Agiles Projektmanagement

Im Sprint spürbaren Nutzen im Projekt stiften

21.10.2015 von Jürgen Gansen und Joachim Behl
Wer die Ergebnisse von IT-Projekten verbessern und beschleunigen will, sollte über den Einsatz agiler Methoden im Projektmanagement nachdenken.

Viele IT-Projekte beginnen mit einem Zielkonflikt: Ausdifferenzierte Ergebnisse erreichen und gleichzeitig mit festem Budget schnell ans Ziel gelangen. In der klassischen Projektmanagement-Methodik sind diese beiden Pole kaum miteinander zu verbinden. Denn die meisten Beteiligten müssen ihre Projektaufgaben zusätzlich zu ihrem Alltag bewerkstelligen. Und die Projektteams arbeiten häufig nicht als geschlossene Einheiten zusammen, sondern vereinzelt an getrennten Orten, ohne eng miteinander verzahnt zu sein.

Agiles Projektmanagement sieht wiederkehrende Durchläufe des Management-Prozesses vor.
Foto: Aysezgicmeli - shutterstock.com

Nach der gemeinsamen Abstimmung über die Projektziele kommen sie oft erst bei der Bündelung der Ergebnisse wieder zusammen. Einmal in Gang gesetzt, lassen sich die Projektziele bei der sogenannten Wasserfallmethodik oftmals erst am Ende wieder überprüfen - verbunden mit dem Risiko, dass sich die IT-Trends in einer sich rasch entwickelnden Business-Welt bereits wieder verändert haben.

Wer diesen Herausforderungen kreativ begegnen will, kann von der Vorgehensweise der Softwareentwickler profitieren und deren Methoden auf sein Projektmanagement übertragen. Das Scrum-Framework als eine Ausprägung agiler Methoden und ähnliche Vorgehensweisen stehen für eine sehr strukturierte enge Zusammenarbeit eigenverantwortlicher Teams mit straffer Führung - zum Beispiel durch den Scrum Master - und schnelle Erfolge. Sie sehen die Bearbeitung der Aufgaben als iterativen und inkrementellen - also sich wiederholenden und auf Verbesserungen ausgerichteten Prozess in Teilabschnitten mit regelmäßiger Rückschau und Analyse der dabei gewonnenen Erkenntnisse.

Entstanden ist die agile Programmierung, um mit dem Wandel der Business-Anforderungen Schritt zu halten und die Time-to-Market, also die Zeitspanne bis zur Einführung eines Produkts, deutlich zu verkürzen. In ähnlicher Weise lassen sich die Teilergebnisse von IT-Projekten, die mit agiler Methodik bearbeitet wurden, auch früher nutzen. Das setzt jedoch ein hohes Maß an Methodendisziplin voraus, denn im Projektteam muss jeder seine Funktion wahrnehmen und die damit verbundenen Aufgaben termintreu erledigen. Dafür steht am Ende eines jeden Projekt-Sprints bereits ein verwertbares Ergebnis, das eigenständigen Nutzen stiftet.

So profitiert beispielsweise ein Unternehmen, das an der Umstellung seines Produktivsystems arbeitet, sofort von einer Konsolidierung der Stammdaten, die innerhalb eines Sprints erarbeitet wurde. Mit einer soliden Datenbasis steigt automatisch die Effizienz sämtlicher Prozesse, die auf die abgelegten Daten zurückgreifen.

Freiberufler über agiles Projektmanagement
Agile und hybride Methoden des Projekt-Managements ...
... setzen sich immer mehr durch. An der Studie von Gulp haben sich 114 IT- und Engineering-Experten beteiligt.
Agile Methoden gefragt
Gulp zufolge hat die Nutzung agiler Methoden in den vergangenen zwei Jahren massiv zugenommen. Immerhin jeder zwanzigste Befragte konnte keine Methode identifizieren oder hat keine angewendet.
Hybrid liegt im Trend
Trotz des Ausbaus agiler Methoden werden die meisten Unternehmen einen Mix anwenden, erwarten die Befragten.
Geht es ums Geld und die Terminplanung ...
... sehen die meisten Befragten agile Methoden nicht als die bessere Wahl an - zumindest nicht mit Blick auf IT-Projekte.
Was Auftraggeber wollen
In mehr als jeder zehnten Projektanfrage verlangen die Auftraggeber auch Kenntnisse in agilen Methoden von den Freelancern.
Stefan Symank, Marketingleiter von Gulp
"Man nimmt die bewährten Methoden und erweitert sie um neue effiziente und nachhaltige Ansätze. Hieran lässt sich sehr gut erkennen, wie lebendig und progressiv das Projekt-Management in seiner Funktion ist."

Das Beispiel macht deutlich, worin die Kunst der Projektplanung und Methodenauswahl liegt: in der Reduktion der Komplexität des Gesamtprojekts unter Berücksichtigung der vertraglichen und organisatorischen Voraussetzungen. Wenn es gelingt, die optimale Methodik zu finden, lassen sich die gewünschten Effekte leicht in konkrete Projektanforderungen übersetzen. Um eine agile Vorgehensweise möglichst gewinnbringend einzusetzen, ist es darüber hinaus erforderlich, einzelne Projektelemente zu abgeschlossenen Einheiten zusammenzufassen, die sich sinnvoll bearbeiten lassen und für sich genommen bereits ein Nutzen stiftendes Ergebnis erzielen.

Klassisch versus agil

Der größte Unterschied und Vorteil der agilen Methodik gegenüber dem klassischen Projektmanagement besteht in ihren schnell aufeinander folgenden Bearbeitungszyklen. Darüber erhalten die Bearbeiter schnellstmöglich das Feedback ihrer Auftraggeber. So treten Lernerfolge schneller ein - und sie können unmittelbar auf den gesamten Projektkontext übertragen werden. Das bedeutet außerdem, dass sich Korrekturen deutlich schneller und mit geringerem Aufwand vornehmen lassen.

Dem stehen aber auch höhere Anforderungen an die Projektbeteiligten entgegen. Anders als in nach Wasserfallmethodik organisierten Projekten müssen sich die Bearbeiter enger aufeinander abstimmen. Und sie benötigen deutlich mehr zusammenhängende Zeit für ihre Projektaufgaben. Sie müssen also aus der täglichen Linie befreit werden. Darüber hinaus sind die Teams auch auf direkten Kontakt zu den Entscheidungsträgern angewiesen, um sich beispielsweise zur Übernahme von Lernerfolgen für die weitere Projektarbeit abstimmen zu können.

Auch inhaltlich unterscheidet sich die agile Methodik in einer entscheidenden Hinsicht: Sie orientiert sich stärker an dem, was inhaltlich erreicht werden soll, an Prämissen, die auf einen zu erreichenden Nutzen abzielen. Sie erfüllt deshalb nicht die Vorgaben eines starren Projektplans, der schrittweise und dogmatisch abgearbeitet werden muss. Das gesamte Vorgehen ist darauf ausgerichtet, auf den angestrebten Projektnutzen hinzuarbeiten.

Mit Blick auf alle diese Vorteile muss aber auch gesagt werden, dass sich agile Methoden nicht ausnahmslos für jedes Projekt eignen. So entfaltet das klassische Projektmanagement beispielsweise dann seine Stärken, wenn es um Organisations- oder Beschaffungsprojekte geht und sich die Projektziele in Kennzahlen angeben lassen.

Auch bereits im Vorfeld definierbare Meilensteine sprechen dafür, mit klassischer Steuerung zu arbeiten. Gleiches gilt bei größeren und verteilt arbeitenden Projektteams, die externe Dienstleister einbinden müssen. Über solche Projekte werden in der Regel Kauf- oder Werkverträge geschlossen und wichtige Entscheidungen vom Auftraggeber turnusgemäß getroffen. Darüber hinaus bestehen hohe Anforderungen an die Dokumentation der Ergebnisse, die in der Regel nach Abschluss der Arbeiten erfolgt.

Welche Projektmethode für welche Ziele?

Auswahlkriterium für die sinnvolle Projektmanagement-Methode

Tendenziell eher "klassisch"

Tendenziell eher "agil"

Projektart

- Organisationsprojekte

- Beschaffungs- und Investitionsprojekte, auch: Einführung von Standardsoftware ohne größere Anpassungen/ Erweiterungen

- Softwareentwicklungsprojekte, auch: Einführung von Standardsoftware mit größeren Anpassungen/ Erweiterungen

Projektziele

- Die Projektziele sind eindeutig und messbar (SMART-Prinzip) zu formulieren.

- Rahmenbedingungen: Einhaltung von Zeit, Budget und Qualität

- Die Projektziele sind eher (noch) unpräzise, es sind im Projektverlauf Änderungen bei Zielen und Anforderungen zu erwarten.

-Es können aber zumindest "Etappen-Ziele" definiert werden.

- Rahmenbedingung: Priorität liegt bei "time-to-market"

Projektschritte/ Arbeitspakete

- Das Projekt lässt sich von Anfang bis Ende in Phasen und Projektschritten planen und zu Meilensteinen messen.

- Die Anforderungen sind klar und dienen als Grundlage für die Planung der Arbeitspakete.

- Der Nutzen des Projektes entsteht mit Umsetzung des Gesamtprojektes bzw. von Teilprojekten/Releases.

- Das Projekt lässt nicht zu, dass man von Anfang bis Ende verlässlich durchplanen kann§ Zu bearbeitende Themen oder Funktionen sind nur grob bekannt.

- Neue Erkenntnisse aus den Projektschritten vorher fließen in den nächsten Schritt ein.§ Es ergeben sich so von Etappe zu Etappe Änderungen.

- Verwertbarer Nutzen wird in den einzelnen Etappen sofort wirksam.

Auftraggeber

- Der Auftraggeber ist bekannt (berechenbar) und hat klare Anforderungen.

- Er denkt strukturiert (in Aktivitäten und Prozessen).

- Er ist das Arbeiten mit Projekt-, Termin- und Meilensteinplänen gewohnt und trifft notwendige Entscheidungen (in der Regel in turnusmäßigen Projektmeetings).

- Der Auftraggeber ist noch relativ unbekannt und eher "unberechenbar", er hat noch keine 100%ig klaren Vorstellungen.

- Er trifft aber die aus den erarbeiteten Ergebnissen erforderlichen Entscheidungen.

- Der Zugriff auf den/die Entscheidungsträger ist direkt und zeitnah.

Projektteam

- Das Team ist in der Regel. relativ groß und auf verschiedene Standorte verteilt.

- Das Team benötigt klare Vorgaben.

- Einige Mitarbeiter sind zum wesentlichen Teil durch das Tagesgeschäft gebunden.

- Das Team ist eher klein und an einer Lokation tätig.

- Die Kommunikation ist sehr direkt unter allen Projektbeteiligten möglich.

- Das Team kann selbständig arbeiten.

- Die Mitarbeiter stehen dem Projekt (für bestimmte Zeitabschnitte) voll zur Verfügung.

Externe Beteiligte/ Dienstleister

- Mehrere externe Lieferanten sind eingebunden.§ Es bestehen intensive Abhängigkeiten von deren ordnungsgemäßen Zulieferungen.

- Vertragsbasis sind Kauf- oder Werkverträge mit klar definierten Leistungen, Arbeitspaketen, Ergebnissen und Terminen, ggf. Festpreis.

- Häufig keine oder wenige Lieferanten§ keine oder geringe wechselseitige Abhängigkeiten.

- Keine vertraglichen Einschränkungen.

Anforderungen an die Dokumentation

- Um die Lösung künftig weiterentwickeln und pflegen zu können (Produktlebenszyklus), oder aus anderen internen oder externen/rechtlichen Gründen bestehen hohe Anforderungen an die Dokumentation.

- Diese erfolgt zum Teil nachgelagert am Ende des Projektes.

- Geringere interne und externe Anforderungen, Dokumentation für künftige Zwecke eher weniger wichtig.

- Leitgedanke: Der Nutzen steht im Vordergrund. Es muss das dokumentiert werden, was erforderlich ist.

- Diese Dokumentation ist Bestandteil des agilen Vorgehens (Dokumentation zeitgleich zu den Arbeiten).

Ein genauerer Überblick dazu, welche Projektmanagement-Methodik sich jeweils am besten eignet, bietet die obige Entscheidungsmatrix. Grundsätzlich gilt: Je mehr Bedingungen aus derselben Spalte auf das Vorhaben zutreffen, desto besser eignet sich die damit verknüpfte Managementmethode für die Projektsteuerung. Die Übersicht zeigt auch, dass sich für einzelne Teilprojekte durchaus unterschiedliche Methoden am besten eignen können.

Deshalb empfiehlt es sich in der Praxis, in solchen Projekten einen Methodenmix oder den sogenannten hybriden Ansatz zu nutzen. Dann lässt sich beispielsweise der organisatorische Teil eines Projekts klassisch steuern, während die Softwareanpassung mit agilem Vorgehen bearbeitet wird. (bw)