Arbeitszeitsmodelle

IT-Industrie setzt auf Flexibilität

08.12.2009 von Rosemarie Fiedler-Winter
IT-Dienstleister sind bestrebt, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten, um Kurzarbeit zu vermeiden.

Zeiten der Krise sind immer auch Zeiten schwindender Arbeitsplätze. Doch umso weniger Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, desto besser läuft das Geschäft auch in harten Zeiten. Ein Rezept dafür sind flexible Arbeitszeiten, die in den meisten IT-Betrieben die Regel sind.

"Die ITK-Branche verfügt über die notwendigen Technologien, um eine effiziente Zusammenarbeit auch unabhängig vom realen Arbeitsplatz und häufig auch unabhängig von bestimmten Bürozeiten zu realisieren", sagt Stephan Pfisterer vom Branchenverband Bitkom. Bei zahlreichen internationalen Projekten arbeiteten die Teams über Kontinente und Zeitzonen hinweg an denselben Aufgaben: "Ohne flexible Arbeitszeiten könnte unsere Branche kaum existieren."

Stephan Pfisterer, Bitkom: "Ohne flexible Arbeitszeiten könnte unsere Branche nicht existieren."

Der IT-Dienstleister IDS Scheer etwa setzt auf Vertrauensarbeitszeit. Mitarbeiter haben auch die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten. 8,5 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Teilzeit. Doppelt so viele Teilzeitkräfte hat der IT-Dienstleister Asknet aus Karlsruhe auf seiner Gehaltsliste, ansonsten setze man ebenfalls auf die Vertrauensarbeitszeit.

IBM ist da konkreter: "Wir gehen davon aus, dass zirka 95 Prozent unserer Belegschaft die Vertrauensarbeitszeit aktiv nutzen und 60 Prozent auch von der mobilen Telearbeit Gebrauch machen", so der Kommentar des Branchenriesen.

Yvonne Lutz, Asknet: "Bei unserem hohen Service-Level-Standard kommt Kurzarbeit nicht in Frage."

Kein Thema scheint für viele Firmen das Thema Kurzarbeit zu sein: " Wir können durch unser breites Themen- und Branchenportfolio den in vorübergehend rückläufigen Geschäftsbereichen Tätigen auch andere Aufgaben anbieten", so die IDS-Personalleiterin Rosemarie Clarner. Kurzarbeit konnte vermieden werden konnte. Yvonne Lutz, Personalerin bei Asknet, sieht es ähnlich: "Da wir unserem hohen Service-Level-Standard gerecht werden wollen, kommt Kurzarbeit für uns nicht in Frage." Auch bei IBM gebe es keine Kurzarbeitsdiskussion.

Die Personaler verweisen darauf, dass die existierenden Arbeitszeitregelungen viel Spielraum lassen, um flexibel auf konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. Asknet-Frau Lutz lobt, dass die Mitarbeiter über ihre Arbeitszeit entscheiden, "ohne die Work-Life-Balance aus den Augen zu verlieren".

Die Mitarbeiter der noch recht jungen Computerindustrie sind gewohnt, auch aufgrund der Internationalität des Geschäfts flexibel zu arbeiten, wie Arbeitszeitberater Andreas Hoff feststellt. Vorgesetzte wie Mitarbeiter reagierten unvoreingenommener als in anderen Branchen auf Veränderungen: "Ich empfehle einen Arbeitszeitkorridor, der bei fehlender Auslastung die Absenkung der betrieblichen Arbeitszeit um bis zu 20 Prozent ermöglicht." Bei einer betrieblichen 40-Stunden-Woche erstrecke sich der Arbeitszeitkorridor zum Beispiel auf 32 bis 40 Wochenstunden - immer bei entsprechender Anpassung des Monatsgehalts und generell auch bei einem vertraglich zugesicherten Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. "Ist ein Beschäftigungssicherungs-Vertrag vorhanden, können Arbeitszeitkorridore dieser Art im Einvernehmen von Geschäftsleitung und Betriebsrat genutzt werden", so Hoff. Ansonsten bedürfe es einzelvertraglicher Lösungen, was unter heutigen Bedingungen aber durchaus aussichtsreich erscheine.

Flexibilität hält geistig fit

IBM-Personaler Heinz Liebmann zieht eine positive Bilanz der Vertrauensarbeitszeit.

CW: Welche Arbeitszeitformen werden von Mitarbeitern besonders gern angenommen?

LIEBMANN: Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten bietet die Vertrauensarbeitszeit eine hohe Flexibilität. Wenn zum Beispiel im Rahmen eines Projektes Überzeiten anfallen, können diese flexibel zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen werden. Entscheidend ist das Ergebnis der geleisteten Arbeit, nicht die Anwesenheit am Arbeitsplatz. Vertrauensarbeitszeit ist also ein Schlüsselelement der Flexibilisierung. Dafür haben wir einen täglichen Zeitkorridor von sechs bis 20 Uhr eingerichtet. Für die Mitarbeiter gilt die tarifliche Wochenarbeitszeit von 38 Stunden. In einer Projektphase kann diese Wochenarbeitszeit ausnahmsweise auch auf 50 Stunden ausgedehnt werden. Die aufgelaufene Mehrarbeitszeit sollte dann möglichst zeitnah wieder abgebaut werden.

CW: Welche Schwierigkeiten ergeben sich aus einer solchen Praxis?

Heinz Liebmann, IBM: "Für ein Unternehmen entstehen durch die Flexibilisierung keine zusätzlichen Kosten."

LIEBMANN: Auch ich bin Teil eines globalen Teams, und wir arbeiten nach einem globalen Integrationskonzept. Wir haben Telekonferenzen, die wir so organisieren, dass sie sich in unterschiedlichen Zeitzonen realisieren lassen, wobei die Gesprächspartner in den einzelnen Ländern auch zu unterschiedlichen Zeiten an den PC gerufen werden, damit der Japaner nicht laufend nur morgens um sieben oder ich abends um zehn Uhr zur Verfügung stehen müssen. Wodurch natürlich auch die geistige Flexibilität unterstützt wird, zumal man ja auch zu verschiedenen Zeiten seine besten Ideen hat.

CW: Und wie sieht es mit den Kosten der Flexibilisierung aus?

LIEBMANN: Für ein Unternehmen entstehen durch die Flexibilisierung schon deshalb keine zusätzlichen Kosten, weil Überstunden zeitlich ausgeglichen werden. Auch die Organisationskosten selbst verringern sich, da sich ein Arbeitszeiterfassungs-System erübrigt. Flexible Arbeitszeiten sind eine wichtige Voraussetzung für Change-Management.