Infor und SSA müssen ihr ERP-Portfolio abgleichen

22.05.2006
Nicht nur die Anwender, sondern auch viele Analysten waren überrascht worden von der Infor-Ankündigung, SSA Globals übernehmen zu wollen. Nach der ersten Aufregung versuchen Branchenexperten nun, sich ein Zukunftsszenario für die Produktstrategie der kombinierten Hersteller zurecht zu legen.

Kommt der Merger von Infor und SSA Global zustande, entsteht ein neues Schwergewicht im ERP-Markt, das etwa 1,6 Milliarden Dollar im Jahr umsetzt (siehe Update: SSA-Kauf macht Infor zur Nummmer drei).

Die deutschen Kunden fragen sich, wie es mit ihren Produkten weitergeht (siehe Anwender kritisieren SSA-Übernahme durch Infor). Unterdessen versuchen Marktbeobachter, die künftige Produktstrategie der durch SSA verstärkten Infor zu deutet. Einer davon ist Simon Jacobson, Analyst bei AMR Research in Boston. In Jacobsons Betrachtung wird Infor die CRM-Funktionen der von SSA gekauften Firmen Epiphany und Ironside in die eigenen Module für Produktkonfiguration, Vertrieb, Marketing und Servicesteuerung einbringen. Ergänzungen in Infors Angebot an Warehouse- und Transportation-Management- Softwarean lieferten die Supply-Chain-Execution-Produkte von Exe und Provia, die SSA ebenfalls geschluckt hat. SSAs Product-Lifecycle-Management bietet mehr als vergleichbare Lösungen auf Infor-Seite, gleiches gilt für die Programme zum Personal-Management.

Auf der anderen Seite sind es Infors Asset-Management-Lösungen (ein Ergebnis der Datastream-Übernahme Anfang dieses Jahres), die SSAs Portfolio bereichern können. Erweitern lassen sich auch SSAs Feinplanungswerkzeuge für die Prozessindustrie mit einem Infor-Produkt. Bedarfsplanungs-Tools, die Infor mit dem Kauf von Mercia erwarb, können vergleichbare Funktionen in SSAs Umgebung ergänzen. Und SSAs PLM-Systeme lassen sich bereichern mit dem Infor-Produkt "Optiva", das sich an Hersteller aus der Prozessindustrie wendet.

Doch neben der Produkt- spielt auch die Vertriebsstrategie eine Rolle, und hier verfolgen Jacobson zufolge beide Unternehmen unterschiedliche Ansätze: Infor agierte bisher als "Assemblierer" von Business-Lösungen, während sich SSA Global eher als Konsolidierer hervor tat. Beispielsweise legte SSA aus zahlreichen Produkten zwei ERP-Linien auf: "ERP LX" (vornehmlich hervorgegangen aus BPCS, einer Lösung für die Prozessindustrie) und "ERP LN" (das ehemalige Baan-Produkt). Da SSA Global mit "SSA Open Architecture" eine Infrastrukturumgebung für Service-orientierte Architekturen entwickelt hatte, bleibt abzuwarten, ob Infor diese weiterführt. Der neue SSA-Eigner hat mit der eignen Infrastrukturlösung "Corestone" gerade erst angefangen.

Apropos Plattformen: Neben den auf Windows und Unix laufenden Softwareprodukten verfügt Infor nun mit Geac, Mapics, BPCS, Brain und Marcam über zahlreiche Kunden von ERP-Lösungen auf den Midrange-Rechnern der "i5" (vormals AS/400). Somit wird das Unternehmen in Sachen Infrastruktur auch IBMs "Websphere"-Plattform berücksichtigen müssen. Zudem nutzen manche Infor-Produkte die Architektur von Progress Software. Eine homogene Plattformstrategie dürfte aus diesen Gründen nicht so einfach sein. (fn)