Teil 2: Digitale Selbstbestimmung und Persönlichkeitsrechte

iOS 9 - Wichtige Neuigkeiten für Unternehmen

26.06.2015 von Mark Zimmermann  
Apple hat es sich zur Zielsetzung gemacht, sein Geld mit Produkten und Dienstleistungen zu verdienen und nicht mit dem abfischen von (persönlichen) Informationen für Drittangebote. Auch die Datensammelwut anderer Konzerne wurde (in-)direkt auf der letzten WWDC, der Entwicklerkonferenz von Apple, kritisiert.

Auch im Umfeld des Datenschutzes möchte ich, wie schon in Teil 1, einige Thesen aus meiner persönlichen Interpretation zu den Funktionen von iOS9 zusammentragen.

Apple hat es bereits in der Vergangenheit den Werbetreibenden schwer gemacht, den Benutzer von iOS Endgeräten zu identifizieren. Sei es durch die Einführung der vendorID und die Ablösung der UDID, oder das Verschleiern der WLAN-Adresse für WLAN-Router zu denen keine aktive Verbindung besteht. Auch die Datenschutz- und Sicherheitseinstellungen, die in dieser Art bei Android erst mit Android M Einzug halten werden, erlaubt eine dedizierte Freigabe von persönlichen Informationen zum ersten Zeitpunkt an dem eine App diese verwenden möchte. Die berühmten Taschenlampen-Apps mit Ortungsanfrage fallen nun auch dem unbedarften Benutzer auf.

Mit iOS9 geht Apple noch einen Schritt weiter. Gemäß dem Motto "Sag mir, welche Apps du installiert hast und ich sag dir, wer du bist", haben in der Vergangenheit Apps wie Facebook, Twitter und Co versucht ein detailliertes Profil des Benutzers zu ermitteln.

Das hierzu genutzte Kommando "canopenURL" ist nun, mit iOS9, nur noch in der Lage mit Apps zu interagieren, wenn tatsächlich ein URL-basierter Aufruf zur Kommunikation zwischen zwei Apps erfolgt. Das Scannen, ob ein individuelles App-Protokoll von dem Gerät unterstützt wird, um daraus auf die installierten Apps Rückschlüsse zu ziehen, ist mit dem Kommando nicht mehr möglich.

Diese Vorkehrung hat jedoch auch eine sekundäre Auswirkung. Neben dem Schutz der Privatsphäre scheidet dieses Kommando auch in den Fällen aus, bei dem das Vorhandensein von Apps zur Sicherstellung von Funktionalitäten notwendig war. So setzen auch einige Jailbreak-Prüfungen auf diese Prüfung, um das Vorhandensein des Cydia-Store abzufragen. Ist der Store vorhanden, ist das Gerät kompromittiert. Mit iOS9 müssen die App-Entwickler hier Anpassungen vornehmen.

Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Für den Modus Split View mit zwei parallel arbeitenden Apps muss zuerst von rechts außen nach innen wischend der Slide-Over-Modus geöffnet werden. Tippt man nun auf den mittig an der Slide-Over-Kante platzierten vertikalen Teilerknopf, so ...
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
... gehen beide Apps in den Split-View-Modus über. Die linke App (Safari) hat seine Größe angepasst.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Zieht man den Teilerknopf nach links, so lässt sich das Verhältnis der beiden Apps auch auf 50:50 einstellen.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Beide Apps arbeiten ganz normal. Beispielsweise lässt sich in der rechten App Mail ...
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
... eine neue Nachricht schreiben.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Welche App rechts laufen soll, lässt sich wieder durch einen Wisch von oberen Bildschirmrand nach unten auswählen, beispielsweise...
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
... die App Karten.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Tippt man den Home-Button und startet vom Homescreen nun beispielsweise Fotos, so bleibt die vorher gewählte rechte App weiterhin im Split-View-Modus.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Die Apps müssen den Modus Split View natürlich unterstützen. In der Beta von iOS 9 sind dies nur die Apple-eigenen Apps. Drittanbieter werden mit der finalen Version von iOS 9 zügig nachziehen.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Neben dem Split-View-Modus im Querformat des iPads funktioniert ...
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
die Darstellung von zwei Apps auch im Hochformat.
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
Hier sehen Sie nochmals zwei Apps im Verhältnis 70:30 sowie ...
Apple iOS 9 auf dem iPad - Split View
... 50:50.

Herausforderung für Werbenetzwerke

Unter dem Begriff "Content Blocking Safari Extension" führt Apple einen Weg ein, der es Entwicklern ermöglicht, den Inhalt einer Webseite zu verändern, bevor dieser angezeigt wird. Wie die aktuellen WWDC Videos verraten, kann dies auch als ein Werbeblocker genutzt werden.
Im Gegensatz zu vielen Falschmeldungen liefert Apple jedoch nur die Grundlagen für so eine Funktion. Apple selbst blockt Inhalte jedoch nicht eigenständig. Dies hat auch einige gute Gründe: Apple ist selbst Werbenetzbetreiber (iAd). Das Blocken fremder Werbenetzbetreiber wäre in diesem Zusammenhang rechtlich sicherlich problematisch. Da sich diese Einstellung auch auf alle Web-Views in allen Apps, auch auf Dritt-Anbieter-Browser, auswirkt, wäre dies sonst sicherlich auch ein Problem für die Wettbewerbshüter. Man erinnere sich an die Herausforderungen, mit denen Microsoft sich mit der IE Integration in Windwos konfrontiert sah.

Im Vergleich zu Content Blockern auf anderen Plattformen besitzt die auf iOS 9 etablierten Extensions keinen Rückkanal, um ihre Anbieter über die vom Besucher aufgerufenen Webseiten zu informieren. Dafür sind die Möglichkeiten dieser Extensions eingeschränkt. Das Blocken von Content basiert im Grunde nur auf einfachen Text-Regeln mit "verbotenen" Elementen. Diese Elemente werden beim Download und nicht erst beim Rendering der fertig geladenen Webseite entfernt.

Diese Möglichkeit den Inhalt von Webseiten zu filtern, wird sich nachhaltig auf die Werbeindustrie und Webseitenbetreiber auswirken. Die Millionen iOS Endgeräte stehen mit iOS9 nicht mehr zur Sammlung von Daten und Werbeschaltung zur Verfügung.

Alleine Google soll nach einer Analyse von Goldman Sachs im vergangenen Jahr rund 75 Prozent - etwa 9 Milliarden Dollar - seiner mobilen Suchwerbeeinnahmen über iOS-Geräte verdient haben. Auch wenn die Eigeninitiative vieler Nutzer, derartige Blocker zu installieren, fehlt, wird sich dies spätestens mittelfristig auf die Werbeanbieter auswirken.

Kostenlosen Informationsangebote, die sich bisher über Werbung refinanziert haben, müssen sich dringend an neuen Ertragsmodellen orientieren. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entwicklung neue Ertragsmodellen, die sich beispielsweise an Flattr orientieren, hervorbringen wird.

Apple iOS 9 - Screenshots der neuen Funktionen
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
iOS 9 wartet wieder mit einer Vielzahl von neuen Funktionen auf.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Mit iOS 9 erhalten die Karten von Apple ein Update. Als Neuerung wartet die Karten-App nun mit einer Navigation über den öffentlichen Personennahverkehr ÖPNV auf.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Der Dienst geht zuerst in den Städten San Francisco, New York, Toronto, Philadelphia, Washington, Baltimore, Chicago, Mexico City, London und Berlin an den Start.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Die App Notizen erhält in iOS 9 eine Toolbar für Checklisten und einfaches Einfügen von Bildern.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Außerdem lässt sich mit dem Finger darin zeichnen. Eine bessere Übersicht gibt es über alle Notizen in der App ebenfalls.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Mit Slide Over lässt sich durch einen Wisch von der Seite schnell eine weitere App im rechten Bereich einblenden (überdeckt die bisherige App zirka ein Drittel).
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Jetzt lässt sich die eingeblendete App normal bedienen.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Auf dem iPad Air 2 gibt es neben Slide Over zusätzlich die Funktion Split View. Hier wird der Bildschirm nun in zwei Apps aufgeteilt – beide laufen dann aktiv auf dem iPad.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Neu ist auch der dritte Multitasking-Modi Picture in Picture. Wenn ein Video läuft und eine Nachricht eingeblendet wird, so lässt sich diese öffnen und das Video läuft in einem eingeblendeten kleinen Bereich weiter.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Eine Verbesserung in der Bedienung betrifft die QuickType-Tastatur auf dem iPad. Neben Wortvorschlägen wie bei iOS 8 gibt es nun zusätzlich Shortcuts für beispielsweise Kopieren, Einfügen und Anhänge.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Vereinfacht hat Apple auch das Verfahren, wenn beim Schreiben der Cursor an eine bestimmte Stelle im Text platziert werden soll oder man Textblöcke markieren will. Hierzu tippt man mit zwei Finger auf die Tastatur, dann verwandelt sich das virtuelle Keyboard in ein TrackPad.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Über die neue Funktion Proactive Assistant bringt Apple in iOS 9 mehr Intelligenz in die Spotlight-Suche und Siri. Außerdem soll Proactive anstehende Ereignisse schlauer vorhersagen und dem Anwender passende Infos basierend auf seinem Nutzungsverhalten bieten. Eine ähnliche Funktion bietet Google bei Android mit Google Now.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Nach wie vor können mit Proactive beispielsweise Apps oder Musiktitel gesucht werden, allerdings zieht Proactive nun auch externe Ergebnisse wie News-Websites stärker in die Suche mit ein.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Proactive sucht auf dem iPhone oder iPad automatisch nach Informationen, bevor der Anwender diese benötigt. Hierfür durchsucht Proactive Kalendereinträge, Kontakte, Karten und weitere Apps.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Außerdem analysiert Proactive das typische Nutzungsverhalten. Öffnet ein Anwender beispielsweise morgens nach dem Wecker immer Twitter, so blendet iOS 9 gleich die App im Sperrbildschirm ein. Oder jemand telefoniert um 19:00 Uhr immer mit der gleichen Person, dann zeigt Proactive gleich einen Anrufhinweis für diesen Kontakt an.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Proactive sucht bei einem Anruf mit einer in den Kontakten unbekannten Nummer beispielsweise in den E-Mails, ob dazu ein passender Kontakt ist. Wird Proactiv während des Klingelns fündig, so wird das Ergebnis eingeblendet.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
In iOS 9 gibt es statt des vierstelligen Sperrcodes nun bei iPhones und iPad mit TouchID einen sechsstelligen Code. Wird auf einem neuem Gerät die Apple-ID verwendet, so wird auf den bekannten Geräten wie dem eigenen iPhone eine Meldung mit Verifikations-Code eingeblendet.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Die neue App News bietet vordefinierte Newsquellen an, aus denen man auswählen kann. Von den selektierten Quellen wird dann automatisch eine optisch aufbereitete Zusammenstellung erstellt. News lässt sich als in iOS integrierte Alternative zu Flipboard sehen.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Die App Passbook benennt Apple in iOS 9 auf den passenderen Namen Wallet um.
Apple iOS 9 - Das neue mobile Betriebssystem
Das neue Betriebssystem iOS 9 setzt laut Apple mindestens ein iPhone 4S, iPad 2 oder das erste iPad mini voraus. Ab dem iPod touch der 5. Generation funktioniert iOS 9 ebenfalls.

Herausforderung für die etablierten Suchmaschinen

Apple hat für iOS 9 den "Proactive" Dienst als Bestandteil der Spotlight Suche, angekündigt. Dieser soll es erlauben auf Informationen verschiedener Quellen wie Systemkomponenten (Kontakte, Kalender, AppStore, iTunes, Podcast Verzeichnisse, Passbook, usw.), Dritt-Anbieter Apps (inkl. einer direkten Verlinkung auf deren Content) sowie auf Webseiten/-dienste wie Wikipeda, zuzugreifen. Damit entwickelt sich die Spotlight-Suche zu einem Dienst den Android Anwender bereits mit Google Now kennen.
Der Anwender erhält kontextbasierte und für ihn relevante Informationen. Dabei berücksichtigt der Dienst die gerade aktive App, den Standort und die Gewohnheiten des Benutzers.

Die Trefferlisten werden inhaltsbasiert optimiert dargestellt. Kontakt-Einträge erhalten zum Beispiel Schaltflächen für Anrufe. Content aus Apps ist über ein Deep-Linking direkt erreichbar, sofern die Entwickler ihre Apps entsprechend optimieren. Diese Deep-Links erlauben den Absprung in die jeweilige App hinein. Möchte der Benutzer wieder zur Suche zurück, bekommt er immer einen entsprechenden "Zurück" Knopf geliefert. Wie in Teil 1 angedeutet, laufen Apps so Gefahr zu Content-Lieferanten degradiert zu werden.

Durch Metadaten (JSON File) auf der eigenen Webseite erlaubt es Apple den Webseiten, direkten Einfluss auf die Darstellung und das Ranking der jeweiligen Treffer zu nehmen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann andere Suchmaschinenbetreiber diese Metadaten ebenfalls nutzen.

Die Suchmaske von Spotlight vermittelte mir bereits in der Präsentation auf der Keynote einen überladenen Eindruck. Es bleibt abzuwarten wie sich dies in den Händen der Benutzer verhält. Sofern die Ergebnisse jedoch gut gewichtet werden und die kontextbezogene Relevanz gut bedient wird dürfte sich diese massiv auf das Benutzerverhalten auswirken. Bisher präferierter Suchmaschinenanbieter werden so umgangen.

Zum Video: iOS 9 - Wichtige Neuigkeiten für Unternehmen

Im Gegensatz zu den Diensten, die auf Basis historisch gesammelter Daten eine Auswertung erstellen und eigene (lernende) Datenbanken anlegen, steht bei Apple das Gerät des Benutzers initial im Mittelpunkt. Wie dieses lokal gelernte Wissen, das sich mit der Zeit ansammeln wird, auf zukünftige Geräte, oder zwischen den Geräten des Benutzers, ausgetauscht wird, muss sich zeigen.

Auch der Zwang, zukünftig nur noch verschlüsselte Verbindungen zuzulassen, erlaubt Apple neue Wege in der Interaktion zu gehen. Die vorgeschriebene SSL-Verschlüsselung basiert auf entsprechenden Zertifikaten, in denen die registrierte Domain enthalten ist. Über diese Zertifikate ist Apple in der Lage Webseiten und Apps zu einer Einheit zusammen zu bringen. Diese Technik wird beispielsweise genutzt, um es einer App zu ermöglichen, die Zugangsdaten aus dem Passwortspeicher des Safaris zu übernehmen, sofern für die zugehörige Webseite diese hinterlegt wurden.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, was zwischen der Ankündigung auf der WWDC und der finalen Version von iOS9 im Herbst passiert. Es darf und kann erwartet werden, das einige Funktionen sich in Art und Weise bis dahin noch verändern werden.

Die Wegrichtung ist jedoch klar: Die Aktivitäten von Apple können dazu führen, dass die Anwender nicht nur einen sichereren Umgang mit dem Internet erfahren, sondern auch ein digitales Selbstbestimmungsrecht bekommen, das sie von anderen Anbietern nicht erhalten.

Ich bin gespannt wie sich diese Themen und die Thesen entwickeln, was sich bewahrheitet und was eventuell nie oder erst in späteren Versionen den Benutzern zur Verfügung steht. Unternehmen müssen sich jedoch darauf einstellen. Denn ihnen brechen Möglichkeiten weg, auf denen gegebenenfalls ihre bisherige Geschäftspolitik oder App-Logik basiert. (bw)

Teil 1: Sicherheit bei Kommunikation und Apps

Teil 3: Kommunikation in Netzwerken

Teil 4: Entwickler bekommen neue Wege

Teil 5: Einsatz im Unternehmen

Teil 6: Cloud-Dienste für Jedermann

Teil 7: Vergleich zu Android M

Teil 8: Die Apple Watch im Unternehmenseinsatz