DV-Anwenderunternehmen Java am Server verwenden. In zwei Jahren sollen es alle sein. Die Analysten verschweigen allerdings, wie hoch hier der Anteil an Pilotprojekten ist. Ohne Zweifel jedoch breitet sich Java mit inzwischen geschätzten rund 900000 Programmierern und Tausenden Web-Anwendungen ungewöhnlich schnell aus.

Getrieben wird die Entwicklung vor allem vom Java-Erfinder Sun Microsystems. In New York hat das Unternehmen unter der Bezeichnung "Java 2" ein für den Unternehmenseinsatz überarbeitetes Java Developer Kit freigegeben. Die kostenlose Verbreitung des Sourcecodes soll die bereits große Akzeptanz noch erhöhen. Außerdem hat Sun die Freigabe der kürzlich vorgestellten Jini-Technik für den 25. Januar 1999 angekündigt. Dabei handelt es sich um ein softwarebasiertes Verfahren, das Netz- und Peripheriekomponenten und -Dienste in die Lage versetzt, zusammenzuarbeiten, ohne daß vorher Treiber installiert oder Zugriffspfade definiert worden wären.

Wichtigster Partner von Sun bei der Etablierung von Java als Unternehmensplattform ist die IBM. Tatsächlich hat der Weltkonzern seine gesamte Softwarestrategie auf Java ausgelegt. Während Sun sich auf die Bereitstellung von Basistechniken konzentriert, bemüht sich die IBM, Java in die Anwenderunternehmen zu bringen. Der beste Hebel ist dabei derzeit die Anbindung der Unternehmens-DV an das sich allmählich entwickelnde Geschäft im Internet. Hierbei sollen die von der IBM mitentwickelten Enterprise Javabeans (EJB) helfen, deren Aufgabe es ist, Unternehmens-Anwendungen wie Transaktionssysteme oder Datenbanken in eine Java-Umgebung einzubinden.

Da die IBM von einer Verschmelzung von Web-Techniken und klassischer DV ausgeht, will der Konzern die EJB in alle relevanten Produkte einbauen.

Den Anfang machte die IBM auf der Java-Expo mit der EJB-Integration in die "Advanced"-Variante des Applikations-Servers "Websphere". Die Enterprise Javabeans positionieren den Server als Middleware für Transaktionsverarbeitung. Die Standardausführung soll dagegen hauptsächlich Browser mit HTTP-Seiten versorgen und wird daher mit einem Web-Server ausgeliefert, als dessen Kern die weitverbreitete Freeware "Apache" dient.

Gleichzeitig mit Websphere wurde auch die Entwicklungsumgebung "Visual Age for Java" für die Erstellung von Enterprise Javabeans ausgebaut. Das war schon deshalb nötig, weil Visual Age das Tool ist, mit dem Anwendungen für den Applikations-Server entwickelt werden. Zu diesem Zweck werden beide Produkte zudem immer stärker integriert.

EJB-Unterstützung ist zudem für IBMs betriebswirtschaftliches Framework "San Francisco" vorgesehen, dessen Version 1.3 in New York angekündigt wurde. Die bereits in Java geschriebene Software soll auf diese Weise eine einheitliche Methode für die Aufstellung von Geschäftsregeln erhalten, die festlegen, welche Anwendungen unter welchen Bedingungen aktiviert werden.

Die IBM vermarktet San Francisco als Beispiel für die Reife der Java-Technik. Es handelt sich dabei um ein unter Unix, NT und OS/400 einsetzbares Framework, das Anbietern betriebswirtschaftlicher Pakete die Entwicklung vieler Basisfunktionen erspart. Systemdienste gehören ebenso zum regulären Lieferumfang wie gemeinsame Geschäftsobjekte etwa für die Kundenverwaltung oder die Umrechnung von Währungen. Darüber hinaus bieten die IBM und Partnerunternehmen Basispakete für Lagerverwaltung, Auftragsbearbeitung und Ein- und Ausgangsrechnung und ab jetzt auch Buchhaltung (General Ledger) an. Insgesamt gibt es inzwischen 1100 wiederverwendbare Komponenten.

Diese Basispakete sollen durch Partner mit weiteren Funktionen angefüllt und an Kundenwünsche angepaßt werden. Auf diese Weise können die Softwerker rasch relativ individuelle Pakete für die Betriebswirtschaft anbieten. Zielte das Konzept ursprünglich auf den Markt der kleinen und mittleren Unternehmen, die häufig noch mit proprietärer und nicht selten veralteter Technik arbeiten, so ist nun auch daran gedacht, mit der San-Francisco-Software Pakete von der SAP oder Baan zu ergänzen.

Aufgrund der vielen Technologiewechsel und der langen Entwicklungszeit ist San Francisco immer wieder in Vergessenheit geraten. Selbst IBM-Mitarbeiter sind über die derzeit regen Marketing-Aktivitäten überrascht. Danach arbeiten bereits rund 800 Partnerunternehmen an San-Francisco-Lösungen, von denen es aber bislang erst eine Handvoll Produkte gibt, die zum Teil in New York zu sehen waren. Zu ihnen gehört "Skyva", ein Programm zum Management von Lieferketten. Hersteller Camelot IS-2 Inc. rüstet damit zur Zeit den Bereich CD-Produktion des Bertelsmann-Verlags aus. Unter der Bezeichnung "Actionware/Java" soll ab Anfang 1999 ein Kunden-Management-System von der kalifornischen Actionware Inc. auf den Markt kommen. Bereits verfügbar ist ein Finanzsoftwarepaket "Revelation" von der britischen Unisoft Ltd., Berkhamsted.