Systeme zur automatisierten Eingangsrechnungsbearbeitung erkennen und klassifizieren eingehende Rechnungen und Gutschriften. Die dabei extrahierten Daten werden an ein ERP-System übermittelt und im Zuge der Rechnungsfreigabe weiterverarbeitet (siehe auch die aktuellen Trends im ECM-Markt).
Aufgrund internationaler Firmenstrukturen und Kunden landen dabei immer häufiger fremdsprachige Rechnungen im Posteingang. Sie lassen sich allein mit einem standardisierten Verfahren nicht verarbeiten, sondern machen eine Anpassung des Scan-Prozesses an die jeweiligen lokalen und sprachlichen Bedingungen erforderlich. Systemseitig sind dazu folgende Mindestanforderungen zu erfüllen:
Lesen der unterschiedlichen Schriftsätze (lateinische, kyrillische, gegebenenfalls mehrere japanische Schriften). Hierzu verwenden die im Markt angebotenen Produkte in erster Linie Standard-Texterkennungsverfahren, die aber auch Sonderfälle wie beispielsweise das in Japan erforderliche Erfassen mehrerer Zeichensätze abdecken können.
Schlüsselwörter für Rechnung, Gutschrift, Storno, Lieferschein, Mehrwertsteuer etc. müssen von den Systemen in allen Sprachen erkannt werden beziehungsweise weitere Schlüsselwörter sich ergänzen lassen.
Jedes Land hat andere Rechnungen
Erkennungs- und Interpretationskomponenten müssen sich anpassen und um spezifische Regeln erweitern lassen. Dies kann zum Beispiel bei länderspezifischen Rundungen sinnvoll sein, wenn der Netto- und Steuerbetrag nicht den Bruttobetrag ergibt, wie dies beispielsweise in Schweden oder zum Teil in Osteuropa der Fall ist. Hinzu kommen die landesspezifischen formalen Regeln für Rechnungen sowie die Verarbeitung landesspezifischer Felder wie zum Beispiel ESR-Nummer in der Schweiz oder Tax Jurisdiction Code in den USA.
Je nach Branche und Installation kann es weitere Systemanforderungen geben. Zudem sollten Unternehmen die jeweiligen Rahmenbedingungen bei der Konzeption und Umsetzung einer internationalen Lösung zur Rechnungseingangsbearbeitung beachten. Gerade die Verteilung und Freigabe elektronischer Rechnungen lässt sich oft stark verbessern.
Gängig ist hier folgende organisatorische Prozessgestaltung: Es ist denkbar, dass an einem Ort alle eingehenden Eingangsrechnungen eingescannt und die Bearbeitung ausgelöst wird. Typischerweise wird dies zentral und in Niedriglohnregionen gemacht. Dies ist häufig für regionale Lösungen mit hohem Volumen umsetzbar, wie beispielsweise bei einem Shared Service Center für eine Gruppe von Firmen innerhalb eines Konzerns in einem Land (siehe das Beispiel Wohlfahrtswerk Baden Württemberg)
International verteilte Anwender müssen hingegen eine Lösung für verschiedene Regionen, Sprachen, Buchungskreise oder Mandanten in verschiedenen Ländern gestalten. Hilfe verspricht hierbei der Einsatz eines Erkennungs- und Prozess-Templates, das international einheitliche Beschaffungs- und Freigabeprozesse abbildet.
Diese Prozessvorlage lässt sich mit verschiedenen "Center"-Ansätzen für die Rechnungsbearbeitung und Rechnungserfassung kombinieren, so dass flexiblere Abläufe entstehen. Dabei gibt es grundsätzlich vier Varianten:
Center-Ansatz 1: zentrale Eingangsrechnungsbearbeitung
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Dieser klassische Center-Ansatz versucht möglichst viele Eingangsrechnungen an einem Ort zu erfassen, um den Aufwand zu verringern und Technologie und Know-how zu bündeln.
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Standardisiert sind die Freigabeprozesse für die unterschiedlichen Rechnungstypen (bestellbezogene beziehungsweise nichtbestellbezogene Rechnungen, Anzahlungen oder Schlussrechnungen).
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In der (dezentralen) Region gibt es keine Finanzbuchhaltungsabteilung, sondern es werden alle Rechnungen zentral bearbeitet und lediglich dorthin zur Freigabe beziehungsweise Genehmigung verteilt.
Center-Ansatz 2: lokale Eingangsrechnungsbearbeitung
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Es handelt sich grundsätzlich um die gleichen Prozesse wie im Center-Ansatz 1, jedoch begrenzt auf ein entsprechendes Land oder die dortigen Buchungskreise.
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Im jeweiligen Land werden die Rechnungen gescannt und von der lokalen Buchhaltung verbucht.
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Synergien entstehen dadurch, dass eine einheitliche Finanzbuchhaltung und ein einheitliches Scan-Verfahren für die jeweiligen Buchungskreise eingesetzt werden.
Center-Ansatz 3: aggregierte Eingangsrechnungsbearbeitung
Diese Mischlösung aus den genannten Ansätzen gibt es in zwei Stufen:
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Eine dezentrale Aggregation, die verschiedene Länder mit Gemeinsamkeiten zu einem Verbund zusammenfasst. In diesem Fall wird meist dezentral in den jeweiligen Ländern gescannt, und die elektronischen Dokumente werden an eine in einem Land zusammengeführte Buchhaltung geschickt. Im Fall von gemeinsamen Sprachen oder sehr ähnlichen Rechtsvorschriften lässt sich das Buchhaltungs-Know-how eines Landes für alle anderen Länder nutzen.
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Die zentrale Aggregation ähnelt dem Center-Ansatz 1; es werden aber nur ausgewählte Länder von der Zentrale betreut, und es wird dezentral gescannt. Dies ist sinnvoll, wenn beispielsweise das lokale Personal die Rechnungen validiert und in einer festgelegten Sprache (in der Regel Englisch) der Buchhaltung Sachverhalte übersetzt oder ergänzt. Üblich ist dies in Europa beispielsweise dort, wo seltene Fremdsprachen oder die kyrillische Schrift gebraucht werden.
Center-Ansatz 4: zentrales Scannen für dezentrale Buchhaltungen
Dieses Verfahren wird nur selten eingesetzt und sieht vor, dass die Rechnungen an einem Ort erfasst und später den jeweiligen Buchhaltungen in den Ländern zur Freigabe und zum Verbuchen übermittelt werden.
Nachdem Unternehmen mit Hilfe der Center-Ansätze ihren Erfassungs-Workflow für Rechnungen systematisiert haben, können sie im nächsten Projektschritt die einzelnen Prozesse bei der Eingangsrechnungsbearbeitung mit Hilfe der genannten parametrisierbaren Prozess-Templates standardisieren. Dabei ist zu beachten, dass Genehmigungsstufen über mehrere Buchungskreise hinweg abgebildet werden. Ferner sind Stammdaten abzugleichen sowie Erkennungsregeln für Gutschriften oder Antwortschreiben in verschiedenen Sprachen zu vereinbaren. Folgende Aspekte sind hierbei zu konzipieren und einzurichten:
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Rundungsregeln;
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Verarbeitung unterschiedlicher Steuersysteme;
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Abbilden verschiedener Formalprüfungen von Rechnungen;.
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Varianten in Genehmigungs-Workflows;
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Unterschiedliche Genehmigungsverfahren (beispielsweise je nach Rechnungshöhe, Rechnungsart, Bestellungen, WBS-Elementen);
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Gültigkeit von Genehmigungs-Workflows nur für bestimmte Regionen oder Buchungskreise.
Prozess-Templates bieten zudem weitere Vorteile: Sie machen Projekte in der Regel miteinander vergleichbar und helfen, Erfahrungen einfacher zu vermitteln. Ebenso lassen sich Testfälle wiederverwenden, wozu sie nur um länderspezifische Details zu ergänzen sind. Dies alles führt zu einer Projekt-Management-Methode, welche die länderspezifischen Anforderungen integriert und systematisiert.
Best Practices Rechnungseingang
Darauf sollten Unternehmen achten, wenn sie eine international ausgelegte Eingangsrechungsbearbeitung einführen:
Einsatz einer technisch leistungsfähigen Invoicing-Lösung:
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Automatische Interpretation landestypischer Schreibweisen (Betrag, Datum);
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Verarbeitung landesspezifischer Felder (beispielsweise ESR-Nummer in Schweiz, Tax Jurisdiction Code in den USA);
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benutzerspezifische Oberflächensprache (Validierung, Rechnungsgenehmigungslauf, Bearbeitungsmasken im SAP);
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Mandantenfähigkeit auf einer Server-Installation;
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Transportierbarkeit der Parameter und Scan-Jobs;
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Mehrsprachigkeit.
Vereinheitlichter Capture-Prozess inklusive einheitlicher Scanner und Scan-Programme.
Einheitliche Konzeption:Standardisierung und Parametrisierbarkeit des Geschäftsprozesses für unterschiedliche Länder;
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gemischtes Projektteam (zum Beispiel bestehend aus Fachabteilung, SAP-Experte, Ansprechpartner für die jeweiligen Länder) mit erfahrenen, unabhängigen Experten für Projekt-Management und Eingangsrechnungsbearbeitung.
Einheitliche Testverfahren