Japaner erwerben 19,9 Prozent des PC-Shooting-Stars Packard Bell holt sich bei NEC weitere Kapitalspritze

14.07.1995

LOS ANGELES/TOKIO (IDG/ CW) - 170 Millionen Dollar will sich die NEC Corp. eine knapp 20prozentige Beteiligung an der Packard Bell Electronics Inc. kosten lassen. Industriebeobachter gehen davon aus, dass der amerikanische PC-Lieferant die Finanzspritze benoetigt, um sein halsbrecherisches Wachstum weiter finanzieren zu koennen. Ausserdem wollen die neuen Partner in den Sektoren Einkauf, Multimedia-Entwicklung und Marketing zusammenarbeiten.

Nach Bull holt Packard Bell (PB) mit NEC innerhalb von zwei Jahren einen weiteren wichtigen Geldgeber und Bundesgenossen an Bord. Der Abschluss des Abkommens wurde in der vergangenen Woche in Tokio bekanntgegeben. Die zusaetzlichen Mittel duerfte der amerikanische PC-Anbieter, der vor allem ueber Massenkanaele Produkte fuer den Home-Sektor vertreibt, benutzen, um den Umsatz von zuletzt 2,8 Milliarden Dollar wie geplant um 40 Prozent steigern und die Auslandspraesenz erhoehen zu koennen. Im Gegenzug kann NEC seine Aktivitaeten auf dem amerikanischen Markt ausweiten, auf dem die Japaner mit ihren eigenen PCs bisher kaum Fuss gefasst haben.

Darueber hinaus versprechen sich die Partner - inklusive der Groupe Bull, die diesen Deal vermittelt haben soll - durch die gemeinsame Nachfragemacht bessere Konditionen beim Einkauf von Komponenten. Angesichts der zur Zeit herrschenden Knappheit von Bauteilen koennte das zu einem gewichtigen Vorteil gegenueber dem Mitbewerb werden. Vor allem bei DRAMs duerften PB und wohl auch Bull demnaechst keine Lieferprobleme mehr haben. Schliesslich ist NEC weltweit der zweitgroesste Hersteller dieser Speicherbausteine. Ebenfalls liefern die Japaner laut Abkommen CD-ROM-Laufwerke, 3D- Chipsets und eventuell auch Aktiv-Matrix-LC-Displays in TFT- Technik an den amerikanischen Hersteller.

Die neuen Partner wollen darueber hinaus bei der Entwicklung neuer Multimedia-Produkte zusammenarbeiten. Bei den Projekten dreht es sich zunaechst um neue 3D-Rendering-Verfahren, Set-top-Boxen und Software.

Seit zwei Quartalen steht die Packard Bell Electronics Inc., die ihr Geschaeft in erster Linie mit Desktop- und Multimedia-PCs im US-Home-Markt macht, auf Platz eins der amerikanischen Mikrolieferanten. Weltweit belegt das Unternehmen den vierten, der neue Miteigner NEC den fuenften Rang. Allerdings sind sowohl das japanische als auch das amerikanische Unternehmen international nicht so stark vertreten wie die anderen grossen Player der Branche. PB generierte Analysten zufolge etwa 85 Prozent seiner letztjaehrigen Einnahmen in den USA. Aehnliches gilt im PC-Geschaeft fuer die NEC, die in Japan mit nicht IBM-kompatiblen Rechnern (PC- 9800) Marktfuehrer ist. Ausserhalb Nippons verkauft NEC kompatible Rechner, kommt aber bisher auf keinen nennenswerten Marktanteil.

Mit dem Einstieg der Japaner erhoeht sich der Anteil fremden Kapitals an PB auf knapp 40 Prozent. Bereits vor zwei Jahren hatte sich Bull mit 19,9 Prozent an Packard Bell beteiligt. Diesen Anteil wollen die Franzosen offenbar halten und kuendigten an, die Kapitalaufstockung mitzumachen und weitere 30 Millionen Dollar in das US-Unternehmen zu investieren. Die Investments schlagen sich auch in der Besetzung des Verwaltungsrates nieder. Bull und NEC erhalten jeweils einen von insgesamt fuenf Sitzen. Damit geht kaum noch etwas gegen ihren Willen. Dass die beiden fremden Finanziers an einem Strang ziehen, ist wahrscheinlich, zumal NEC - bereits mit 4,5 Prozent an Bull beteiligt - zugesichert hat, insgesamt 17 Prozent an der teilprivatisierten Groupe Bull zu erwerben.

Industriebeobachter rechnen damit, dass Packard Bell die Kapitalinfusion auch nutzen wird, um den professionellen Markt aggressiver angehen zu koennen. Bereits im vergangenen Jahr habe das Unternehmen mit dem Aufbau einer Division begonnen, die sich um die Kaeufer in kleineren und mittelstaendischen Firmen bemuehen soll.