Verlierer Mensch?

Intelligente Systeme als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt

04.07.2016 von Jan-Bernd Meyer
Über eines sind sich nahezu alle Experten einig: Mit Trends wie dem Internet of Things, Cognitive Computing oder zukunftsweisender Robotik hat die vierte industrielle Revolution begonnen. Damit endet aber auch schon die Übereinstimmung.

Was bedeutet es, wenn intelligente und selbstlernende Systeme in die Arbeitsprozesse integriert werden? Naht das Ende der Arbeitswelt, so wie wir sie kennen? Und was heißt das für unsere Gesellschaft? Darüber wird zunehmend diskutiert.

Während die einen die intelligenten Systeme als Arbeitsplatzvernichter geißeln, winken die anderen genervt ab. Schon immer hätten technische Entwicklungen neue Geschäfts- und Produktionsweisen befördert. Dabei seien zwar angestammte Arbeitsplätze verloren gegangen, dafür aber neue Beschäftigungsfelder entstanden.

Abgehängt vom Computer

Der Kampf Mensch gegen Maschine hat die Phantasie schon zu Zeiten Charlie Chaplins angeregt. Der Showdown zwischen Homo sapiens und seinem digitalen Geschöpf ist im vollen Gange. 1996 gewann IBMs Superrechner "Deep Blue" zum ersten Mal eine Partie gegen den amtierenden Schachweltmeister Garry Kasparow. Diskussionen über die angebliche Macht der Computersysteme waren die Folge.

Im Februar 2011 hatte wieder ein IBM-Rechner, dieses Mal "Watson", die prominentesten Gewinner der amerikanischen Quiz-Sendung "Jeopardy" besiegt. Hier war schon nicht mehr so leicht zu erklären, warum ein Rechner das Prinzip der Sendung - auf natürlichsprachliche Antworten galt es die passenden Fragen zu finden - besser beherrschte als der menschliche Kandidat. Frappierender war, dass Watson auch ironische Wendungen interpretieren konnte.

Im März 2016 kam es wieder zum Showdown Mensch gegen Maschine. Da maß sich eine Software der Google-Tochter Deepmind mit der Nummer eins der Welt im Go-Spiel, dem Südkoreaner Lee Sedol. Das aus China stammende, mehrere Tausend Jahre alte Spiel ist zwar von den Regeln her einfacher als Schach. Aber jeder Spieler hat pro Spielzug wesentlich mehr Optionen. Außerdem verlassen sich Go-Spieler oft auf ihre Intuition - ein Gebiet, das Computern fremd sein sollte. Deshalb gilt Go als Gradmesser für künstliche Intelligenz (KI).

Google hatte 2014 das auf künstliche Intelligenz und selbstlernende Systeme spezialisierte britische Unternehmen Deepmind gekauft. Dessen Spezialisten entwickelten die Software "AlphaGo", die im Selbstlernmodus die Systematik und Logik von Spielen erkennt und diese Erfahrungen dann im Wettbewerb gegen menschliche Spieler umsetzt. Vor Beginn des Schaukampfs tönte Lee Sedol, er werde das System in den angesetzten fünf Partien vernichtend schlagen. Am Ende stand es 4 zu 1 für die Software.

Bereits heute haben künstliche Intelligenz und selbstlernende Systeme dem Menschen in etlichen Fertigkeiten den Rang abgelaufen. Interessant ist die Frage, welche Auswirkungen die sich ständig weiterentwickelnden Computersysteme auf die Arbeitswelt und damit auf unsere Gesellschaften haben werden.

Glaubenskriege

Genau hier beginnen die Glaubenskriege. Volle Fahrt aufgenommen hatte die Diskussion 2013 mit der Studie "The Future of Employment" von Michael Osborne und Carl Frey. Die beiden in Oxford tätigen Wissenschaftler zeichneten ein düsteres Bild: Sie hatten, bezogen auf die USA, 702 Berufsfelder untersucht und sich gefragt, wie gefährdet diese durch den Einsatz automatisierter Systeme, Roboter etc. sein würden. Nach Osborne und Frey werden 47 Prozent der amerikanischen Arbeitsplätze in den kommenden 20 Jahren verschwinden. Zudem prognostizierten die Wissenschaftler, dass, anders als bei den bisherigen Entwicklungsschüben, dieses Mal nicht nur Geringqualifizierte um ihre Jobs fürchten müssten. Tatsächlich könne sich kaum eine Berufsgruppe noch sicher fühlen.

Deutschland, du hast es nicht besser

Ist ein ähnlicher Arbeitsplatzabbau auch in Deutschland zu befürchten? Diese Frage bejahte eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Ökonomen Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Nach ihrer Untersuchung gehen 42 Prozent der Beschäftigten in Deutschland einer Arbeit nach, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Zeitrahmen von 20 Jahren digitalisieren oder automatisieren lässt.

Aufsehen erregte auch die Studie "The Future of Jobs" des World Economic Forum (WEF) von Davos vom Januar 2016. Darin heißt es, dass durch die Digitalisierung und den Einsatz von Robotern bis zum Jahr 2020 sieben Millionen Arbeitsplätze weltweit überflüssig werden. Dem ständen lediglich zwei Millionen neu geschaffene Jobs gegenüber. Im Saldo fallen nach dieser Berechnung fünf Millionen Arbeitsplätze in den Industrieländern weg. Die Untersuchung basiert auf der Befragung von Topmanagern in den 350 größten Unternehmen der Welt. Auch diese Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass es nicht nur Fabrikarbeiter, sondern auch Weiße-Kragen-Beschäftigte treffen wird.

Gute Aussichten am Arbeitsmarkt haben laut WEF vor allem Spezialisten aus den MINTBerufen - Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker also. Vor allem auf diesen Feldern entstehen die zwei Millionen neuen Jobs. Insgesamt aber "gibt es mehr Branchen, die Arbeitsplätze verlieren, als Branchen, die Arbeitsplätze schaffen", warnt der Harvard-Ökonom Lawrence Summers.

Entscheidungen müssen jetzt her

2014 hatten Erik Brynjolfsson und sein Kollege Andrew McAfee vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in ihrem Buch "The Second Machine Age" festgestellt: "Es kommt eine Zeit, in der das, was war, nicht länger ein verlässlicher Leitfaden ist für das, was kommt." Sowohl eine Massenarbeitslosigkeit als auch die Schaffung zahlreicher neuer Jobs seien möglich. Wie am Ende das Pendel ausschlagen wird, hängt demnach maßgeblich davon ab, ob Politiker, Unternehmer und Arbeitnehmer jetzt die richtungsweisenden Entscheidungen treffen.

Harsche Kritik an Uber und Konsorten

In die Kritik geraten zunehmend die Geschäftsmodelle vieler Internet-Unternehmen wie Uber, AirBnB, WhatsApp etc. Der englisch-amerikanische Autor und Unternehmer Andrew Keen etwa rechnet in seinem Buch "Das digitale Debakel" hart mit ihnen ab. Sie würden so gut wie keine Arbeitsplätze schaffen, durch ihre Geschäftspraktiken aber viele Jobs vernichten. Die Zukunftsarchitekten aus dem Silicon Valley würden an einer vernetzten Wirtschaft und einer Gesellschaft arbeiten, "die niemandem nutzt als ihren mächtigen und reichen Eigentümern". Keen zitiert Robert Reich, den ExArbeitsminister in der Clinton-Regierung, der am Beispiel WhatsApp feststellt: Dieses Unternehmen stehe "für all das, was in der amerikanischen Wirtschaft schiefläuft".

Die Untersuchung des World Economic Forum von Davos zeigt, wie unterschiedlich groß die Arbeitsplatz-Gefährdung für Beschäftigte ist, je nachdem, in welchem Berufsfeld sie tätig sind. In manchen wird der Personalbedarf sogar steigen.

Robotik-Revolution verändert Ökonomie

Nach den Analysten von der Bank of America Merrill Lynch wird eine "Robotik-Revolution" die globale Ökonomie in den nächsten 20 Jahren verändern. Die Kosten, zu denen heute Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, ließen sich deutlich reduzieren. Gleichzeitig aber würden soziale Ungleichheiten verstärkt. Demach werden Maschinen Tätigkeiten von der Altenpflege bis zum Umdrehen von Burgern in Fast-Food-Läden übernehmen.

Die Durchdringung mit Robotern und künstlicher Intelligenz erfasse jeden Industriesektor. Dieser Trend sei insbesondere in Märkten wie dem amerikanischen besorgniserregend. Hier seien in den vergangenen Jahren viele Jobs entstanden, die gering bezahlt sind, nur Muskelkraft verlangen oder im Dienstleistungssektor angesiedelt sind. Diese Positionen, so die Autoren der Untersuchung, unterlägen einem hohen Risiko, maschinell ersetzt zu werden.

Aber eben nicht nur die Blue-Collar-Jobs sind gefährdet. Schon im Mai 2013 hatte das McKinsey Global Institute eine Untersuchung veröffentlicht, wonach durch den Einsatz von disruptiven Techniken bis zu neun Billionen Dollar Arbeitskosten eingespart werden könnten - dann nämlich, wenn Computer wissensintensive Aufgaben von Menschen übernehmen könnten. Old-School-Unternehmen wie Banken mit ihren großen Personalstämmen bekommen da ein Problem: Allein in New York waren im Jahr 2000 rund 150.000 Menschen als Finanzanalysten beschäftigt, 14 Jahre später nur noch 100.000.

Dramatische Auswirkungen auf Jobs

Nicht umsonst warnt der studierte Informatiker und Softwarefirmengründer im Silicon Valley, Martin Ford, unter anderem in seinem Buch "Rise of the Robots: Technology and the Threat of a Jobless Future" vor den "dramatischen Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen durch die IT", die viel größere Effekte haben werde als alles, was die Menschheit jemals bis auf den heutigen Tag erlebt habe.

Menschenverstand kontra verstärktes Gehirn

Claus Kleber, Moderator des "ZDF Heute Journals", ließ in dem gemeinsam mit Angela Andersen gefertigten und am 19. Juni 2016 ausgestrahlten Beitrag "Schöne neue Welt - Wie Silicon Valley unsere Zukunft bestimmt" auch Neil Jacobstein zu Wort kommen. Jacobstein ist Professor für künstliche Intelligenz und Robotik an der amerikanischen Elite-Universität Stanford.

Er warnt bezüglich der möglichen Entwicklungen am Arbeitsmarkt: "Wir werden es erleben: Viele Menschen werden verdrängt." Es sei zwar richtig, wenn Optimisten argumentierten, dass KI, lernfähige Maschinen und Roboter auch neue Jobs schaffen würden. Die Frage sei aber, "wie sich Zerstörung und Aufbau die Waage halten". Wenn das aus den Fugen gerate, würden viele Menschen ihre Jobs verlieren - auch "Leute mit hohen Erwartungen, die Universitäten absolviert haben".

Jacobstein mahnt, dass die Betroffenen auf diese bedrohliche Situation wütend reagieren werden. Es könne zu Situationen kommen, in denen "die Reichen ihre Kinder von Bewaffneten in die Schulen eskortieren lassen müssen", während die Armen im Elend leben. Der Wissenschaftler fordert deshalb ein "Existenzminimum", um sicherzustellen, "dass jeder etwas hat". Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen aus dem Mund eines Silicon-Valley-Forschers ist durchaus nicht alltäglich.

Es gibt auch Optimisten

Die Zahl der Warner vor den Folgen einer zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen scheint momentan stark zu wachsen. Allerdings sagt Ulrich Zierahn, einer der Autoren der bereits angeführten Untersuchung des ZEW in Mannheim, die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes sei zumindest für Hochqualifizierte eher gering. Dem würde wohl auch Buchautor Martin Ford zustimmen, allerdings betont er, dass in den USA ein Großteil der im vergangenen Jahrzehnt geschaffenen Arbeitsplätze eher von Minderqualifizierten besetzt wurde. Arbeitsmarktzahlen belegen, dass rund 60 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer keinen höheren Bildungsabschluss vorweisen können.

Zu den Optimisten gehört Joachim Möller, Direktor des staatlichen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er meint, Berufsfelder und Tätigkeiten würden sich ständig der technischen Entwicklung anpassen. Wenn es Risiken gebe, dann lägen die eher im Bereich der Ausbildung: Es könne sein, dass sich Geringqualifizierte nicht auf die anspruchsvollen neuen Berufsfelder einstellen könnten.

Industrie 4.0 in Deutschland 2015: Die größten Herausforderungen für Industrieunternehmen in den kommenden zwei Jahren.

Alles Verschwörungstheoretiker?

Nun könnte man der Ansicht sein, dass die Mahner nur orakeln, um sich interessant zu machen und dass sie von Entwicklungen wie der anspruchsvollen KI-Technik nicht viel verstehen. Allerdings müsste man dann auch solche Kenner wie Elon Musk von Tesla, Bill Gates von Microsoft, den Physiker Stephen Hawking oder den Apple-Mitgründer Steve Wozniak zum Kreis der Ahnungslosen zählen.

Fachleute wie Nick Bostrom, Leiter des Future Humanity Institute (FHI) in Oxford, sagen, es gebe genügend Gründe zu glauben, "dass die unregulierte und zwanglose Entwicklung im KI-Sektor eine Reihe signifikanter Gefahren mit sich bringt". Solcherlei Forschungen hätten nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte, sie könnten auch leicht von "bösen Buben", etwa verantwortungslosen Regierungen, genutzt werden.

Das FHI, an das Elon Musk zehn Millionen Dollar spendete, hat aus mehr als 300 Forschungsgruppen, die sich um finanzielle Unterstützungen beworben hatten, 37 Projekte herausgefiltert. Die widmen sich ganz unterschiedlichen Themen wie etwa der Frage, ob man KI-Systemen ethisches Denken und Handeln beibringen kann.

Machine Learning hoch im Kurs: Nach Prognosen von Crisp Research werden die Unternehmen ihre Ausgaben für den Einsatz von Machine-Learning-Lösungen, für Algorithmen-Design und für damit verbundene Dienstleistungen von rund 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf rund 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2018 verdreifachen.

Einziges Produktionsmittel: Kapital

In einem "FAZ"-Artikel weist der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), Frank Rieger, auf einen weiteren bedenkenswerten Aspekt der Veränderungen hin, der sich im Zuge von Digitalisierung, Automatisierung und durch Robotik und KI ergeben könnte. Betrachte man "die Automatisierungseffekte auf gesellschaftlicher Ebene, entsteht ein Bild, das die Grundannahmen der Demokratien in Frage stellt. Das einzig verbleibende relevante Produktionsmittel ist Kapital", schreibt Rieger.

Das aber habe Folgen: "Wer in moderne Maschinen und Software investieren kann, streicht im derzeitigen System den Mehrwert aus deren Produktivität ein." Die Folgen hieraus dürften allerdings nicht im Interesse der Kapitalgeber liegen: "Je weniger Menschen an der Wertschöpfung finanziell beteiligt sind, desto weniger können sie noch die Waren kaufen, welche die Maschinen produzieren."

Wer die Roboter besitzt ...

In der Forrester-Research-Untersuchung "The Future of Jobs 2025: Working Side by Side with Robots" widerlegen die Analysten die Warner nur scheinbar, wenn sie schreiben: Automation werde Jobs ersetzen und neue kreieren. Denn dann heißt es: "Zwar wird Automation bis zum Jahr 2025 in den USA zu einem Nettoverlust von 9,1 Millionen Arbeitsplätzen führen, das aber ist bei Weitem nicht so viel wie die 69 Millionen, die einige Experten vorhersehen." Auch Forrester erwartet also von Digitalisierung und Automatisierung massive Arbeitsplatzverluste.

Wo arbeiten wie viele Roboter?: Japan ist in Sachen Roboternutzung führend. Pflegeroboter etwa gehören fast schon zum Alltag.

Was Keynes schon wusste

Man muss das alles übrigens nicht zwingend negativ sehen, man kann es auch als gesellschaftliche Aufgabe betrachten. Bereits 1930 prognostizierte der Ökonom John Maynard Keynes, dass innerhalb von 100 Jahren Technik und ihre Entwicklungen zu einer Arbeitswoche von lediglich 15 Stunden führen würden. Die übrige Zeit könne der Mensch zu seiner Freizeitgestaltung verwenden.

Lösung bedingungsloses Grundeinkommen?

Die Frage ist dann nur, wie dieser Müßiggang finanziert werden kann. Interessanterweise tauchte Anfang 2016 diesbezüglich ausgerechnet auf dem World Economic Forum in Davos - nicht gerade ein Konvent linksradikaler Umstürzler - die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf. Hier sehen sich hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter im Schulterschluss mit einem KI-Forscher wie Neil Jacobstein oder mit Joe Schoendorf.

Schoendorf wurde als Wagniskapitalgeber im Silicon Valley mit seiner Firma Accel Partners schwerreich - und er plädiert für eine andere Einkommensverteilung. Er ist der Meinung, dass die digitale Revolution Facebook, Google, Uber und all die anderen Internet-Konzerne reich machen, dabei aber Millionen von Arbeitsplätzen kosten wird. Wenn KI, verbaut in Robotern, einen Großteil der menschlichen Arbeiten erledigen werde, sei die Aufspaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer vorhersehbar.

Und was können sie jetzt wirklich?

Beim Blick auf die Arbeiten, die heute schon von KI, Robotern und Computersystemen erledigt werden, wird klar, wie nah die Zukunft an die Gegenwart herangerückt ist. Der Paketdienst Hermes und der Handelsriese Metro überlegen, zur Auslieferung von Paketen und Waren Roboter der Firma Starship auf deutschen Straßen zu nutzen. In Australien will die Pizzakette Domino`s ebenfalls Roboter für die Auslieferung einsetzen.

Frech werden die Burschen auch noch. Als "Sawyer", ein neuer Logistikroboter bei der Deutschen Post, vorgestellt wurde, spöttelte der Moderator, Sawyer quietsche und werde wohl alt. Konterte Sawyer: "Netter Witz. Aber du hörst dich auch so an, wenn du läufst."

Die Deutsche Bahn will innerhalb des nächsten Jahrzehnts fahrerlose Züge testen - Vorbild ist die U3 in Nürnberg. Im Hotel "Seltsam" im japanischen Nagasaki erledigen Roboter den Zimmerservice. Das Fraunhofer-Institut testet Reinigungsroboter, die einmal Putzkolonnen ersetzen könnten. Im "Scientific Report" berichteten australische Wissenschaftler vor einigen Wochen, dass sie ein KI-System mit Informationen zu einem ungelösten Problem aus der Quantenphysik gefüttert hatten. Das selbstlernende System benötigte eine knappe Stunde, um ein Lösungsmodell für die Aufgabe zu entwickeln.

Ein Watson-System von IBM wertet am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York Abertausende von Studien aus, sichtet Röntgenbilder von Krebspatienten, stellt Diagnosen zu Krankheitsbildern und schlägt Behandlungsoptionen vor. Watson versteht zudem Sprache, kann also als Call-Center-Agent genutzt werden - etwa als Anlageberater. Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re setzt Watson zur Schadensbegutachtung und Risikobewertung ein.

Computersysteme schreiben Pressenachrichten wie etwa zahlenorientierte Sportberichte, die von Softwaresystemen erstellt werden. Die in Hamburg ansässige Content Fleet (CF) GmbH lässt pro Monat bis zu 14.000 Geschichten von Software schreiben. Durch die Gazetten ging kürzlich der Kurzfilm "Sunspring". Das Drehbuch hierzu schrieb ein Computer.

An der University von Utah wiederum entwickelten Wissenschaftler einen Algorithmus, der sich Gespräche zwischen Ehepartnern anhört und diese dann auf den Zustand ihrer Beziehung hinweisen kann. Das System stellt etwa fest, ob die Stimmen Emotionen ausdrücken, indem sie flattern oder verweint und brüchig klingen, vielleicht aber auch kräftig und selbstbewusst. In 79 Prozent aller Fälle lag der Computer in seiner Prognose richtig und schnitt damit besser ab als Paartherapeuten.

Das in San Francisco beheimatete Startup Momentum Machines wiederum hat einen Roboter entwickelt, der für den Einsatz in Burger-Ketten geeignet ist. Er kann Gehacktes zu einem typischen Burger formen, diesen je nach Kundenwunsch grillen (medium oder well-done) und mit weiteren Zutaten wie Tomaten oder Zwiebeln belegen. Andere Systeme wurden programmiert, um vorherzusagen, wie Patentrecht-Streitigkeiten vor dem Supreme Court ausgehen könnten.

Meist liegen sie mit ihrer Rechtseinschätzung besser als Fachjuristen. Das US-Startup Kensho hat sich wiederum auf Finanzanalysen spezialisiert. Seine Algorithmen sind in der Lage, vorherzusehen, was an der Börse mit Aktien von Tech-Unternehmen passiert, wenn in der Öffentlichkeit massivere Diskussionen wegen Datenschutzproblemen aufkommen.

Die Zukunft hat längst begonnen

Googles selbstlernende Deepmind-Software, Putzroboter, automatisierte Logistiksysteme, Diagnosecomputer, Therapiesysteme, Finanzanalyserechner - all diese Beispiele zeigen, wie wichtig künstliche Intelligenz und selbstlernende Systeme mittlerweile sind. Vor allem aber machen sie deutlich, dass die Zukunft längst begonnen hat.