Klaus Straub, Audi

IT-Mann mit Benzin im Blut

29.11.2006 von Christoph Witte
Er versteht sich als Prozessgestalter. Technologie ist für Klaus Straub Mittel zum Zweck - und der heißt profitables Business zu machen mit tollen Autos.

Natürlich ist Straub ein Automann. Deshalb dreht es sich auch in dem jeden Interview vorausgehenden Smalltalk um Autos, neue Modelle, Motoren etc. Als ihm klar wird, dass sein Gegenüber nicht auf der Höhe der auto-mobilen Zeit ist, kommen wir schnell zum eigentlichen Thema: zur IT und zur Rolle des CIO. "Damit Sie meinen Hintergrund verstehen, sollten Sie wissen, dass ich gelernter Maschinenbauer bin, mit Schwerpunkt Produktionstechnik."

Schon am Anfang des Gesprächs die erste relativierende Bemerkung zur Bedeutung der IT? Nein, Straub will nur seinen Aktionsradius deutlich machen. Seine vielfältigen Verantwortungsbereiche und seine Führungsaufgaben außerhalb der IT hätten ihm in seiner Aufgabe als CIO sehr geholfen. "Mit Infrastruktur und Verkabeln ist es ja bei weitem nicht getan. Im Mittelpunkt stehen eindeutig die Prozesse. Von ihnen hängen die Ablauforganisation und die Art der IT-Unterstützung ab." Folglich sind es genau diese Punkte, die er betrachtet.

Erfolgsbausteine

  • Car IT - Prototyp für interaktives und perso-nalisiertes Vorlesen im Auto;

  • KAP, (Kundenauftragsprozess) - Prozess- und Systemharmonisierung über alle Produkti-onsstandorte hinweg. Dadurch wurde eine pro-aktive IT-Planung und Realisierung aller pa-rallel anstehenden Produktionsanläufe (Q7,A4,TT) möglich;

  • Diebstahlschutz - konzernweite Prozess- und Systemkonzeption für die Fahrzeugsicherung;

  • Einführung Service-orientierter Achitekturen;

  • Konsolidierungsprogramm mit kumulierten Einsparungen von 20,4 Millionen Euro in den Jahren 2004 und 2005.

Prozessberater für Fachbereiche

In puncto Prozesse übt die CIO-Funktion bei Audi eine beratende Funktion gegenüber den Fachbereichen aus. Was die formale Gestaltung der Abläufe betrifft, hat der CIO die Fäden sogar in der Hand. In seine Organisation gehört auch eine Gruppe für Unternehmens- und Organisationsberatung. Er findet es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass der CIO auch für die Strategiefindung des Gesamtunternehmens einen entscheidenden Beitrag leistet: "Wenn die Prozesse im Mittelpunkt stehen und für sie effektive Lösungen gefunden werden müssen, ist es ganz normal, dass wir da involviert sind."

Klaus Straub
Klaus Straub
Klaus Straub, CIO von Audi, gewinnt in diesem Jahr den Wettbewerb "CIO des Jahres".
Klaus Straub
Die Zukunft der CIO-Funktion sieht Straub im Business, so könnte ein CIO künftig zentrale Services wie Finanzen, Personal oder eben auch IT verantworten.
Klaus Straub
Der Maschinenbauingenieur hat sein ganzes bisheriges Berufsleben in der Autoindustrie gearbeitet: Vor Audi war er für Siemens VDO Automotivw und Daimler Chrysler tätig.
Klaus Straub
Klaus Straub im Kreise seines IT-Führungsteams, das unter anderem für Organisation, Programm- und Qualitäts-Management, Services und Prozessintegration verantwortlich ist.
Klaus Straub
Internationalität und Glück verbindet Straub mit diesem Glücksbringer aus China, der in seinem Büro hängt.

Vier generelle Arbeitsbereiche definiert Straub für die CIO-Funktion:

- Ablauforganisation: Hier wird beraten und auf einheitliche Regeln und ihre Befolgung geachtet;

- Unternehmensberatung in organisatorischen Fragen,

- Applikations-Management: Beratung, Entwicklung und Delivery (aber immer weniger Eigenentwicklung, eher Projektdefinition und Management bis hin zum Customizing von Standardapplikationen;

- Infrastruktur: Vermehrte Steuerung von externen Dienstleistern zur Erbringung von Serviceleistungen und Verbleib der Governance-Funktionen

Beispielsweise hat Audi die gesamte Telekommunikationsinfrastruktur an einen Dienstleister gegeben. "Im Haus habe ich genau noch einen Menschen, der sich darum kümmert." Im Übrigen gibt die IT in Sachen Infrastruktur absolut den Ton an.

Beispiel Laptops: "Wir schreiben nach Bedarfsermittlung in Abstimmung mit unseren Fachbereichen die Plattform vor, die darauf laufende Software und die Total Cost of Ownership. Der Fachbereich bestimmt dann auf dieser Basis die Menge der zu bestellenden Geräte."

Fertigungstiefe in der IT nimmt ab

In den IT-Ebenen neben der Infrastruktur besteht Straub darauf, zumindest so viel Know-how im eigenen Haus zu behalten, dass Anforderungen selbst formuliert werden und Projekte gesteuert werden können: "Wir müssen in der Lage bleiben, die Dinge zu uns zurückzuholen oder geordnet an einen anderen Dienstleister zu übertragen." Die Fertigungstiefe der Inhouse -IT beziffert er auf 30 bis 40 Prozent mit abnehmender Tendenz: "In Zukunft werden wir hierfür weniger Personal benötigen, und müssen auch in der Lage sein, flexibel zu reagieren" Die Teams, die an den Projekten arbeiten, müssen sowohl strategisch beraten können als auch im Detail fit sein. "In einer Person zusammengefasst, könnte man diese Leute als Detailstrategen bezeichnen."

Straub geht es vor allem um Prozesse. Und das sieht er nicht nur für seine Organisation so. In zehn bis 15 Jahren kann er sich vorstellen, dass sich der Prozessgedanke so durchgesetzt hat, dass auch die Vorstände nicht mehr klassisch funktional, sondern nach den jeweiligen Geschäftsprozessen ausgerichtet sind. . "Wenn die Verantwortung für einen kompletten Prozess in der Hand eines Vorstandes liegt, wirkt sich das natürlich auch auf die CIO-Funktion aus. Dann muss man der betreffenden Person auch alle Mittel an die Hand geben, um den Prozess optimal zu gestalten und zu unterstützen. Dass dies mit einer zentralen IT geht, glaube ich übrigens nicht", wagt er einen Ausblick. Eine solche Bewegung hin zu einer wieder dezentraleren IT ergibt für den CIO aber erst dann Sinn, wenn "konsolidiert, standardisiert ist und im gesamten Konzern die gleichen Regeln gelten. Sonst entsteht nur Chaos."

Ein Zentralist und Hierarchiegläubiger? So auch wieder nicht. "Nach zwei Jahren bei Audi habe ich bewiesen, dass ich ein guter Teamspieler bin." Allerdings sei ein Konzern wie VW und auch schon die Tochter Audi zu komplex, als dass jeder machen könne, was er wolle.

Audi plant, bis 2015 die Zahl der produzierten Autos von heute 760 000 auf über eine Million Fahrzeuge pro Jahr zu erhöhen. Die Produktpalette wird damit noch diversifizierter sein, es wird in noch mehr Länder geliefert und gefertigt. Es herrschen andere Anforderungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen werden stark variieren; kurz: die ganze Sache nimmt beträchtlich an Komplexität zu. "So etwas kann man nur mit klaren Vorgaben bewältigen", glaubt Straub.

Diese und andere strategische Vorgaben entwickelt er gemeinsam mit dem VW-Konzern-CIO Klaus-Hardy Mühleck und dem CIO der Markengruppe VW (Marken VW, Bentley, Bugatti, Skoda), Uwe Matulovic: "In diesem kleinen Kreis kann man sich regelmäßig abstimmen, und es lassen sich schnelle Entscheidungen treffen. "Abhängig von der Konzern- und Unternehmensstrategie entwickelt das CIO-Gremium auch die IT-Strategie. Um eine einheitliche Ausrichtung zu gewährleisten, haben die CIOs ihren jeweiligen Organisationen denselben Aufbau gegeben.

Das große Ganze im Blick

Auch das so genannte Prozesshaus ist für alle Konzernteile gleichartig. In ihm sind sämtliche Abläufe abgelegt und detailliert mit ihren Abhängigkeiten und zu unterstützenden Systemen dokumentiert. Um die Verbindung zwischen den Geschäftsteilen des Konzerns zu halten und zu verbessern, üben einige Führungskräfte in Straubs Team parallel zu ihrer Aufgabe bei Audi auch eine Konzernfunktion aus. "So gewährleisten wir, dass nicht jeder Bereich nur für sich selbst optimiert." Das Verständnis für das Ganze werde so gefördert.

Den Blick für die großen Zusammenhänge hält er für eine wichtige CIO-Fähigkeit, die er auf keinen Fall aus dem Auge verlieren möchte. Außerdem erachtet er - bei Audi bemüht man sich offensichtlich, die Zahl der Anglizismen klein zu halten - Restrukturierungskompetenz als entscheidend. "In jedem CIO-Job fallen größere und kleinere Umbauarbeiten an. Dort, wo ich bisher die IT geleitet habe, waren es meistens größere", schmunzelt er. Bei Siemens VDO beispielsweise habe er die Aufgabe bewältigen müssen, die IT-Ausgaben von drei Prozent des Gesamtumsatzes auf 1,9 Prozent zu reduzieren. Wer als CIO mit solchen Projekten keine Erfahrung habe, scheitere garantiert.

Vermittlung sei ebenfalls eine wichtige Aufgabe des CIO. Damit meint Straub allerdings nicht nur die Übersetzung von IT in Richtung Geschäft und umgekehrt: "Wir beraten unsere Fachabteilungen ja auch im Prozessdesign und im Aufbau der Ablauforganisation. Da brauchen Sie neben Prozess-, Organisations- und Fachwissen auch beträchtliches Fingerspitzengefühl. Ein dickes Fell, der Audi-CIO nennt das "Nehmerqualitäten" benötige ein CIO allerdings ebenso: "Wenn irgendetwas nicht klappt, werden wir natürlich als Sandsack hergenommen." Aber dadurch, dass es eine enge Zusammenarbeit und Auftragsklärung mit den Fachbereichen gibt, nehme diese missbräuchliche Nutzung der IT immer stärker ab. CIOs, die jedoch nicht in die Strategie- und Planungsprozesse involviert sind, hätten im internen Gefüge ein viel schwereres Leben. "Die sind dann wirklich am unteren Ende der Kette."

Zur Person

  • Seit Oktober 2004 CIO der Markengruppe Audi;

  • 2002 CIO Siemens VDO Automotive;

  • 2000 Bereichsleiter ITM Global Human Re-source Systems, Daimler Chrysler;

  • 1997 Leiter IT Business Services und interna-tionale Mercedes-Benz PKW-Produktionsstandorte;

  • 1995 Leiter Abteilung Marketing Software-produkte und Systeme;

  • 1990 Nachwuchsguppe Leitende Führungskräfte Organisation Datenverarbeitung Personenwagen Mercedes Benz.

  • Klaus Straub ist 42 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern.

Obwohl klar am Business orientiert, kennt Straub die IT-Trends und prüft, welche Architekturen und Technologien für Audi sinnvoll sind. "Wir setzen auf die Service-oriented Architecture. Dieser Ansatz gibt uns bei gleichzeitiger Orientierung genügend Flexibilität, um auch mit künftigen Anforderungen zurecht zukommen." Bewusst hat er sich vom Best-of-Breed-Ansatz verabschiedet. Audi konzentriert sich auf wenige große Anbieter, wie: IBM, Microsoft und SAP. Die daraus resultierende Abhängigkeit stellt der CIO gar nicht in Frage, versucht sie aber durch eine double- oder triple-source-Einkaufsstrategie zu mildern. Mehr Hersteller, so Straubs Credo, mit unter-schiedlichen Konzepten würden die Komplexität der ohnehin vielschichtigen IT bei Audi unnötig weiter erhöhen.

IT als Shared Services

Straub sieht die IT als Shared Service. Er kann sich vorstellen, dass die gesamte IT-Funktion von einem Shared-Service-Center erbracht wird. Und er kann sich selbst als Chef einer solchen Organisation denken. Andere Serviceprozesse könnten schließlich genauso gesteuert werden wie in der IT: "Sie können auch dort nach den Itil-Vorgaben verfahren." Die Zukunft der CIO-Funktion sieht er im Business, allerdings weniger als Chief Operating Officer, sondern eher in Richtung Verantwortungsübernahme für alle zentralen Services wie Finanzen, HR oder eben auch IT.