CRM in der Praxis

Immer im Kontakt mit dem Kunden

02.06.2004 von Heide Witte
Kunden-Management ist im Mittelstand noch immer vor allem eine Sache des Vertriebs. Im Servicebereich hingegen wird das Thema eher stiefmütterlich behandelt. Dabei bringt ein funktionierendes Beschwerde- Management eine dynamische Verbesserung der Kundenbeziehungen.

PROFESSIONELLES Kundenbeziehungs- Management (neudeutsch Customer- Relationship-Management, CRM) zahlt sich aus. Das zeigt das Beispiel der Isabellenhütte Heusler GmbH KG. Der Werkstoffhersteller mit 330 Mitarbeitern spart mit seiner CRM-Lösung eigenen Angaben zufolge rund 3300 Arbeitsstunden im Jahr ein. Damit habe sich die Einführung der Software „Genesisworld“ der Karlsruher CAS Software AG „in weniger als einem Jahr“ amortisiert, erklärt CRM-Projektleiter Patrick Hofmann.

Hofmann erhielt mit seiner Lösung im November 2003 auf der Kölner Fachmesse CRM-Expo den CRM-Best-Practice- Award in Gold. Er ist überzeugt, dass sich viele Unternehmen durch übertriebene Anforderungen selbst ausbremsen: „Auch ein gutes System löst nicht alle organisatorischen Probleme einer Firma. Die CRM-Einführung bietet jedoch die Chance, ein Unternehmen aufzuräumen und eine optimierte Organisationsstruktur leistungsfähig abzubilden.“ Wesentliche Zielsetzung bei der Implementierung war die schnelle und vollständige Erfassung aller Kunden-, Lieferanten- und Partnerkontakte. Damit sollten neben einer höheren Kundenzufriedenheit beispielsweise auch ein strukturiertes Aufgaben-Management und die schrittweise Auflösung der klassischen Ablage erreicht werden.

„Wir haben jeden Arbeitsplatz unter die Lupe genommen und die künftigen Anwender nach ihrer voraussichtlichen Nutzungsintensität in Gruppen eingeteilt“, erklärt Hofmann. Verschiedene Arbeitsprozesse wurden sogar mit der Stoppuhr gemessen. Auf dieser Basis habe man sehr pragmatisch den Bedarf und das Unterstützungspotenzial der Mitarbeiter ermittelt. „Zudem wurden Schlüsselanwender in Vertrieb und Verwaltung frühzeitig in den Entscheidungsprozess eingebunden.“ Zunächst arbeitete eine Pilotgruppe mit einer Testinstallation der Software. Auf Grundlage der Arbeitsergebnisse dieser Gruppe wurden dann die internen Arbeitsabläufe optimiert, und schließlich wurde die Software stufenweise an über 50 Arbeitsplätzen in Vertrieb, Verwaltung und Entwicklung installiert.

Mitarbeiter einbezogen

„Die Einführung eines CRM-Systems verändert Arbeitsabläufe“, konstatiert Hofmann. Und Veränderungen seien nicht immer willkommen. Bei Isabellenhütte wurden die Mitarbeiter deshalb in den Veränderungsprozess einbezogen. Das Prozedere: An jedem Arbeitsplatz wurden die Arbeitsprozesse analysiert, und man stellte sich die Frage, ob wirklich jede Aufgabe notwendig ist und ob sie durch die Unterstützung eines CRM-Systems schneller und besser erledigt werden kann. „Skeptiker wurden individuell betreut, und der Nutzen für Kunden und Mitarbeiter wurde deutlich herausgestellt.“ Die pragmatische Vorgehensweise habe sich auch hier bewährt: Es wurden nur die Aufgaben in der CRM-Lösung abgebildet, die für die Mitarbeiter nachvollziehbar waren. „Wir wollten nicht die gesamte Funktionalität auf einmal einsetzen, sondern schnell mit denjenigen Funktionen arbeiten können, die für unsere Kundenbetreuung entscheidend sind“, fasst der Projektleiter zusammen.

„Heute sparen alle eingebundenen Mitarbeiter pro Tag im Durchschnitt 14 Minuten an wertvoller Arbeitszeit, im Vertriebsbereich sind es täglich sogar bis zu 30 Minuten“, so Hofmann. Bezogen auf die eingebundenen Arbeitsplätze summiert sich dieser Wert auf 3300 Arbeitsstunden pro Jahr. Damit haben sich die Kosten amortisiert.

Tagesaktuelle Daten

„Der Vertrieb ist meine Domäne“, sagt Thomas Bischoff, Geschäftsführer von Bischoff & Bischoff (B&B). Als Bischoff 1997 an den Start ging, war ihm sofort klar, dass er mittelfristig ein professionelles Kunden-Management-System benötigt. Seit 2000 setzt B&B nun ebenfalls die CRM-Lösung Genesisworld an 45 Arbeitsplätzen in Karlsbad und im Logistikzentrum in Bremerhaven ein. Bischoffs Intention: „Entscheidend war für uns die Möglichkeit, Warenwirtschaft, Kunden-Management und Projektabwicklung mit einer integrierten Lösung abzubilden.“ Die Implementierung wurde einem Softwarehaus übertragen, das die Anbindung der CRMGroupware an die kaufmännische Software Sage Office Line und verschiedene Anpassungen realisierte. Bereits nach zwei Monaten wurde mit dem System gearbeitet.

Als Geschäftsführer benötige er tagesaktuelle Daten, um die richtigen Entscheidungen fällen zu können, betont Bischoff. Mit einem Mausklick habe er nun im Blick, wie weit beispielsweise Messeplanung, Marketingaktivitäten oder Verhandlungen mit einem ausländischen Lieferanten vorangeschritten sind. Auch für größere Projekte mit einem Planungsbudget von mehreren hunderttausend Euro habe sich die CRM-Lösung bewährt. Für die jährliche Branchenmesse hat B&B beispielsweise ein Projekt definiert, das rund 150 Aufgaben von der Planung über Standaufbau und Catering bis zur Nachbereitung umfasst. Dieses Projektmodell wird bei Bedarf aktualisiert und steht den Mitarbeitern im folgenden Jahr wieder zur Verfügung. Der Aufwand für künftige Messen reduziere sich damit um 75 Prozent. „Auf diese Weise kann man enorm viel Zeit und Geld sparen. Bei uns hat sich die Lösung nach rund drei Monaten bezahlt gemacht“, so Bischoff über den Return on Investment (RoI).

„Um Kunden zielgenau ansprechen zu können, ist ein differenzierter Wettbewerbsvergleich Voraussetzung“, erklärt Bischoff. Mit der CRM-Lösung sieht Bischoff nun sofort, wo seine Produkte gut abgeschnitten haben und bei welchen Kunden es noch Steigerungsmöglichkeiten gibt. Denn die Außendienstmitarbeiter hinterlegen alle Informationen über Wettbewerber in der Maske „Besuchsbericht“. „Damit ermittle ich alle Kunden, die sich wegen des Preises, der Qualität oder der Lieferzeiten für einen anderen Hersteller entschieden haben. Auf dieser Grundlage können wir unsere vertrieblichen Maßnahmen optimieren und diese Kunden mit besonderen Angeboten gezielt ansprechen“, sagt Bischoff. „Das ist Vertriebs- Management auf höchstem Niveau“, erklärt er stolz.

Während sich die Vorteile von CRM-Systemen beim Einsatz im Vertrieb in mittelständischen Unternehmen herumgesprochen haben, werden laut einer Marktuntersuchung des Karlsruher Beratungsunternehmens Schwetz Consulting entsprechende Lösungen im Service-Bereich relativ selten genutzt. Die Folge: Wichtige Informationen aus dem Beschwerde-Management fließen nicht zurück in die Produktentwicklung und Prozessverbesserungen. Doch: „Ein Kunde, der sich beschwert, drückt sein Interesse am Fortbestehen der Geschäftsbeziehung aus“, meint Mathias Jahn, Client-Relationship-Manager bei Imagin Prof. Bochmann. Eine Analyse des Marktforschungsinstituts Vocatus aus München bestätigt diese Aussage. Sie kommt zu dem Schluss, „dass 58 Prozent der Kunden, die auf ihre Beschwerde eine Antwort erhielten, wieder bei dem Unternehmen einkaufen, über das sie sich zuvor geärgert hatten“. Diese Quote sank auf 28 Prozent, wenn die Kunden keine Antwort erhielten. Kundenkontakt-Management kann also die Bindung selbst vorerst unzufriedener Kunden an das Unternehmen stärken. Damit bietet es eine gute Grundlage für die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen - und für die Weiterentwicklung des Unternehmens.

Das Beschwerde-Management muss dabei unternehmensinterne Abläufe nicht komplizierter machen. Eine klar definierte Struktur für das Entgegennehmen und Bearbeiten von Beschwerden kann den Experten zufolge in einem ersten Schritt bereits durch übersichtliche Formulare verbessert werden. Wer Kundenreaktionen qualitativ und quantitativ auswerten wolle, finde in intelligenten Anwendungen für das CRM gute Lösungen. Damit könne der Anwender das reaktive Kundenbeziehungs- Management zur aktiven Unternehmensentwicklung nutzen. Und nicht zuletzt biete es auch eine Grundlage, um in Sachen Produkthaftung schnell alle relevanten Fragen beantworten und Probleme lösen zu können.

Zügige Einführung

Weitere Potenziale im Service- und Helpdesk-Bereich wollte die Firma Reis Robotics ausschöpfen. Eher zufällig sei man dabei auf eine CRM-Lösung gestoßen, erklärt Christoph Knorr, EDVAbteilungsleiter bei Reis.

„Wir wollten die Kundenzufriedenheit erhöhen, eine Wissensdatenbank aufbauen, durch gezielte Statistiken die Produkte verbessern sowie Potenziale innerhalb der Inbetriebnahme unserer Produkte optimieren - und uns fehlte eine Anlagenhistorie.“ Reis Robotics entschied sich für die Software „Marketing Manager“ der Update Software AG, die ihren Hauptsitz in Wien hat. Die Kriterien bei der Auswahl waren unter anderem die verfügbaren Sprachen, die Client/-Server-Architektur, der modulare Aufbau, XML-basierende Schnittstellen, umfangreiche Anpassungsfunktionen und die Microsoft-Office-Integration.

Die Einführung verlief zügig. „Nach einem halben Jahr konnte bereits effektiv damit gearbeitet werden“, sagt Knorr. Die größte Hürde war für ihn die Vernetzung der Systeme, „damit wir auf vorhandenen Daten aufbauen konnten und nicht alle Informationen neu eingetippt werden mussten“.

Die CRM-Implementierung verlief in mehreren Phasen: Im ersten Schritt wurde der Service-Innendienst eingebunden. Hier fließen alle Daten aus dem direkten Kundenkontakt ein - telefonisch, per Fax oder E-Mail. Damit werden laut Knorr die Kundenstammdaten optimiert: „Wir erhalten eine Anlagenhistorie und bauen eine Wissensdatenbank auf, die auch Informationen über Fehler, deren Ursachen und Maßnahmen zur Behebung enthält.“

In Phase II folgte die Integration von Informationen, die bei der Inbetriebnahme von Anlagen anfallen. Dieser Bereich sei nun transparenter. „Bei unseren Produkten handelt es sich ja um komplexe Projekte. Wenn beispielsweise eine Projektgruppe irgendwo in der Welt eine Anlage in Betrieb nimmt, müssen wir über den Projektfortschritt oder über auftauchende Probleme Bescheid wissen“, so Knorr. Die Informationen werden dann täglich in beide Richtungen - Innendienst und Außendienst - synchronisiert.

Die so gewonnenen Daten werden an die entsprechenden Abteilungen wie Produktentwicklung und Vertrieb weitergegeben. Außerdem fließen sie über eine Schnittstelle in das Qualitäts-Management mit den Komponenten Lieferantenbewertung, Reklamations-Management und Seriennummernverfolgung ein. Geplant ist nun die nächste Ausbaustufe: „ In Phase III soll das CRM-System auf den gesamten Vertrieb ausgedehnt werden.“ Insgesamt steigt die Zahl der Anwender dann von heute 25 auf 160.

Digitale Kundenakten

Die enge Einbindung von Außendienstmitarbeitern in einer dezentral organisierten Vertriebsstruktur erreichte die Sennheiser Vertrieb und Service GmbH & Co. KG mit ihrer CRM-Lösung. Zum Einsatz kommt hier eine Lösung des IBM-Partners GIS Gesellschaft für Informationssysteme mbH, Hannover. „Für uns ist es besonders wichtig, dass alle Mitarbeiter auf aktuelle Kundeninformationen sowie einheitliche Kommunikationsmittel zugreifen können, da das Vertriebssystem dezentral organisiert ist“, erklärt Ties Christian Gerdes, Geschäftsführer Sennheiser Vertrieb und Service. Die Mitarbeiter der Bereiche Marketing und Vertrieb sollten eine zentrale Plattform erhalten, über die sie sämtliche Kampagnen- und Kontaktdaten abrufen können.

„Die bereits bestehenden Datenbanken basieren auf IBM Notes Domino 6.5 und sind mit einem Enterprise-Resource- Planning (ERP)-System von J.D. Edwards verknüpft. Bedingung war, dass die CRMSoftware schnell zum Einsatz kommen kann und sich nahtlos in die existierende Umgebung einfügt“, sagt Gerdes.

Innerhalb von sieben Monaten habe ein dreiköpfiges Team die Integration der CRM-Anwendungen in die bestehende IT-Infrastruktur gemeistert. Dabei fungiere das Modul „GIS Navigator“ als zentrales Portal - als Einstiegsseite für alle CRM-Anwender. Mit diesem Navigationswerkzeug können Mitarbeiter zum einen über eine Kommunikationslösung des österreichischen Unternehmens Topcall direkt aus dem System heraus faxen. Zum anderen haben sie die Möglichkeit, auf sämtliche relevanten Daten zuzugreifen - vom Adress- Management über Preis- und Konditionenlisten bis hin zu persönlichen Daten wie E-Mails und Terminkalender.

Gleichzeitig können die Nutzer auch auf das Intranet oder interne Diskussionsbeiträge zugreifen. „Diese Lösung bindet vor allem unsere Außendienstmitarbeiter enger in das Unternehmen ein und bietet ihnen die Informationen, die sie für ihre Arbeit benötigen“, erklärt Gerdes.

Die Akzeptanz bei den Außendienstmitarbeitern sei hoch - bedeute die Lösung doch das Ende der Papierformulare, die durch den direkten Zugriff auf das CRM-System wegfallen. Die CRM-Komponente GIS Adressund Korrespondenz-Management unterstütze elektronische Formulare und übergebe alle geänderten Kundenstammdaten sowie die erstellte Korrespondenz in das System. „In die elektronischen Formulare fließen automatisch die Kundenstammdaten ein, so dass komplette Vorgänge in den digitalen Kundenakten vorgangsbezogen abgebildet vorliegen“, so Gerdes. Der anschließende Abgleich der Daten sowie die Datenintegration zwischen CRMSystem und den ERP-Anwendungen - die auf der Datenbanksoftware DB2 und dem IBM Server I-Series basieren - erfolgten über den Lotus-Enterprise- Integrator. „Durch die Replizierung der Datensätze werden redundante Daten vermieden, und jeder Nutzer erhält Zugriff auf die aktuellen Informationen“, fasst er zusammen.

In der ersten Projektphase hat der Sennheiser-Vertrieb zusätzlich die Funktionen zum Opportunity-Management sowie zum Kampagnen- und Kontakt-Management implementiert. „So konnten die Mitarbeiter eine Datenbasis schaffen, indem sie mit entsprechenden Tools die im ERP-System vorhandenen Daten, also unter anderem auch Kundenadressen, um ,weiche‘ CRM-Daten wie Kundenzufriedenheit oder Wiederverkaufsraten ergänzten“, beschreibt GIS-Geschäftsführer Andreas Hiller den Projektablauf. „In der zweiten Projektphase haben wir dann die Daten für zielgerichtete Kampagnenplanungs- und Außendienststeuerungs- Prozesse zur Verfügung gestellt.“

Die Beispiele zeigen: Für welches System sich der Anwender letztlich auch entscheidet - die Software ist immer nur ein Teil der Lösung. Für CRMPreisträger Patrick Hofmann von der Isabellenhütte Heusler waren vor allem zwei Punkte erfolgsentscheidend: „CRM wurde nicht als Softwarelösung, sondern als Unternehmensstrategie betrachtet - und die Geschäftsführung stand hundertprozentig hinter der CRM-Vision.“ (uk)