IT-Sicherheit muss für den Nutzer mitdenken

Intelligente Konzepte statt unsicherer Passwörter

25.05.2017 von Thorsten Krüger
Immer wieder wird bemängelt, dass User wiederholt dasselbe (unsichere) Passwort für mehrere Accounts nutzen. Es gibt jedoch ausreichend technologische Möglichkeiten, um solche Risiken zu vermeiden. Daher sollten IT-Verantwortliche die Schuld nicht beim Anwender suchen, sondern selbst aktiv werden.

Die digitale Integration verändert den Alltag mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und natürlich ergeben sich dadurch neue Herausforderungen in Sachen Cybersicherheit. Die meisten IT-Entscheider in Deutschland gehen pragmatisch mit Innovationen um: Potenziale werden geprüft und nach einer Analyse von Kosten und Nutzen über entsprechende Investitionen entschieden. Dabei ist man deutlich kritischer als beispielsweise Kollegen in den USA oder England.

Nutzer verwenden häufig dasselbe Passwort für mehrere Accounts.
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Deutsche Unternehmen legen Wert auf die Einhaltung von hohen Qualitätsstandards und gehen vorsichtiger bei der Implementierung von neuen Technologien vor. Auch nach einer Investition evaluiert man genau, ob die Neuanschaffungen den erwarteten Effekt haben und wie sich Unternehmensprozesse entwickeln.

Ein besonders kritischer Bereich ist der Schutz von digitalen Assets. Durch den vermehrten Einsatz von Cloud-Services und durch digitale Innovationen steigt die Anzahl der Angriffsvektoren. Zudem verändert sich die Gefahrenlage durch organisierte Cyber-Kriminalität und potentere Malware.

Viele Organisationen haben bereits Erfahrung mit der Virtualisierung von Geschäftsprozessen, allerdings wird der Faktor Mensch speziell in Bezug auf Sicherheitsmechanismen oft unterschätzt. Einzelne Schutzmechanismen kommen oft nur unter bestimmten Bedingungen voll zur Wirkung - dies ist in der Praxis ein Problem. Das individuelle Verhalten der Nutzer lässt sich nicht einfach im Labor untersuchen und daher entsprechen viele Sicherheitstools in der Praxis nicht den Erwartungen.

Anwender spüren die Auswirkungen digitaler Innovationen

Eine von Gemalto durchgeführte Untersuchung beschäftigt sich mit den Erwartungen der Endanwender rund um das Thema Cybersicherheit in der digitalen Integration. Dabei wurden Teilnehmer aus Belgien, Deutschland, Frankreich, USA und anderen Ländern nach ihren Erfahrungen mit Datenschutz und Datensicherheit in der digitalen Welt gefragt.

Die größten Cyberangriffe auf Unternehmen
Die Top 15 Hacker-Angriffe auf Unternehmen
Unternehmen weltweit rücken seit Jahren in den Fokus von Hackern und Cyberkriminellen. Identitäts- und Datendiebstahl stehen bei den Anhängern der Computerkriminalität besonders hoch im Kurs - kein Wunder, dass Cyber-Risk-Versicherungen immer mehr in Mode kommen. Wir zeigen Ihnen 15 der größten Hacking-Attacken auf Unternehmen der letzten Jahre.
Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen.
Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar.
Cicis
Auch die US-Pizzakette Cicis musste Mitte 2016 einen Hackerangriff eingestehen. Wie das Unternehmen mitteilte, wurden die Kassensysteme von 130 Filialen kompromittiert. Der Diebstahl von Kreditkartendaten ist sehr wahrscheinlich. Wie im Fall von Wendy's und Target gelang es Hackern auch bei Cicis Malware in das Point-of-Sale-Kassensystem einzuschleusen. Erste Angriffe traten bereits im Jahr 2015 auf, im März 2016 verstärkten sich die Einzelattacken zu einer groß angelegten Offensive. Nach eigenen Angaben hat Cicis die Malware inzwischen beseitigt.
Wendy's
Anfang Juli 2016 wurde ein Hacker-Angriff auf die US-Fastfood-Kette Wendy’s bekannt. Auf den Kassensystemen wurde Malware gefunden – zunächst war von weniger als 300 betroffenen Filialen die Rede. Wie sich dann herausstellte, waren die Malware-Attacken schon seit Herbst 2015 im Gange. Zudem ließ die Burger-Kette verlauten, dass wohl doch bis zu 1000 Filialen betroffen seien. Die Kreditkarten-Daten der Kunden wurden bei den Malware-Angriffen offenbar ebenfalls gestohlen. Wie im Fall von The Home Depot hatten sich die Hacker per Remote Access Zugang zum Kassensystem der Fast-Food-Kette verschafft.
Heartland Payment Systems
Noch heute gilt der 2008 erfolgte Cyberangriff auf das US-Unternehmen Heartland Payment Systems als einer der größten Hacks aller Zeiten wenn es um Kreditkartenbetrug geht. Heartland ist einer der weltweit größten Anbieter für elektronische Zahlungsabwicklung. Im Zuge des Hacks wurden rund 130.000.000 Kreditkarten-Informationen gestohlen. Der Schaden für Heartland belief sich auf mehr als 110 Millionen Dollar, die zum größten Teil für außergerichtliche Vergleiche mit Kreditkartenunternehmen aufgewendet werden mussten. Verantwortlich für den Hack war eine Gruppe von Cyberkriminellen. Deren Kopf, ein gewisser Albert Gonzalez, wurde im März 2010 wegen seiner maßgeblichen Rolle im Heartland-Hack zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Heartland bietet seinen Kunden seit 2014 ein besonderes Security-Paket - inklusive "breach warranty".
Sony Playstation Network
Im April 2011 ging bei vielen Playstation-Besitzern rund um den Globus nichts mehr. Der Grund: ein Cyberangriff auf das digitale Serviceportal Playstation Network (PSN). Neben einer Ausfallzeit des PSN von knapp vier Wochen (!) wurden bei der Cyberattacke jedoch auch die Daten (Kreditkarteninformationen und persönliche Daten) von rund 77 Millionen PSN-Abonennten gestohlen. Sony informierte seine Nutzer erst rund sechs Tage über den Hack - und musste sich dafür harsche Kritik gefallen lassen. Die Kosten des PSN-Hacks beliefen sich auf circa 170 Millionen Dollar. Die Verantwortlichen wurden bislang nicht identifiziert.
Livingsocial.com
Die Online-Plattform Livinggsocial.com (inhaltlich vergleichbar mit Groupon) wurde im April 2013 Opfer eines Hacker-Angriffs. Dabei wurden die Passwörter, E-Mail-Adressen und persönlichen Informationen von circa 50 Millionen Nutzern der E-Commerce-Website gestohlen. Glücklicherweise waren die Finanzdaten von Kunden und Partnern in einer separaten Datenbank gespeichert. Die Verursacher des Security-Vorfalls wurden nicht identifiziert.
Adobe Systems
Mitte September 2013 wurde Adobe das Ziel von Hackern. Circa 38 Millionen Datensätze von Adobe-Kunden wurden im Zuge des Cyberangriffs gestohlen - darunter die Kreditkarteninformationen von knapp drei Millionen registrierter Kunden. Die Hacker die hinter dem Angriff standen, wurden nicht gefasst.
Target Corporation
Die Target Corporation gehört zu den größten Einzelhandels-Unternehmen der USA. Ende des Jahres 2013 musste Target einen Cyberangriff eingestehen, bei dem rund 70 Millionen Datensätze mit persönlichen Informationen der Kundschaft gestohlen wurden. Weitaus schwerer wog jedoch, dass unter diesen auch 40 Millionen Datensätze waren, die Kreditkarteninformationen und sogar die zugehörigen PIN-Codes enthielten. Für außergerichtliche Einigungen mit betroffenen Kunden musste Target rund zehn Millionen Dollar investieren, der damalige CEO Gregg Steinhafel musste ein halbes Jahr nach dem Hack seinen Hut nehmen.
Snapchat
Ein kleiner Fehler führte Ende Dezember 2013 dazu, dass Hacker die Telefonnummern und Nutzernamen von 4,6 Millionen Snapchat-Usern veröffentlicht haben. Snapchat selbst geriet darauf ins Kritikfeuer von Nutzern und Sicherheitsforschern, denn wie so oft war die Ursache für die Veröffentlichung der Daten ein Mangel an Sicherheitsvorkehrungen. Die von Hackern verursachten Probleme sind jedoch meist weniger schlimm als der Schaden, der nach der Veröffentlichung folgt. Auch wenn man seinen Nutzernamen oder seine Telefonnummer nicht als großes Geheimnis ansieht – ein motivierter Angreifer wie ein Stalker oder ein Identitäts-Dieb könnten mit diesen Daten Übles anrichten. Dieser Hack zeigt wiederum, dass alle Daten wichtig sind - vor allem wenn sie den Nutzern gehören. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Entwickler von Snapchat diesen Sicherheitsfehler gerne vor den Hackern gefunden hätten.
Ebay Inc.
Im Mai 2014 wurde Ebay das Ziel von Cyberkriminellen. Zwar wurden bei der Attacke keine Zahlungsinformationen entwendet - dafür aber E-Mail-Adressen, Usernamen und Passwörter von knapp 145 Millionen registrierten Kunden. Die Hacker erlangten scheinbar über von Ebay-Mitarbeitern gestohlene Logins Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens. Die Verantwortlichen wurden nicht identifiziert.
J.P. Morgan Chase
Mit J.P. Morgan rückte im Juli 2014 eine der größten US-Banken ins Visier von Cyberkriminellen. Rund 83 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Kunden fielen den Hackern in die Hände. Zugang erlangten die Kriminellen offensichtlich über gestohlene Login-Daten eines Mitarbeiters. Allerdings musste sich J.P. Morgan den Vorwurf gefallen lassen, seine Systeme nicht ausreichend zu schützen. Inzwischen wurden in den USA und Israel vier Personen festgenommen, die mutmaßlich an diesem Hack beteiligt waren.
The Home Depot
Die US-Baumarktkette The Home Depot wurde im September 2014 Opfer eines besonders hinterhältigen Hacks. Cyberkriminelle hatten es geschafft, Malware in das Kassensystem von über 2000 Filialen einzuschleusen. Die Folge davon: 56 Millionen Kreditkarteninformationen von Bürgern der USA und Kanada wurden direkt bei der Zahlung in den Home-Depot-Geschäften entwendet. Darüber hinaus fielen auch noch 53 Millionen E-Mail-Adressen in die Hände der Hacker. Der Schaden für das US-Unternehmen wird auf rund 62 Millionen Dollar beziffert.
Anthem Inc.
Anthem gehört zu den größten Krankenversicherern der USA. Im Februar 2015 gelang es Cyberkriminellen, persönliche Daten von circa 80 Millionen Kunden zu stehlen. Die Datensätze enthielten Sozialversicherungsnummern, E-Mail-Adressen und Anschriften. Darüber hinaus wurden auch Gehaltsinformationen von Kunden und Angestellten entwendet. Immerhin: Medizinische Daten sollen nicht betroffen gewesen sein. Verschiedenen Security-Experten zufolge führt die Spur des Hacks nach China.
Ashleymadison.com
Anschriften, Kreditkartennummern und sexuelle Vorlieben von circa 40 Millionen Usern hat eine Hackergruppe namens Impact Team im August 2015 nach einem Cyberangriff auf das Seitensprung-Portal Ashley Madison öffentlich gemacht. Der Angriff bewies, dass Ashley Madison nicht – wie eigentlich versprochen – persönliche Informationen der Nutzer gegen eine Gebühr löschte. Das erbeutete 30-Gigabyte-Paket beinhaltete insgesamt 32 Millionen Datensätze, darunter 15.000 Regierungs- und Militäradressen von Nutzern. Auch Teile des Seitenquellcodes und interne E-Mails der Betreiber lagen dadurch offen. Aufgrund der intimen Nutzerdaten und der geheimnisvollen Natur von Ashley Madison ist dieser Hackerangriff besonders heikel. Dass die Betreiber persönliche Daten auch auf Wunsch nicht vernichtet haben, zeigt ein Problem von Unternehmen, die personenbezogene Daten auf verschiedenen Systemen verarbeiten. Aber auch solche Unternehmen müssen Nutzerinformationen gegen Gefahren schützen – ganz gleich, ob die Gefahr von externen Hackern, böswilligen Insidern oder zufälligen Datenverlusten ausgeht. Ein Ashleymadison-User hat inzwischen vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen Avid Life Media eingereicht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten. Ein Antrag auf Sammelklage ist ebenfalls bereits eingegangen. Sollte das Gericht diesem folgen, könnten ALM Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe ins Haus stehen.

Die Befragten sehen besonders die Unternehmen in der Pflicht, für ausreichenden Schutz ihrer persönlichen Daten zu sorgen. Die Teilnehmer meinen, dass nur ein Drittel aller Organisationen Sicherheitsthemen ernst nehmen. Speziell in Deutschland wird Kritik an Firmen erkennbar. Beispielsweise vertrauen nur 15 Prozent aller deutschen Befragten ihren Arbeitgebern und geben an, dass diese das Thema Datenschutz ernst nehmen.

Vorfälle wie die Cyberattacke auf den Bundestag und andere prominente Attacken verschärfen die Situation. Laut des Survey gehen aktuell 58 Prozent davon aus, dass ihre Daten in naher Zukunft durch einen Hackerangriff entwendet werden. Ein Großteil davon (60 Prozent) würde nach Bekanntwerden eines entsprechenden Vorfalls keine Dienstleistungen oder Güter der jeweiligen Organisation mehr nutzen.

Die Analyse in Deutschland zeigt zudem, dass man hierzulande besonders kritisch auf den Umgang mit Finanzdaten achtet. Bezahlungen mit Kreditkarten sind seltener, dagegen sind Online-Treuhänder wie PayPal deutlich beliebter. Beim Thema Online-Banking stechen die deutschen Teilnehmer durch eine hohe Skepsis hervor. 67 Prozent sehen Schwachstellen in den eingesetzten Bezahlsystemen im Internet - 36 Prozent mehr als im globalen Durchschnitt.

IT-Sicherheitsverantwortliche müssen die Zeichen der Zeit verstehen

Langfristig müssen sich Unternehmen der Digitalisierung und den neuen Erwartungen der Nutzer öffnen. Geschäftsmodelle sollten einerseits diesen entsprechen, gleichzeitig aber auch Sicherheitsnormen und Compliance-Richtlinien umsetzen. Das bekannte Beispiel vom riskanten Umgang mit User Credentials findet man ebenfalls in der Umfrage vor: 53 Prozent geben zu, dass sie die gleichen Passwörter mehrfach verwenden.

Damit wird klar, dass auch 2017 Cyberkriminelle immer noch relativ leicht an Zugangsdaten kommen können, indem sie private Accounts übernehmen und die Informationen dann auf Firmenzugänge übertragen - ein einfacher und schneller Weg in jedes Unternehmensnetzwerk. Freiwillige Anleitungen und Schulungen haben nur bedingt Abhilfe geschafft.

IT-Verantwortliche müssen auf diese Erkenntnisse reagieren. Eine wirksame Methode zur Absicherung und Identitätsverifizierung ist Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA). Hier hat der Markt in den vergangenen Jahren neue Innovationen hervorgebracht, die über klassische Smart Cards und Tokens hinausgehen. Durch Apps für Mobilgeräte, Fingerabdruckscanner oder Zertifikatstechnologie in USB-Sticks können entsprechende Ansätze einfach ausgerollt und verwaltet werden. Facebook, Amazon und viele Online-Anbieter unterstützen bereits 2FA für ihre Nutzer. In der Tat greifen schon über 30 Prozent aller Konsumenten auf diese Angebote zurück. Daher sollten Unternehmen über die Implementierung einer entsprechenden Lösung nachdenken.

Fazit

Der digitale Fortschritt wird oft zu Unrecht als Bedrohung wahrgenommen. In der Tat entstehen neue Angriffsvektoren durch die zunehmende Virtualisierung, allerdings gibt es bereits ausgereifte Schutzmechanismen, um der Lage Herr zu werden.

Nutzerfreundlichkeit und gute Absicherung sind keine Gegensätze, da sich moderne Sicherheitstools bereits in der Praxis bewiesen haben. Trotzdem müssen IT-Verantwortliche mit neuem Bewusstsein an das Thema Security herangehen. Anwender sind deutlich sensibler beim Umgang mit ihren Daten in der digitalen Welt geworden - und erwarten, dass Unternehmen mehr Verantwortung im Bereich Datenschutz übernehmen.

Die digitale Integration ist unumkehrbar und bringt viele Vorteile mit sich, aber sie öffnet auch neue Angriffsvektoren. Sicherheitsmechanismen wie 2FA bereiten Unternehmen auf diese Herausforderung vor. Dabei schaffen sie den Spagat zwischen nachhaltiger IT-Sicherheit und den neuen Erwartungen der User. (haf)