Informatik: Professoren kämpfen gegen den Schwund

15.02.2008 von Alexandra Mesmer
Wie die TU München mehr Informatikstudenten bei der Stange halten will.

Zum ersten Mal seit 2003 haben sich wieder mehr Abiturienten entschieden, Informatik zu studieren. 30.325 Erstsemester bundesweit oder vier Prozent mehr als 2006. Professor Florian Matthes freut sich darüber, allerdings nur ein wenig. Denn heruntergerechnet auf die einzelnen Hochschulen, macht sich dieser Zuwachs kaum bemerkbar. Als Studiendekan der Informatikfakultät der TU München konnte Matthes im vergangenen Jahr 181 Erstsemester begrüßen und damit vier Studenten mehr als 2006. Kein Vergleich mit dem Boomjahr 2000, als sich über 800 Neustudenten für Informatik an der TU München eingeschrieben hatten - von denen jedoch nicht einmal jeder Zweite das Studium abschloss.

Praxis vom ersten Semester an

Geschrumpfte Anfängerzahlen, hohe Abbrecherquoten, lange Studienzeiten und ein Image als schweres, wenig praxisbezogenes Fach – als Studiendekan einer Informatikfakultät hat man an vielen Fronten zu kämpfen.

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Florian Matthes, TU München: Die Liebe zur Mathematik und abstraktes und logisches Denken sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein Informatikstudium.
Foto: TU München

Doch Matthes, der Software Engineering betrieblicher Informationssysteme lehrt, nimmt den Kampf sportlich und verweist auf Etappensiege der vergangenen Jahre. Um die Abbrecherquoten zu reduzieren, führten die Münchner 2002 ein Eignungsfeststellungsverfahren ein. Seit die Bewerber aufgrund ihrer Noten und nach Gesprächen mit Studienberatern zum Informatikstudium zugelassen werden, beenden mittlerweile 70 Prozent das Studium.

Dennoch bleibt ein Schwund von 30 Prozent. Dazu Matthes: "Die meisten Abbrecher bleiben im Laufe des Studiums einfach weg. Wir kennen ihre Beweggründe im Einzelfall nicht. Einige wechseln an die Fachhochschule, weil ihnen das Studium an der TU zu hart ist." Wenn Matthes hart sagt, meint er die theoretischen, insbesondere die mathematischen Grundlagen des Fachs, die vielen zu erlernen und zu durchdringen schwer fallen. Seit die TU München das Informatikdiplom durch das Bachelor- und Mastersystem im Jahr 2005 ersetzt hat, hat sich auch hier vieles verändert. Empfanden davor viele Studenten insbesondere das Grundstudium als zu praxisfern, lernen sie heute schon vom ersten Semester an praktische Inhalte wie Software Engineering, Datenbanken, Betriebssysteme und verteilte Systeme. Die Theorie wurde im Gegenzug gleichmäßiger auf die sechs Bachelor-Semester verteilt und im Bachelor-Studium auch reduziert: 25 Prozent der Theorie des vormaligen Diplomstudienganges finden sich nur noch im Master-Studium wieder.

Mathematische Fächer wie diskrete Strukturen, lineare Algebra oder Analysis bleiben auch nach der Reform für so manchen Studenten ein Prüfstein. "Die Liebe zur Mathematik gehört ebenso wie ein abstraktes, logisches und systematisches Denken zu den wichtigsten Voraussetzungen, um das Studium zu schaffen", sagt Matthes. Wenn sich Bewerber schon mit Pisa-Aufgaben für die sechste Klasse schwer tun, wie es sich manchmal im Eignungsgespräch zeigt, mache ein Informatikstudium wenig Sinn.

Verschulteres Studium

Den Vorwurf der langen Studienzeiten, die auch der Branchenverband Bitkom als eine der wichtigsten Ursachen für die hohen Abbrecherquoten nennt, sieht Matthes an der TU München unbegründet. Sechs Semester dauert es im Idealfall bis zum Bachelor, in München schaffen das auch drei Viertel, erklärt Matthes: "Unsere Studenten brauchen zwischen sechs und acht Semester. Für uns ist es ein Erfolg, die Studienzeiten so kurz zu halten." Ein Grund dafür ist das im Vergleich zum Diplom verschultere Bachelor-Studium mit seinen regelmäßigen Prüfungen. Um nicht exmatrikuliert zu werden, müssen die Studenten in jedem Semester eine bestimmte Anzahl an so genannten Credit Points erreicht haben. Sind sie im Rückstand, schickt ihnen das Prüfungsamt eine Warnung, doch die nächste Prüfung abzulegen und damit wieder neue Punkte zu sammeln. So wüssten die Studenten jederzeit, wo sie stehen und nicht wie in manch anderen Fächern, wo die geballten Prüfungen und damit oft das jähe Erwachen erst gegen Ende der Studienzeit kämen.

Neben der kurzen Studiendauer kann Informatikprofessor Matthes auch noch mit den vorderen Plätzen seiner Fakultät in diversen Hochschulrankings und dem Ruf der TU München als eine von Deutschlands ersten Eliteuniversitäten werben. Dazu kommt, dass die Studenten den in Vorlesungen vermittelten Stoff in kleinen Übungsgruppen vertiefen können. Doch der Weg zu einer deutlich höheren Zahl an Informatikabsolventen, wie sie die Wirtschaft fordert, ist noch lang. "Wir rechnen künftig mit 100 bis 120 Informatik-Bachelor-Absolventen pro Jahr", prognostiziert Matthes. Angesichts dieser Zahlen wundert es nicht, dass der TU München derzeit die Absolventen aus den Händen gerissen werden.

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