Berufsbilder der IT

Informatiker - Helfer in der Medizintechnik

10.04.2012 von Ingrid  Weidner
Die Gesundheitswirtschaft gilt als solider Arbeitgeber. Auch Informatiker wissen diese Vorzüge zu schätzen
Die Gesundheitswirtschaft gilt mit ihren 5,4 Millionen Beschäftigten als wichtiger Arbeitgeber. Informatiker haben gute Chancen, mit interessanten Aufgaben betraut zu werden.
Foto: Siemens

Software für Autos oder neue Apps für Mobiltelefone faszinieren längst nicht jeden Informatiker. Doch es gibt Alternativen. Medizin und Informationstechnik nähern sich seit einigen Jahren immer mehr an. Kein Wunder, dass sich in der Medizinbranche inzwischen auch immer mehr IT-Experten nach interessanten Joboptionen umschauen. Denn die wachstumsstarke Branche gilt als solide und attraktiv zugleich.

Nikolaus Bolle interessierte sich schon während seines Wirtschaftsinformatik-Studiums für Medizintechnik. Als sich der junge Absolvent 1994 nach einem Job umsah, gab es wenige Angebote für Berufsanfänger in dieser Sparte. "Siemens hatte damals 20 Absolventen eingestellt", erinnert sich Bolle. Obwohl der Konzern dem IT-Experten für das erste halbe Jahr nur einen Halbtagsjob anbieten konnte, entschied er sich für die Offerte. Neben einem Einarbeitungsplan aus der Personalabteilung organisierten die Berufsanfänger sogenannte Ingenieurszirkel, um sich selbst im Kollegenkreis weiterzubilden.

Nikolaus Bolle, Siemens: "Wir haben auch schwierige Zeiten mitgemacht."
Foto: Siemens

In den 18 Jahren bei Siemens Healthcare wechselte Bolle zwar regelmäßig den Arbeitsort und die Position, doch der Unternehmenssparte Medizintechnik und seinem Thema blieb er in gewisser Weise immer treu. Anfangs programmierte Bolle noch selbst, inzwischen führt er ein 150-köpfiges Entwicklerteam. "Einfach gesagt entwickeln wir Software, die den Medizinern die Diagnose erleichtert. Wir bereiten Datensätze, die mit bildgebenden Verfahren gewonnen wurden, so auf, dass sie leicht interpretierbar sind", erläutert Bolle die Aufgabe. Die Programmierer arbeiten in kleinen Gruppen von zehn Entwicklern und stehen in engem Kontakt zu Ärzten und Krankenhäusern, um die Wünsche und Anforderungen der späteren Kunden einzuplanen.

Gesundheitswirtschaft ist stabil

Siemens Healthcare beschäftigt mehr als 6000 Mitarbeiter in Erlangen und der näheren Umgebung, weltweit sind es in dieser Unternehmenssparte rund 51.000 Beschäftigte. "Wir suchen immer gute Leute", sagt Personalchef Andre Heinz. Absolventen mit einem medizintechnischen Studium sind zwar willkommen, doch die Spezialisierung sei nicht zwingend erforderlich, da das Unternehmen ein intensives Training anbietet, um den Berufseinsteigern neben den Grundzügen der Medizintechnik auch das notwendige Expertenwissen zu vermitteln.

Die Gesundheitswirtschaft gilt als stabiler Wachstumsmarkt. Die hohen Exportquoten der deutschen Industrie von bis zu 68 Prozent im ersten Halbjahr 2011 sowie die große Inlandsnachfrage verleihen diesem Wirtschaftssektor besonderes Gewicht. Auch die stete Nachfrage nach besseren medizinischen Leistungen und eine alternde Bevölkerung gelten als Garant für weiteres Wachstum. Mit rund 5,4 Millionen Beschäftigten gilt die Gesundheitswirtschaft als wichtiger Arbeitgeber.

TOP-Arbeitgeber 2011 (Trendence)
Wer sind die beliebtesten 30 IT-Arbeitgeber 2011?
Fast 7000 Informatikstudenten haben im "Trendence Graduate Barometer German IT " ihre Stimme abgegeben. Auf Platz 30 ist Accenture gelandet und damit die am besten platzierte IT-Beratung in dem Ranking, das insgesamt über 100 Plätze umfasst. Sehen Sie nun die Top 30 der IT-Arbeitgeber!
Auf Platz 29 folgt das ....
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR.
Den Reiz der Forschung....
übt auch das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz auf Nachwuchsinformatiker auf. In diesem Jahr schaffte es die renommierte Einrichtung mit mehreren Standorten in Deutschland auf Platz 28.
Nvidia, mit Hauptsitz im kalifornischen Santa Clara,...
.. ist einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen. Auf Platz 27 der beliebtesten Arbeitgeber.
Jeder schaut Fernsehen...
...warum sollte dann ein Fernsehsender wie ProSiebenSat1 nicht ein attraktiver Arbeitgeber sein. Die private Sendergruppe hat es auf Rang 26 geschafft.
Oracle.....
...ist einer von vielen amerikanischen IT-herstellern, die beim deutschen Informatiknachwuchs hoch im Kurs stehen. Platz 24.
Abenteuer Forschung...
Auch die Max-Planck-Gesellschaft ist für den IT-nachwuchs eine wichtige Adresse, wenn es um den Berufsstart geht. Platz 24.
Die Lufthansa Systems...
hat im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze verloren und findet sich nunmehr auf Rang 23 des Trendence-Rankings wieder.
EADS auf Platz 22...
...gehört auch für Informatiker schon seit Jahren zu den 30 beliebtesten Arbeitgebern.
Bosch ist....
...nicht nur für Ingenieure ein attraktiver Arbeitgeber, sondern auch für informatiker. Platz 20.
Harald Esch, Deutschland-Chef von Adobe,....
...kann sich nicht so recht freuen. Sein Unternehmen fiel in der Gunst der deutschen informatikstudenten: Von Platz 14 auf Platz 20.
Volkswagen....
...ist Deutschlands größter Automobilhersteller und landet beim IT-Nachwuchs auf Platz 18. Sieben Plätze besser als noch 2010.
Intel....
...ist weltweit der größte Prozessorhersteller. In diesem Jahr auf Platz 18.
Die Deutsche Telekom....
...sponsort nicht nur den FC Bayern, sondern investiert auch viel in das Recruiting. Das wird vom IT-Nachwuchs honoriert. Ein steiler Aufstieg von Platz 29 im Vorjahr auf Platz 17 in 2011.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik....
...kurz BSI ist für Informatikstudenten eine feste Größe, seit Jahren unter den Top 20, in diesem Jahr auf Platz 16.
Die Welt der Computerspiele.....
scheint den Nachwuchs magisch anzuziehen. Elektronic Arts (Platz 15) ist einer von drei Spieleherstellern unter den Top 30.
Gutes Produkt = guter Arbeitgeber
Diese Rechnung geht auch für Daimler auf. Die Informatikabsolventen wählten den schwäbischen Autokonzern auf Platz 14.
Amazon...
..ist das größtes Online-Kaufhaus und stieg in diesem Jahr neu auf Platz 13 ein.
Spielehersteller Crytek...
...ist in diesem Jahr der steilste Aufsteiger: von Platz 24 auf 11. Personalfrau Andrea Hartenfellner macht dafür die Veröffentlichung des Titels "Crysis 2" und das spannende, international geprägte Arbeitsumfeld verantwortlich.
Der Reiz des Geheimen....
zieht Informatiker zum BND. Der Bundesnachrichtendienst ist die Behörde, die mit Abstand am besten im Ranking platziert ist. Der BND ist auch auf diversen Recruitingveranstaltungen präsent.
Schnelle Autos....
machen nicht nur Männer sexy, sondern auch Arbeitgeber. Porsche schaffte in diesem Jahr den Sprung unter die Top Ten.
Auf Platz 9 folgt mit BMW...
ein weiterer Automobilkonzern, der auch 2010 schon unter den Top Ten war.
Audi....
...ist für Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure der Traumarbeitgeber, aber auch bei Informatikern können die Ingolstädter punkten. Platz acht und in diesem Jahr erstmals einen Platz vor BMW.
Siemens-Chef Peter Löscher....
...kann mit dem siebten Platz seines Konzerns eigentlich nicht zufrieden sein. Noch vor zehn Jahren führte Siemens das Ranking an. Für Informatiker ergeben sich hier aber auch deutlich weniger Chancen, nachdem die TK- und IT-Sparten ausgelagert beziehungsweise geschlossen werden.
Die Fraunhofer Gesellschaft....
mit ihren vielen Forschungseinrichtungen war für Informatikstudenten schon immer ein attraktiver Arbeitgeber, in diesem Jahr auf Platz 6 des Trendence-Rankings.
Microsoft...
..auf Platz vier in diesem Jahr wurde schon mehrfach als guter Arbeitgeber ausgezeichnet. Für junge Leute hat der Softwarehersteller auch ein gut dotiertes Traineeprogramm im Angebot.
SAP ist immer noch....
der größte deutsche Softwarehersteller. Für den IT-Nachwuchs war er früher der Traumarbeitgeber, mittlerweile ist er auf dem dritten Platz gelandet.
IBM...
hat nicht nur den Supperrechner Watson entwickelt, sondern ist auch für Informatiker eine feste Größe und behauptet sich seit Jahren auf Platz 2.
And the winner is...
im vierten Jahr in Folge Google. Für fast jeden vierten Informatikstudenten ist der Internet-Konzern der Traumarbeitgeber.

Medizin oder Informatik?

Irina Wächter-Stehle, Philips: "Regelmäßige Gespräche mit Ärzten sind für mich als Informatikerin selbstverständlich."
Foto: Philips

Irina Wächter-Stehle entschied sich nach dem Abitur für ein Informatikstudium in Karlsruhe. "Ich habe mich im Hauptstudium gezielt für den Schwerpunkt Biomedizin entschieden, weil ich Medizin und Technik miteinander verbinden wollte. Dem Diplom folgte die Promotion in London. Mit einem Stipendium von Philips konnte die Informatikerin drei Jahre in der britischen Metropole über medizinische Bildbearbeitung forschen und gleichzeitig in den Forschungslabors von Philips in Aachen und Eindhoven ihre Experimente vorantreiben.

Während der Promotion vertiefte Wächter-Stehle ihr medizinisches Wissen. "Ich habe nebenher Vorlesungen in Anatomie und Physiologie besucht. Das ersetzt zwar kein Medizinstudium, doch es hilft mir besser zu verstehen, was Ärzte brauchen und wie wir sie mit unseren Produkten unterstützen können", erklärt die 32-Jährige. Die Lektüre medizinischer Fachbücher und regelmäßige Gespräche mit Ärzten sind für die Forscherin selbstverständlich: "Auf diese Weise kann ich eigene Ideen weiterentwickeln und besser abschätzen, was klinisch relevant ist."

Viele medizintechnischen Produkte sind Exportschlager. Besonders in den sogenannten Schwellenländern wird die Nachfrage bis 2020 um jährlich zwischen neun und 16 Prozent steigen, wie eine Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts belegt. Auch viele Angestellte in der Medizintechnikbranche arbeiten längst international. Siemens-Mann Nikolaus Bolle beispielsweise sammelte drei Jahre in Seattle internationale Erfahrungen. Die Informatikerin Irina Wächter-Stehle forscht für Philips in Deutschland und den Niederlanden.

Teamarbeit ist wichtig

Christian Dongov, B. Braun: "Ich konnte von Anfang an mitgestalten und an globalen Projekten mitarbeiten."
Foto: B. Braun

Internationales Arbeiten wünschte sich auch Christian Dongov. Der Wirtschaftsinformatiker startete nach dem Studium in einem kleinen Beratungsunternehmen in der Nähe von München ins Berufsleben. Doch viele der Projekte des SAP-CRM-Beraters fanden im Großraum München statt, weshalb Dongov über einen Jobwechsel nachdachte. Seit Ende 2009 arbeitet er für B. Braun in Melsungen. Das in der Nähe von Kassel angesiedelte Medizintechnik-Unternehmen suchte für einen internationalen Roll-out seiner CRM-Software neue IT-Mitarbeiter.

Seit November betreut Dongov das Roll-out in einer Niederlassung im Norden Englands. "In Melsungen arbeite ich zusammen mit vier Kollegen an diesem globalen Projekt. Teamarbeit ist hier wichtiger als in der Beratung", meint Dongov. Auch die Marketing- und Verkaufsprozesse, die mit der CRM-Software gesteuert werden, sind anders, denn B. Braun verkauft seine Produkte nicht direkt an die Verbraucher. Für Personalchef Jürgen Sauerwald heißt das, dass er B. Braun als Arbeitgeber bekannt machen muss. Während ein Automobilhersteller über seine Produkte Absolventen anlockt, wählt das Melsunger Unternehmen andere Wege. "Aus diesem Grund bieten wir für Studenten verstärkt Praktika, Bachelor- oder Master-Arbeiten im Unternehmen an oder auch Werksstudentenverträge", berichtet Sauerwald. Rund 500 Praktikanten aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland kommen jährlich an die verschiedenen Unternehmensstandorte Melsungen, Tuttlingen oder Berlin, um dort Praxiserfahrungen zu sammeln und möglicherweise ihren zukünftigen Arbeitgeber kennenzulernen.

Das familiengeführte Unternehmen beschäftigt in Deutschland an verschiedenen Standorten rund 11.500 Mitarbeiter, weltweit arbeiten etwa 44.000 Menschen für B. Braun. "Wir bieten zahlreiche betriebliche Programme für Familien und zahlen wettbewerbsfähige Gehälter", so Sauerwald. Auch wer im internationalen Umfeld arbeiten möchte, findet dort passende Aufgaben.

Christian Dongov suchte nicht ausschließlich in der Medizinbranche nach einem Job, doch mit seiner Wahl ist er nun zufrieden. "Ich konnte hier von Anfang an mitgestalten." Wenn in einigen Monaten die Software in den lateinamerikanischen Niederlassungen des Unternehmens implementiert werden soll, wäre der 28-Jährige gerne dabei.

Auch Siemens-Mann Bolle ist mit seiner Berufswahl zufrieden. "Schon während meines Studiums hatte ich den Wunsch, im Beruf innovative Produkte zu entwickeln und etwas zu bewegen. Dieser Wunsch hat sich für mich erfüllt." Heute arbeitet sein Team an iPad-Anwendungen und Cloud-Lösungen. Bolle weiß aber auch, dass die Branche den üblichen wirtschaftlichen Zyklen unterworfen ist. "Wir sind durch schwierige Zeiten gegangen", räumt er ein.

Spitzen-Cluster in der Region Erlangen-Nürnberg

Die Medizintechnik in der Region Erlangen-Nürnberg blickt auf eine lange Tradition zurück. Das dort angesiedelte Spitzencluster "Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN)" weist beeindruckende Zahlen vor: Mehr als 180 Medizintechnikunternehmen mit rund 16.000 Mitarbeitern gibt es in der Region Nürnberg, darunter Schwergewichte wie Siemens Healthcare, 40 Krankenhäuser mit unterschiedlichen Spezialisierungen versorgen Patienten, rund 60 Lehrstühle mit einem medizintechnischen Schwerpunkt forschen und lehren dort sowie 20 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ergänzen das Netzwerk.

Im Jahr 2010 gewann das Medical Valley EMN den Wettbewerb um den Titel als Spitzencluster und darf sich bis zum Jahr 2015 über 40 Millionen Euro Fördergelder vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) freuen. Weitere 40 Millionen stehen dem Cluster über eine Kofinanzierung der Partner zur Verfügung. Mit den Fördermitteln konnten bereits mehr als 40 Forschungsprojekte angestoßen werden. Gewachsene Strukturen und die 130-jährige Geschichte der Medizintechnik in der Region tragen zum Erfolg bei. In dem 2003 eröffneten Gründerzentrum "Medical Valley Center" forschen rund 35 Start-ups an Neuentwicklungen.

Weitere Berufsbilder finden Sie hier: