Community fragt Oracle

Ist Java noch zu retten?

23.01.2011 von Martin Bayer
Oracles Patentrechtsklage gegen Google hat die weltweite Community rund um Java in Aufruhr versetzt. Viele Entwickler sehen die Open-Source-Basis in Gefahr.

Oracle ist es auf seiner zentralen Jahreskonferenz OpenWorld sowie der parallel abgehaltenen JavaOne nicht gelungen, die Bedenken der Community über die Zukunft der Java-Plattform zu zerstreuen. Der Softwarekonzern präsentierte zwar erste Details einer Java-Roadmap. Die anhängige Klage gegen Google sowie offengebliebene Fragen, was die Lizenzpolitik im Java-Umfeld betrifft, haben jedoch nicht dazu beigetragen, für mehr Ruhe zu sorgen.

Im Gegenteil: "Oracle hat auf der JavaOne lediglich offiziell bestätigt, was bereits im Vorfeld überall die Runde gemacht hat", kritisiert Fried Saacke, Vorstandsvorsitzender des Interessensverbunds der Java User Groups (iJUG) die Informationspolitik des Softwarekonzerns. Zwar stimme die Richtung, weil Oracle endlich eine Roadmap aufgezeigt habe. "Es besteht allerdings noch große Unsicherheit hinsichtlich der Frage, wie Oracle mit Java Geld verdienen will. Außerdem ist noch unklar, welche Rolle die Community zukünftig spielen wird." Das Vorgehen gegen Google lässt erahnen, aus welcher Richtung der Wind künftig wehen wird.

Die Klage

Am 12. August dieses Jahres hat Oracle gegen Google offiziell Anklage erhoben. Der Suchmaschinen-Primus habe mit seinem mobilen Betriebssystem Android wissentlich, aktiv und wiederholt geistiges Eigentum und Patentrechte Oracles an Java verletzt, hieß es in der elfseitigen Klageschrift, die der Datenbankspezialist vor einem Bezirksgericht in Kalifornien einreichte. Im Detail verstießen das Betriebssystem, die von Google entwickelte "Dalvik Java Virtual Machine" (JVM) sowie das Android Software Development Kit (SDK) gegen insgesamt sieben Oracle-Patente. Außerdem würden damit sämtliche mobilen Endgeräte, die unter Android liefen, Eigentumsrechte von Oracle verletzen.

In ihrer Klagebegründung bezeichneten die Oracle-Verantwortlichen die Java-Plattform als eine der wichtigsten Techniken, die der Konzern mit der Akquisition von Sun Microsystems übernommen habe. Java-Applikationen liefen unabhängig von Betriebssystem und Hardware auf einer Vielzahl unterschiedlicher Rechnerplattformen, vom Hochleistungs-Server bis hin zum Smartphone. Suns langjährige Entwicklungsbemühungen seien in zahlreichen Innovationen gemündet und hätten dem Hersteller damit eine beträchtliche Zahl an Patenten eingebracht. Java sei als mobiles Betriebssystem anzusehen, das in Konkurrenz zu Google Android stehe, argumentiert Oracle. Jedoch nutze Google Kerntechniken von Java, ohne dafür eine Lizenz zu besitzen.

Die Klage: Darum geht es

Der Streit dreht sich in erster Linie um die von Google entwickelte Java Virtual Machine (JVM) "Dalvik". Ein Teil von Dalvik ist das Programm "dx", das dafür sorgt, dass Java-Binärdateien (.class) in das Dalvik-Executable-Format ".dex" konvertiert werden. Dx fasst mehrere .class-Dateien in einer .dex-Datei zusammen und kümmert sich um die Optimierung des Speicherbedarfs. Letztendlich umgeht Google damit jedoch die kostenpflichtige Lizenzierung von J2ME, der mobilen Java-Variante. Oracle zufolge würden jedoch bei der Umwandlung des originären Java-Codes für die Google-eigene VM Java-Patente verletzt.

Aus Sicht des neuen Java-Eigentümers hätte Google die Rechtslage bezüglich der Java-Patente seit Langem bekannt sein müssen, zumal einige hochrangige Google-Manager in der Vergangenheit eng an der Java-Entwicklung beteiligt gewesen seien. Beispielsweise verantwortete der heutige Google-CEO Eric Schmidt bis zu seinem Wechsel zu Novell im Jahr 1997 die Java-Entwicklung bei Sun Microsystems. Auch der Schweizer Urs Hölzle, Senior Vice President of Operations bei Google, war als Mitbegründer von Animorphic Systems, das 1997 von Sun übernommen worden war, eng in die Entwicklung von Java involviert.

"Oracle geht es nur ums Geld"

Für so manchen Insider kam Oracles Vorstoß indes nicht überraschend. Schon bei den Übernahmeverhandlungen mit den Sun-Verantwortlichen hätte Oracle den Plan verfolgt, zu einem späteren Zeitpunkt gegen Google vorzugehen, berichtet Java-Erfinder James Gosling, der Oracle nach der Akquisition von Sun im Frühjahr 2010 den Rücken gekehrt hatte. Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, schreibt Gosling in seinem Blog. Während der Gespräche habe man das Funkeln in den Augen der Oracle-Anwälte sehen können. "Bei Oracle geht es immer nur ums Geld. Das ist die einzige Metrik, die sie verstehen."

Ältere Java-Versionen sind beliebt
Obwohl die heute <b>aktuelle Version 6</b> nun schon seit zwei Jahren verfügbar ist, wird eine Vielzahl von Projekten noch mit älteren Ausführungen betrieben. Die Abbildung zeigt, dass die vorletzte Version (<b>JDK 5 von 2004</b>) immer noch die größte Verbreitung hat und häufig eingesetzt wird. Die Version 6 wird hauptsächlich in neuen Projekten eingesetzt. <br/> Der Hauptgrund dürfe in dem nicht zu unterschätzenden <b>Migrationsaufwand</b> beim Umstieg auf eine neue Java-Version liegen. Eine Strategie könnte daher sein, Inkompatibilitäten zu identifizieren und den Umstieg auf eine neue Java-Version langfristig zu planen. Eine Migration kann beispielsweise schrittweise inkompatible Drittbibliotheken durch neuere Versionen ersetzen.
J2EE dominiert
Mit der <b>Java Platform Enterprise Edition</b> (Java EE) steht eine Software-Architektur zur Entwicklung verteilter, mehrschichtiger Anwendungen zur Verfügung. Dabei bezeichnet <b>J2EE</b> die Versionen 1.0 (Dezember 1999) bis 1.4 (November 2003). Mit der Version <b>Java EE 5</b> (Mai 2006) folgte dann ein deutlich überarbeiteter Standard, der sehr stark durch zwei Open-Source-Produkte beeinflusst wurde: Das <a href="http://www.springframework.org/" target="_blank"> Spring Framework</a> als leichtgewichtige Enterprise Plattform revolutionierte die Art und Weise, mit der Enterprise Anwendungen entwickelt wurden. Und <a href=" http://www.hibernate.org/" target="_blank">Hibernate</a> etablierte sich als Persistenzlösung. Die Erhebung zeigt, dass J2EE bislang noch die Projektwelt dominiert.
Skriptsprachen sind selten
Seit 2007 treten vermehrt auch Skriptsprachen auf der Basis der <b>Java Virtual Machine</b> (JVM) in Erscheinung. Offenbar sind sie aber im Kontext der Java-Entwicklung noch nicht weit verbreitet (siehe oben). Groovy liegt in dieser Statistik klar vorne - sie wird von zirka 30 Prozent der Befragten eingesetzt. Die Entwicklung in diesem Umfeld bleibt sicher spannend. Interessant wird auch sein, in welchen Bereichen diese Skriptsprachen sich bewähren werden. Erleichtert wird eine erste Annäherung an Skriptsprachen durch die enge Integration mit Java. So können einzelne Funktionen in aktuellen Projekten mit Skriptsprachen realisiert werden, ohne das gesamte Projekt zu beeinflussen. Solche Skripte können gegebenenfalls wieder recht einfach entfernt werden.
Abseits von Java gibt es wenig
Der Vollständigkeit halber: Dargestellt sind Techniken, auf die die Java-Experten ebenfalls zurückgreifen.
Alle nutzen Eclipse
Bei der Frage nach den Software-Entwicklungswerkzeugen zeigt sich, dass <b>Eclipse</b> (beziehungsweise eine auf Eclipse basierende Entwicklungsumgebung) die bevorzugte Wahl praktisch aller Java-Entwickler ist. Der Vergleich der anderen beiden bedeutenden Tools zeigt, dass <b>IntelliJ Idea</b> mehr häufige Nutzer als <b>Netbeans</b> hat. Allerdings hat Netbeans die Nase vorn, zählt man häufige und gelegentliche Nutzer zusammen.
Entwickler bauen auf Open Source
Bei den Build-Tools hat <b>Ant</b> die größte Verbreitung. Das neuere <b>Maven</b> (in Version 1 seit Ende 2004 verfügbar) findet schon Akzeptanz bei zwei Drittel der Entwickler. Der Trend zeigt also Richtung Maven.
Trend zur neuen Lösung
<b>Subversion</b> ist inzwischen das beliebteste System zur Quellcode-Verwaltung. Es hat damit das ältere <b>CVS</b> überholt. Doch der Vorsprung ist relativ klein. Immerhin nutzen fast 80 Prozent der Entwickler noch CVS. Doch auch hier gibt es einen Trend zur neueren Lösung Subversion.
Fehlerverfolgung ist üblich
Mehr als zwei Drittel der befragten Entwickler greift regelmäßig auf Werkzeuge zur <b>Fehlerverfolgung</b> zurück. Der Grund dafür ist vermutlich, dass Entwickler-Teams ohne solche Tools gar nicht sinnvoll zusammen arbeiten können. Dagegen ist der Einsatz einer <b>Integrationsumgebung</b> deutlich weniger verbreitet. Fachlich ist eine kontinuierliche Integration jedoch empfehlenswert, um mögliche Fehler frühzeitig entdecken zu können.
Swing für Desktop-Anwendungen
In der Java-Welt gibt es eine Vielzahl von Frameworks, die einem Entwickler das Leben erleichtern. Aus dem Projektalltag sind sie nicht mehr wegzudenken; sie sind also essentielle Bestandteile der Software-Entwicklung mit Java. Für die Entwicklung von Desktop-Anwendungen ist nach wie vor <b>Swing</b> bevorzugte Wahl. Vermutlich wird bei Neuentwicklungen aber auch häufig eine jüngere Technologie eingesetzt.
Viele Tools für Web-Anwendungen
In der Entwicklung von Web-basierenden Anwendungen sieht das Bild anders aus. Auch hier hat Spring die Nase vorn, gefolgt von <b>Ajax</b> und <b>JSF</b>. Aber auch <b>Struts</b> und Eigenentwicklungen sind noch relativ häufig im Einsatz. Wicket und JBoss Seam sind nicht so stark vertreten.
Herkömmliches DHTML im Einsatz
Die obige Abbildung zeigt, dass für die Entwicklung von Rich-Internet-Applikationen meistens herkömmliches <b>DHTML</b> und <b>Javascript</b> zum Einsatz kommen. Andere Technologien folgen mit deutlichem Abstand.
Servlet Container auch für kritische Anwendungen
Als Container werden bei Server-Entwicklungen tendenziell eher <b>Servlet-Container</b> wie beispielsweise Tomcat statt vollwertiger Application-Server eingesetzt, wenngleich Letztere auch häufige Verwendung finden. Die Praxis zeigt, dass sehr große und geschäftskritische Systeme auch heute schon zuverlässig auf Servlet-Containern betrieben werden.
Alle schätzen Open Source
Entwickler stehen auf <b>Open Source</b>, das belegt die Erhebung sehr eindrucksvoll. Die Beispiele Spring Framework und Hibernate zeigen zudem, welchen Einfluss Open-Source-Projekte nehmen können und welche Innovationskraft sie haben.
Keine Qualitätprobleme
Auch die Qualität der <b>Open-Source-Lösungen</b> steht außer Frage. Beide Ergebnisse untermauern die Bedeutung der Open-Source-Projekte für die kommerzielle Softwareentwicklung. Quelloffene Lösungen haben sich etabliert.
Es gibt keinen typischen Entwicklungsprozess
Befragt nach den <b>Prozessen und Vorgehensweisen</b> antworteten viele Experten, sie programmieren gemäß <b>agiler Softwareentwicklung</b>. Allerdings zeigt sich, dass es nicht das typische Vorgehen im Entwicklungsprozess gibt.
Vorgaben zum Teil falsch dosiert
In größeren Projektteams ist es wichtig, dass alle Team-Mitarbeiter die gleiche Entwicklungsumgebung und zugehörigen Plugins verwenden. Manche Auftraggeber schreiben in ihren Projekten die Entwicklungsumgebung vor, um die Teamarbeit zu fördern. Andere Arbeitgeber lassen den Entwicklern Freiräume, die bevorzugte Umgebung zu nutzen. Drei Viertel der befragten Java-Experten sind mit den Vorgaben zur <b>integrierte Entwicklungsumgebung</b> beziehungsweise mit den gewährten Freiräumen zufrieden sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei jedem vierten Projekt die Vorgaben ungenau oder unvollständig beziehungsweise falsch sind.
Kundenwünsche sind unklar
Die <b>Anforderungsanalyse</b> ist die Basis jedes Software-Entwicklungsprojekts. Nur wenn die Wünsche des Kunden bekannt sind, kann eine optimale Lösung entwickelt werden. Im Projektalltag gelten solche Überlegungen offenbar wenig. 58 Prozent der Java-Experten glauben, der Anforderungsanalyse werde zu wenig Bedeutung beigemessen. Der Hinweis ist wichtig, denn der Software-Entwickler ist in der Regel der Erste, dem eine ungenügender Spezifikation in Sonderfällen oder fehlende Prozessschritte auffällt.
Dokumentation unzureichend
Ähnliches gilt für die <b>Entwicklerdokumentation</b>. Sie ist wichtig für die Wartung einer Anwendung, da sie neuen Mitarbeitern auch nach Monaten und Jahren einen Überblick über die Software geben soll. Eine fehlende Dokumentation führt zu einem erhöhten Einarbeitungsaufwand für neue Entwickler und zu einer schwierige Weiterentwicklungen der Software. Zwei Drittel der befragten Java-Experten sind der Meinung, dass die Dokumentation vernachlässigt wird. Für die kurzfristigen Projektziele (Termintreue und Budgeteinhaltung) ist sie nicht von Bedeutung. Mittel- und langfristig führt eine fehlende oder schlechte Dokumentation zu erheblichen Mehrkosten.
Qualitätssicherung wird vernachlässigt
Auch um die <b>Qualitätssicherung</b> scheint es nicht gut bestellt. 62 Prozent der Befragten glauben, die Bedeutung der Qualitätssicherung werde unterschätzt. Dass eine gute Qualitätssicherung Geld spart, sollte hinlänglich bekannt sein, wird im Projektalltag aber offenbar gerne verdrängt. Hier sind die Unternehmens- und IT-Leiter gefordert, entsprechende Prozesse einzuführen. Wer sie nicht selbst betreiben möchte, kann auf Dienstleister zurückgreifen. Inzwischen gibt es auch <b>Offshore-Anbieter</b>, die sich auf die Qualitätssicherung von Softwareentwicklungen spezialisiert haben. Möglicherweise ist die Trennung der Entwicklung und Qualitätssicherung ohnehin vorteilhaft. Sie reduziert die Gefahr, dass Mitarbeiter der Qualitätssicherung bei Projektengpässen ins Entwicklerteam abgezogen werden.

Auch die Google-Verantwortlichen scheinen bereits mit einer Klage gerechnet zu haben. In den jüngsten Quartalsberichten finden sich Hinweise auf mögliche rechtliche Verfahren und deren Folgen. "Wir sind und können auch in Zukunft Ziel von Patentrechtsklagen sein", heißt es dort. Diese abzuwehren sei teuer, könne signifikante finanzielle Schäden nach sich ziehen und die Möglichkeiten einschränken, künftig bestimmte Techniken einzusetzen.

Geschlagen geben will sich Google allerdings nicht. "Wir sind enttäuscht darüber, dass sich Oracle dafür entschieden hat, sowohl Google als auch die Open-Source-Community rund um Java mit dieser grundlosen Klage anzugreifen", lautet die Antwort des Android-Herstellers. Die Open-Source-Community um Java gehe weit über jedes einzelne Unternehmen hinaus und arbeite tagtäglich daran, das Web zu verbessern. "Wir werden die Open-Source-Standards verteidigen und fortfahren, zusammen mit der Branche die Android-Plattform weiterzuentwickeln."

Java-Vater geht auf die Barrikaden

Nachdem es im vergangenen halben Jahr ruhig um James Gosling geworden war, bezieht der Java-Erfinder seit der Klage gegen Google offen Stellung gegen Oracle. Gosling war nach Vollzug der Übernahme von Sun Microsystems im Januar dieses Jahres zunächst in Diensten Oracles geblieben, hatte dem Konzern dann aber Anfang April den Rücken gekehrt. Oracle habe versucht, ihn zu kontrollieren, moniert die Java-Ikone. Er hätte letztendlich nur noch als Maskottchen auf diversen Veranstaltungen auftreten dürfen. Hinter allen Entscheidungen, was Java betraf, habe man die Hand von Oracle-Chef Lawrence Ellison gespürt. "Er ist die Sorte Mensch, die mich zum Gruseln bringt", ließ Gosling in einem Interview mit der US-amerikanischen Magazin "eweek" durchblicken.

Parallel zu den Oracle-Veranstaltungen Open World und Java One startete Gosling eine Aktion für die Unabhängigkeit von Java. Er entwarf Motive für T-Shirts und forderte die Mitglieder der Java-Community auf, diese auf den Veranstaltungen zu tragen, um Oracle daran zu erinnern, seine Versprechen zu halten. Oracle selbst ignorierte die Initiative. Angesprochen auf die Aktion Goslings antwortete Thomas Kurian, Executive Vice President für die Produktentwicklung, lapidar: "Ich werde nicht darüber sprechen."

Unruhe in der Java-Community

Fried Saacke, iJUG-Vorstand: "Der Java-Community fehlt eine klare Roadmap für die kommenden Jahre mit konkreten Fakten."
Foto: DOAG e.V.

Innerhalb der Community wächst der Ärger über die Art und Weise, wie Oracle das Regiment über Java führt - auch schon bevor die Klage gegen Google lanciert wurde. Die Informationspolitik Oracles nach der Sun-Übernahme sei unbefriedigend, hieß es von Seiten des Interessensverbunds der Java User Groups (iJUG). Auf Veranstaltungen sei zum Thema Java praktisch nichts mehr zu erfahren. Zudem enthielten auch viele bekannte Blogs und Twitter-Accounts kaum mehr verwertbare Infos. "Der Java-Community fehlt eine klare Roadmap für die kommenden Jahre mit konkreten Fakten", kritisierte iJUG-Chef Saacke.

Auch die Klage gegen Google sieht man innerhalb der Java-Gemeinde kritisch. Losgelöst von der rein rechtlichen Betrachtung werde dieses Vorgehen nicht ohne Konsequenzen bleiben. "Oracle läuft Gefahr, das erste Quäntchen an aufgebautem Vertrauen in seine Zukunftspläne für Java wieder zu verlieren", warnt der Dachverband der Java-User. Die Patentklage sei die erste belastbare Entscheidung bezüglich Java und den zu erwartenden Veränderungen seit der Übernahme von Sun. In der Community wachsen die Sorgen, ob Java (JDK und JRE) auch künftig ohne anfallende Lizenzkosten zu nutzen sein wird.

Die Wortführer des Java-Verbands verweisen auf eine starke Open-Source-Community. Diese bleibe nur intakt, wenn daraus auch kommerzielle Produkte entstehen könnten. Wenn diese Möglichkeit wegfalle, werde über kurz oder lang auch die personelle und finanzielle Unterstützung von Java durch die Firmen fehlen. Damit stünden viele und bedeutende Open-Source-Projekte vor dem Aus. Unternehmen müssten auch künftig Rechtssicherheit für weitere Investitionen haben, lautet eine zentrale Forderung der Java-Vertreter.

Google Go
Die Kombination von Einfachheit und Leistung ist das Ziel von Go. Die Programmiersprache selbst ist noch im Aufbau, aber der momentane Status zeigt bereits, in welche Richtung es künftig gehen kann.
JRuby
JRuby bringt die ohnehin verbreitete Skriptsprache Ruby auf die Java-Plattform und damit auf die Ebene unternehmensweiter Business-Anwendungen.
Zend Framework
Wer den bequemsten Weg zu PHP-Anwendungen sucht, ist laut Community mit dem Zend- oder PHP-5-Framework und seinen hochwertigen Komponentenbibliotheken für die Web-Entwicklung bestens bedient.
jQuery
Ein reichhaltiges JavaScript-Framework, das sich durch seine komfortablen Funktionen für die DOM-Manipulation und -Navigation auszeichnet, kommt mit JQuery.
jQTouch
jQTouch erweitert jQuery in Form eines Plug-ins um Mechanismen für die Entwicklung mobiler Web-Anwendungen. Leicht anpassbar und stylisches Design sind nur zwei der geschätzten Eigenschaften.
Ext Core, Ext JS, Ext GWT
Sencha Ext bietet eine leichtgewichtige JavaScript-Bibliothek zur Entwicklung von Feature-reichen und skalierbaren Web-Anwendungen beziehungsweise Rich Internet Applications. Unterstützt wird auch das Google Web Toolkit.
Sencha Touch
Mobile Anwendungen für iOS und Android lassen sich mit dem HTML5-Framework Sencha Touch erstellen. Auch Offline-Applikationen sind damit möglich.
Apache Hadoop
Das in Java geschriebene Framework Hadoop ist eine skalierbare, verteilt arbeitende Software, deren hochverfügbares und performantes Dateisystem sich zur Speicherung sehr großer Datenmengen eignet.
R
R ist ein Open-Source-Werkzeug zur statistischen Analyse und grafischen Darstellung von Daten beziehungsweise der Ergebnisse. Das Tool lässt sich über die vielen verfügbaren Pakete erweitern oder anpassen.
Git
Git ist ein freies verteiltes Versionskontroll-System, das sich für ein schnelles und effizientes Handling großer und kleiner Entwicklungsprojekte eignet. Jeder lokal laufende Git-Clone enthält ein komplettes Repository mit vollständiger Dateihistorie.

"Es geht uns um die Freiheit von Java und damit um die Zukunft dieser Technologie", sagt Oliver Szymanski, Vorstandsmitglied des iJUG und Leiter der Java User Group Erlangen/Nürnberg. Unternehmen würden ihre Strategie ändern und sich anderen Techniken zuwenden, wenn keine klaren Ziele seitens Oracle genannt und auch eingehalten würden. Stefan Kinnen, zuständig für die Strategie im Bereich "Development" in der Deutschen Oracle-Anwendergruppe (Doag), ergänzt: "Wir erwarten, dass Oracle bei Java den Open-Source-Gedanken von Sun konsequent weiterführt und die Java-Rechte nicht als Lizenzprodukte ansieht."

Ob die Java-Community mit ihren Forderungen in der Vorstandsetage von Oracle Gehör findet, ist jedoch mehr als fraglich. Oracles Klage markiere einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie der Konzern künftig mit Java umgehen wird, ist sich IDC-Experte Rüdiger Spies sicher. Es sei davon auszugehen, dass Oracle sein "Kronjuwel" mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen wird. Der Konzern werde mit Argusaugen darüber wachen, dass seine Lizenzrechte an Java gewahrt bleiben. Sun habe in dieser Hinsicht entspannter agiert. Allerdings sei es dem Java-Vorbesitzer in der Vergangenheit auch nie wirklich gelungen, mit der Technik Geld zu verdienen.

IDC-Analyst Rüdiger Spies: "Oracle hat im Grunde kein Interesse daran, die Open-Source-Philosophie zu leben."

Das soll sich bei Oracle ändern. "Der Konzern hat im Grunde kein Interesse daran, die Open-Source-Philosophie zu leben", sagt IDC-Analyst Spies. Den Verantwortlichen gehe es an allererster Stelle darum, Geld zu verdienen. "Die Community ist dabei nur Mittel zum Zweck." Oracle müsse jedoch aufpassen, warnt der Experte: Je schärfer der Konzern über Java wache, desto eher würden sich die Entwickler nach Alternativen umsehen. "Durch die Klage hat Oracles Glaubwürdigkeit in der Community gelitten."

Oracle will Java weiterentwickeln

Die Botschaft der Oracle-Verantwortlichen, die Java-Technik weiterentwickeln zu wollen, dürfte daran wenig ändern. Thomas Kurian, als Executive Vice President verantwortlich für die Produktentwicklung bei Oracle, präsentierte auf der Java-One-Konferenz, die parallel zur Open World stattfand, eine Roadmap für die weitere Java-Entwicklung. Demnach will der Konzern die Produktivität für die Entwickler verbessern, die Java Virtual Machine stärker modularisieren sowie die Sprachunterstützung ausbauen. Darüber hinaus soll die Integration von Javascript und HTML5 vorangetrieben werden.

Nachdem sich die kommenden Versionen des Java Developer Kits (JDK) unter anderem wegen der Übernahme von Sun Microsystems verzögert hatten, stellte Kurian nun einen neuen Zeitplan vor. Danach soll im kommenden Jahr Version 7 des JDK erscheinen. Allerdings könnten einige Funktionen nicht rechtzeitig fertiggestellt werden, schränkte der Oracle-Manager ein. Diese würden dann mit Release 8 im Jahr 2012 nachgereicht. Der Konzern versichert, am bestehenden Lizenzmodell nichts verändern zu wollen. JDK werde auch in Zukunft unter der GPL v2 erscheinen und kostenlos für die Entwicklergemeinde verfügbar sein.

Auch wenn Kurian damit einer der zentralen Forderungen der Community nach einer Roadmap nachkam, sind die Fronten weitgehend verhärtet. Beobachtern zufolge hat Oracle Java noch nicht in den Kreis der Konzernfamilie aufgenommen. Firmenchef Lawrence Ellison, der ursprünglich auch auf der Java One erwartet wurde, glänzte mit Abwesenheit, und die großzügig für die Oracle-Manager reservierten Plätze blieben während der Keynote Kurians weitgehend leer, berichtet iJUG-Pressesprecher Wolfgang Taschner. "Die Java-Community fühlte sich nicht richtig ernst genommen", ergänzt der iJUG-Vorstandsvorsitzende Saacke.

Vishal Sikka, Chief Technology Officer beim Oracle-Konkurrenten SAP, äußerte sich dagegen grundsätzlich zufrieden über die Ankündigung Kurians, Java mit neuen Techniken auszubauen. Speziell eine verbesserte Unterstützung von dynamischen Programmierumgebungen sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. "Wir begrüßen diese Investitionen in die Java-Plattform", schrieb der SAP-Manager in seinem Blog. Allerdings, so schränkte Sikka ein, gebe es auch eine Reihe von Entwicklungen, die als bedenklich einzustufen seien. So habe Kurian in seiner Keynote auf der Oracle-Konferenz abwertend über proprietäre Frameworks von Drittanbietern gesprochen. Der SAP-Manager warnte deshalb den Konkurrenten, weit verbreitete Frameworks wie "Spring" als irrelevant einzustufen. Darüber hinaus spreche Kurian im Rahmen der Entwicklung von JavaFX-Applikationen nur von dem Tool NetBeans, habe aber Eclipse mit keinem Wort erwähnt. "Wir hoffen, dass Oracle künftig die Eclipse-Entwickler in gleicher Weise unterstützt."

Vishal Sikka, CTO von SAP: "Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen. Wir alle sind die Zukunft von Java."

"Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen", fordert Sikka. Java müsse ein offener Standard werden. Um dies zu gewährleisten, sei es der beste Weg, den Java Community Process (JCP) zu einer offenen und unabhängigen Organisation zu machen. "Java ist größer als Sun und auch größer als Oracle", sagt der SAP-Manager. "Wir alle sind die Zukunft von Java."

Die Forderungen des SAP-Managers machen deutlich, dass die Plattform für viele Branchengrößen eine zentrale Rolle spielt. Im vergangenen Herbst bezeichnete Sikka den Schritt, Java in die Kernprodukte von SAP zu integrieren, als eine wichtige Entscheidung. Damit sei Java zu einem essenziellen Bestandteil der Netweaver-Plattform geworden. Auch für andere Hersteller wie Tibco, Red Hat, die Software AG und vor allem IBM bildet Java ein entscheidendes Element in der Produktentwicklung.

Aus Sicht des IDC-Experten Spies hat IBM derzeit die beste Position. Der Konzern verfüge über eine Zehn-Jahres-Lizenz für Java. Außerdem dürfe man davon ausgehen, dass sich der Patentexperte IBM seine Position im Java-Umfeld gesichert hat. "Wenn jemand weiß, wie man im IT-Markt mit Patenten hantieren muss, dann ist das IBM." Zu den aktuellen Entwicklungen sowie dem eigenen Java-Einsatz wollten die IBM-Verantwortlichen allerdings nicht Stellung beziehen. "Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Wettbewerbern", lässt der weltweit zweitgrößte IT-Konzern lapidar verlauten.

Verteilungskämpfe um Mobile

Der Streit zwischen Oracle und Google macht auch deutlich, mit welcher Vehemenz derzeit die Verteilungskämpfe um den Zukunftsmarkt der mobilen Systeme toben. Patentklagen scheinen dabei ein probates Mittel zu sein, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu sichern:

  • Oracle wirft Google vor, mit dem Smartphone-Betriebssystem Android Java-Patente zu verletzen. Die Folgen des Streits sind derzeit noch nicht absehbar.

  • Apple und Nokia liefern sich derzeit eine Schlacht um Smartphone-Patente und haben sich gegenseitig mit einer Reihe von Patentklagen überschüttet. Die Finnen werfen Apple vor, mit iPhone und iPad ihre Patentrechte zu verletzen. Steve Jobs konterte mit einer Gegenklage, wonach Nokia widerrechtlich mehr als zehn Apple-Patente nutze.

  • Apple beschuldigt den Handy- und Smartphone-Hersteller HTC, Ideen geklaut zu haben. Angeblich verstoße HTC gegen 20 Patente, mit denen Bedienung, Konstruktion und Hardware des iPhone geschützt seien. HTC konterte mit einer Gegenklage und forderte ein Einfuhrverbot der in Fernost gefertigten Apple-Geräte in den USA.

  • Research in Motion (RIM) zahlte über 600 Millionen Euro, um einen Streit mit der Patentrechte-Firma NTP rund um die in den Blackberry-Geräten verwendete E-Mail-Übermittlungstechnik aus der Welt zu schaffen.

  • NTP klagt darüber hinaus auch gegen die Smartphone-Hersteller Apple, Google, Microsoft, HTC, LG und Motorola. Angeblich benutzen die Konzerne widerrechtlich eine Technik zur Weiterleitung von E-Mails.

  • RIM einigte sich Mitte dieses Jahres mit Motorola auf eine nicht näher bezifferte Einmalzahlung sowie regelmäßig Lizenzgebühren, um Motorola-Patente nutzen zu dürfen.

  • Die frühere Apple-Tochter Flashpoint Technology hat die wichtigsten Handy-Hersteller verklagt. Nokia, RIM, HTC und LG sollen mit ihren Geräten Patente verletzt haben.

Wie weiß ist Googles Weste?

Doch in den Chor derer, die Oracle als "Patent-Troll", "Achse des Bösen" und "Darth Vader der IT-Branche" diffamieren, mischen sich auch Stimmen, die die Rolle Googles kritisch hinterfragen. Demnach hat beispielsweise Josh Bloch, Chief Java Architect von Google, erst Mitte April 2010 auf einer Red-Hat-Konferenz im kalifornischen Santa Clara moniert, dass Java unter Sun Microsystems mehr oder weniger führerlos dahingeschlingert sei und er große Hoffnungen auf Oracle setze, die Plattform wieder auf Kurs zu bringen. Außerdem hat Google bereits mit Sun Microsystems über eine Lizenzierung von Java für Android verhandelt. Als diese Verhandlungen gescheitert waren, hat Google offenbar sein eigenes Java-Süppchen gekocht. Vertreter der Free Software Foundation weisen darauf hin, dass Google auf eine Java-Implementierung unter der Apache-2.0-Lizenz setzt, statt die offizielle GPL-Version zu nutzen. Es gehöre offenbar zur Strategie, alle GPL-Bestandteile in Android so weit wie möglich zu vermeiden, um die Entwicklung proprietärer Software für Android zu erleichtern, kritisieren die Open-Source-Protagonisten. Zudem hätten die Google-Verantwortlichen bis heute noch keine klare Position in Sachen Softwarepatente bezogen.

Derzeit ist nicht abzusehen, wie das Ringen zwischen Oracle und Google ausgeht. Es ist gut möglich, dass beide Parteien im Hintergrund bereits um eine Lösung im Lizenzstreit feilschen. Allerdings können sich Marktbeobachter auch vorstellen, dass Google das Verfahren als Präzendenzfall vor dem Kadi durchfechten möchte. Der Streit ist indes für beide Seiten riskant, warnt IDC-Analyst Spies. Google sollte sich keine Unruhe im derzeit explodierenden Android-Markt leisten.

Die Konkurrenten warten nur darauf, dass Google Schwierigkeiten bekommt, sagt Spies. Profitieren könnte in erster Linie Microsoft mit seinem mobilen Betriebssystem "Windows Phone 7". Tatsächlich konnte es sich der ranghohe Microsoft-Manager Tivanka Ellawala, Chief Financial Officer (CFO) für das Mobile Communications Business, nicht verkneifen, gegen die Konkurrenz zu keilen. Die Streitigkeiten rund um Android würden Probleme und Kosten verursachen. Steigende Lizenzgebühren würden zudem dafür sorgen, dass es mit der Kostenlos-Kultur rund um die konkurrierende mobile Plattform Android schnell vorbei sein werde.

Das könne nun aber nicht im Interesse Oracles sein, meint IDC-Experte Spies. Damit wäre auch die Position Javas als Plattform im lukrativen mobilen Geschäft gefährdet. Wenn Oracle die Android-Welle ersticke, schade sich der Konzern am Ende selbst. "Es ist eine Gratwanderung." Darüber hinaus müsse Oracle auch aufpassen, sich nicht selbst ein Bein zu stellen, wenn der Konzern allzu eifrig prozessiere. Alle Softwareprodukte außer der Datenbank hingen im Grunde mehr oder weniger stark an Java. "Wenn sich die Entwicklergemeinde von Java abwendet, dann hat Oracle ein massives Problem."

Erste Anzeichen dafür sind schon spürbar. Oracles neue Java-Politik hinterlasse im Markt bereits Spuren, verlautet aus den Reihen der Community. Java-Entwickler berichteten vermehrt über Projekte, in deren Rahmen der Einsatz von Java sinnvoll gewesen wäre, dieser aber aus verschiedenen Gründen gescheitert sei und sich die jeweils Verantwortlichen für andere Techniken entschieden hätten, heißt es beim Dachverband iJUG.

Stimmen zum Streit um Java

Vishal Sikka, Chief Technology Officer (CTO) bei SAP: "Java ist größer als Sun und auch größer als Oracle. Wir alle sind die Zukunft von Java. Das Java-Ökosystem braucht offene Lösungen."

Foto: IDC

IDC-Analyst Rüdiger Spies: "Alle Softwareprodukte Oracles außer der Datenbank hängen im Grunde mehr oder weniger stark an Java. Wenn sich die Entwicklergemeinde von Java abwendet, dann hat Oracle ein massives Problem."

Fried Saacke, Vorstandsvorsitzender des Interessensverbunds der Java User Groups (iJUG): "Es besteht große Unsicherheit hinsichtlich der Frage, wie Oracle mit Java Geld verdienen will. Außerdem ist noch unklar, welche Rolle die Community künftig spielen wird."

Thomas Kurian, Executive Vice President für die Produktentwicklung bei Oracle: "Man sollte nicht unsere Fähigkeiten unterschätzen, eine neue Java-Plattform auf die Beine zu stellen."

Java-Erfinder James Gosling: "Bei Oracle geht es immer nur ums Geld. Das ist die einzige Metrik, die sie verstehen."