In Europa gibt es kaum noch große Outsourcing-Deals

29.06.2006
Eine Analyse der im ersten Quartal 2006 unterschriebenen Auslagerungs-Deals untermauert den Trend zum selektiven Outsourcing.

Das Marktforschungshaus Forrester Research hat 75 europäische Outsourcing-Deals mit einem Vertragswert von mehr als zehn Millionen Euro einer näheren Betrachtung unterzogen. Dabei haben sich alte Muster bestätigt (etwa: am häufigsten lagern Anwender ihre IT-Infrastruktur aus; die meisten Deals werden in Großbritannien unterzeichnet) aber auch einige Neuerungen ergeben. So erwies sich beispielsweise in früheren Erhebungen die Branche der Finanzdienstleister als zuverlässigster Outsourcing-Kunde, doch das hat sich geändert: Im ersten Quartal 2005 gingen 20 Prozent der vereinbarten Auslagerungs-Abkommen auf das Konto von Banken, im ersten Quartal 2006 waren es nur zwölf Prozent. Ähnlich zurückhaltend zeigten sich die Versicherungsunternehmen. Ihr Anteil an den Auslagerungs-Deals sackte von acht Prozent im Vorjahresquartal auf nun vier Prozent. Auch die TK-Branche, die gewöhnlich kaum Hemmungen hat, externe Dienstleister zu verpflichten, hat im Servicemarkt zuletzt den Anschluss verloren. Forrester registrierte nur ein Abkommen, das ein TK-Betreiber im ersten Quartal 2006 unterschrieben hat. Gute Absatzzahlen garantierten hingegen Handelsunternehmen: 13 Prozent aller Deals konnten die Outsourcing-Anbieter in die Retail-Branche verkaufen.

Nahezu die Hälfte der betrachteten 75 europäischen Outsourcing-Deals hatten im ersten Quartal 2006 die Auslagerung der IT-Infrastruktur zum Ziel.

Ein Blick auf die Art der Projekte zeigt, dass knapp die Hälfte aller Projekte die Auslagerung der IT-Infrastruktur zum Ziel hatte (siehe Grafik). Gerne (30 Prozent aller Abkommen) haben die Anwender zudem ihre lokalen und TK-Netze ausgelagert. Die Dominanz der infrastrukturnahen Dienste ist nichts Neues, ein Wandel in der Sourcing-Strategie der Anwender ist dennoch erkennbar: In den letzten zwei Jahren haben sie sich auffallend zurückhaltend gegenüber dem Fremdbetrieb ihrer Applikations-Entwicklung und -Wartung gezeigt, doch dieser Trend wurde laut aktueller Erhebung gestoppt. Während im ersten Quartal 2005 nur elf Prozent aller Kontrakte die Unternehmens-Applikationen berührten, waren es im jüngsten Vergleichszeitraum 20 Prozent.

Die Liste der Anbieter, die im Beobachtungszeitraum mit wenigstens einem Abschluss über zehn Millionen Euro erfolgreich waren, führt 25 Service-Provider. Als Bester ging der britische BPO-Dienstleister (Business Process Outsourcing) Capita aus dem Vergleich hervor, er konnte Verträge im Wert von insgesamt 539 Millionen Euro gewinnen. Auf den Rängen folgen Fujitsu Services (453 Millionen Euro), CSC (292 Millionen Euro), Getronics (237 Millionen Euro) und EDS (225 Millionen Euro). Eine besondere Erwähnung war den Experten IBM Global Services wert: Big Blue hat einen Auftrag mit siebenjähriger Laufzeit und einem Volumen von 25 Millionen Euro vom türkischen Fertiger Zorlu bekommen. "Das ist zwar nicht der größte Deal", kommentierten die Forrester-Analysten, "aber Big Blue ist dort hingegangen, wohin sich andere europäische Unternehmen noch nicht trauen."

Die Forrester-Analyse bestätigte zudem das Ende der Ära der Mega-Deals. Lediglich einen europäischen Abschluss mit einem Volumen von mehr als 250 Millionen Dollar haben die Marktforscher entdeckt. "Das ist ein klares Zeichen dafür, dass europäische Firmen sich von großen One-Stopp-Shops im Outsourcing verabschiedet haben", schrieben die Analysten in ihrer Auswertung. Populär seien derzeit kurze und fokussierte Projekte. (jha)