IT GmbH

Im Haifischbecken

25.11.2009 von Joachim Hackmann
Der Ansatz, die interne IT in eine GmbH auszugründen, um externe Kunden zu gewinnen, ist gescheitert. Doch nicht alle IT-Töchter sind am Ende.
Chrisharvey/Fotolia
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Es gibt noch IT GmbHs, die sich am externen Markt behaupten. Wichtige Vertreter der mittlerweile seltenen Spezies sind etwa T-Systems (Deutsche Telekom), Siemens IT Solutions and Services (SIS) und Arvato Systems (Bertelsmann). Dank ihrer Größe haben sie es geschafft, sich im Haifischbecken der IT-Dienstleister einen Platz zu erkämpfen. Die Telekom-Tochter ist einer der führenden IT-Dienstleister im Lande, SIS konzentriert sich auf Projekte und Service im Umfeld der Siemens-Bereiche und -Kunden, und auch Arvato Systems schlägt sich wacker im Markt. Anbieter wie Fiducia und GAD sowie Finanz Informatik sind zwar groß, bedienen aber nahezu ausschließlich die Mutter- und Schwestergesellschaften. Darüber hinaus gibt es kleine Anbieter wie die Freudenberg IT, die sich als Hosting-Provider für den Mittelstand behauptet.

Marcus Eul, A.T. Kearney "IT GmbHs sind häufig ein Überbleibsel aus der New-Economy-Ära."
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Die Liste derjenigen, die einen Versuch unternommen und ihre Strategie wieder geändert haben, ist allerdings auch bemerkenswert: Unter anderem haben Thyssenkrupp, Rheinmetall, Volkswagen, RAG, die Drägerwerke und Vorwerk in den vergangenen Jahren ihre IT-Töchter verkauft oder aus dem Drittmarktgeschäft zurückgepfiffen. Selbst Lufthansa Systems, lange Zeit ein Vorzeigeunternehmen unter den IT GmbHs, reduziert das Drittmarktgeschäft. Künftig wird der Anbieter extern nur noch SAP-Beratung betreiben. Das volle Sortiment bietet Lufthansa Systems lediglich Kunden aus der Luftfahrtbranche an. Bestehende Verträge mit Abnehmern anderer Branchen, die Infrastrukturleistungen beziehen, verlängert die Kranich-Tochter nicht mehr. Das Unternehmen begründet dies mit einer Portfoliobereinigung (siehe Lufthansa Systems steigt aus). "IT GmbHs sind häufig ein Überbleibsel aus der New-Economy-Ära, als alle an den Drittmarkt wollten. Damals hat man der IT alles zugetraut", beschreibt Marcus Eul, Vice President und Partner bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney, das nur in Deutschland zu beobachtende Phänomen.

Die Nachteile: Komplexität, dürftiges Drittmarktgeschäft

Hohe Komplexität: Ein wichtiger Beweggrund für die Ausgründung ist die Aussicht auf mehr Transparenz. Die Beziehung zwischen der IT-Tochter und den Kunden in den Fachbreichen wird auf eine Ebene gehievt, die einem externen Outsourcing vergleichbar ist. Die Servicepakete sowie ihre Qualitätsstufen und Preise werden definiert, außerdem sorgen klare Schnittstellen für einen geordneten Ablauf. "Diese Transparenz wird zum Teil teuer erkauft, weil die Zusammenarbeit von Geschäftseinheiten und IT enorm kompliziert wird", beobachtet Eul. In einem konkreten Beispiel habe sich gezeigt: Überall dort, wo die nachgefragten Services vom Standard abwichen, zogen sich die Verhandlungen und die Entscheidungsfindung enorm in die Länge. Schließlich habe der Konzern zur Reißleine gegriffen. Er lege nun die Demand- und Supply-Organisation wieder zusammen. Bekannt ist auch das Beispiel des RWE-Konzerns, der ebenfalls die Nachfrage- und Lieferorganisation wieder zusammenführte, weil die Reibungsverluste zu groß wurden.

Was CIOs Outsourcing-Anwendern raten
Reinhard Eschbach, Thomas Cook: Transparenz ist das A und O
„Jeder Dienstleister ist nur so gut, wie ihn der Auftraggeber steuert. Outsourcing darf keine Black Box sein: Ich will verstehen, was der Provider macht, und kontrollieren, ob dies in Einklang mit meinen Zielen steht. Die Transparenz der Kosten – sowohl meiner eigenen als auch derjenigen des Providers – halte ich für wichtig. Eine Open- Book-Policy schafft nicht nur Vertrauen, sie ist auch effizienter, weil beide Seiten wissen, welche Hebel sie ansetzen können.“
Ralf Stalinski, Cognis: Akzeptanz beim User schaffen
„Wer auslagert, sollte im Vorfeld eine Art Inventur machen, um einen Überblick darüber zu haben, welche Services in den einzelnen Ländern erbracht werden. Erschwert wird Outsourcing vor allem durch die Kluft zwischen der User-Akzeptanz und der Erwartung des Managements. Es ist ja kein Geheimnis, dass Endanwender eine Standardisierung zunächst als Einschränkung empfinden. Hier ist die interne Kommunikation gefordert, die Belegschaft muss die Vorteile der Maßnahmen nachvollziehen können. “
Walter Friedl, Vistec: Know-how auf Augenhöhe
„Meine goldene Regel lautet: Auf Kundenseite muss es eine Instanz mit mindestens gleichem Know-how geben wie auf der Provider-Seite. Ich habe dafür einen IT-Service-Delivery-Manager für alle Infrastrukturthemen und eine SAP-Managerin für die Applikationen abgestellt. Beide sind dafür zuständig, dass der eingekaufte Service bei unseren Anwendern verlässlich und in guter Qualität ankommt.“
Dirk Ostermann, RAG: Prozesse zerschlagen
„Ganz wichtig: Sie müssen Prozesse zerschlagen. Sowohl im Eigenbetrieb als auch bei einer internen Auslagerung in eine Tochtergesellschaft schwingen sich Abläufe und Kommunikationswege zwischen Nutzer und IT ein, die nicht immer effizient sind. Die Lethargie und die Das-habenwir- schon-immer-so-gemacht-Einstellung müssen Sie durchbrechen. In dieser Phase ist Führung durch Kommunikation gefragt, denn für alle Betroffenen ändert sich viel.“
Carsten Stockmann, Mayflower: Beziehung weiterentwickeln
„Outsourcing ist ein Prozess, den man permanent weiterentwickeln sollte. Das Mühsame und Qualvolle besteht dann darin, die Beziehung so zu gestalten, dass sie auch tatsächlich Vorteile bringt. Das heißt, es geht nicht mehr um die Technik – die hat man ja ausgelagert –, sondern darum, Verbesserungen auf der Geschäftsprozess-Ebene zu erreichen.“
Udo Haarhaus, Dynamit Nobel: Ziele müssen klar sein
„Man muss sich als Auftraggeber über seine Outsourcing-Ziele im Klaren sein. Der Anbieter will das Projekt natürlich unbedingt an Land ziehen. Der Anwender will in der Regel seine Kosten senken. Da herrscht auf beiden Seiten eine gewisse Gier. Aber wenn der Auftraggeber nicht exakt hinterfragt, wie und wo sein Provider die Einsparungen erzielen will, gehen die Partner leicht von unterschiedlichen Annahmen aus.“
Martin Limpert, Preh GmbH: Hoheit über Prozesswissen sichern
„Die wichtigste Motivation für unsere Outsourcing- Aktivitäten war die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Hohe Anforderungen etwa an die 7x24- Stunden-Verfügbarkeit der SAP-Systeme können wir intern nicht gewährleisten. Damit wir den reibungslosen IT-Betrieb für unsere Fachabteilungen sicherstellen können, haben wir die Hoheit über das Prozesswissen und das SAP-Wissen im Hause behalten.“

Fehlende Veränderung: In der Praxis kann die Konstruktion einer IT GmbH eingeschliffene Abläufe nicht aufbrechen. Die handelnden Mitarbeiter auf Lieferanten- und Konsumentenseite kennen sich und schalten nicht einfach um. Ein Dienstleistungsverhältnis lässt sich nicht durch eine gesellschaftsrechtliche Umfirmierung herbeiführen. Zur Veränderung müssen nicht nur die IT-Mitarbeiter bereit sein, sondern auch die Kollegen in den Fachbereichen. Geschieht das nicht, kommt die IT GmbH nicht ans Ziel.

Dürftiges Drittmarktgeschäft: Um ihre IT optimal auszulasten, möglichst günstig zu wirtschaften und die eigenen Mitarbeiter mit den Anforderungen des freien Marktes zu konfrontieren, haben sich viele IT GmbHs in der Vergangenheit dem Drittmarktgeschäft geöffnet. Wirtschaftlich war der Ausflug in den hart umkämpften Servicemarkt selten erfolgreich, und die Lehrstunde für die Mitarbeiter mussten die Unternehmen mit Quersubventionen erkaufen. "Heute verfolgen konzerninterne IT-Dienstleister Drittmarktgeschäfte nicht mehr ausschließlich, um zusätzliche Gewinne zu generieren. Hauptziel ist stattdessen, gegenüber dem Konzern die eigene Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis zu stellen", kommentiert Veit Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Seine Erkenntnis basiert auf einer Erhebung unter acht konzerninternen IT-Dienstleistern aus den USA, Frankreich, Kanada, Schweden, Deutschland und der Schweiz, in deren Verlauf Schulz und sein Institutsleiter, der Wirtschaftsinformatik-Professor Walter Brenner, viele intensive Diskussionen mit den verantwortlichen Managern führten. Die Ergebnisse der Analysen werden demnächst in dem Buch "Die Zukunft der IT in Unternehmen" veröffentlicht. Die Zweigleisigkeit, einerseits optimale IT-Unterstützung für den Konzern zu liefern, andererseits auf dem externen Markt erfolgreich zu sein, ist kaum praktikabel. Im Drittmarkt wird häufig eine Art Mitnahmegeschäft betrieben, um Stückkosten für den Mutterkonzern zu senken oder um die Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe von Referenzkunden nachzuweisen. Ein Ausbau der Drittmarktaktivitäten ist meist nicht geplant.

Hohe Kosten: Ein weiteres Mittel, die eigene Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis zu stellen, sind Benchmarks. Weil die IT-Töchter zumindest einen großen Kunden bedienen, konnten sie in der Vergangenheit preislich durchaus mithalten und wurden dadurch zum Schritt in den externen Markt ermuntert. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch geändert und stellen die Töchter vor große Probleme. "Das Servicegeschäft konsolidiert sich in großen Verbünden wie Hewlett-Packard und IBM, es gibt eine starke Konzentration auf Volumen und Größe", beschreibt Hartmut Jaeger, Manager und Berater bei PA Consulting. Darauf können die konzerngebundenen Anbieter nicht reagieren. Sie geraten zunehmend unter Preisdruck, denn gerade in geschäftsunkritischen Segmenten wollen die Mütter keine überhöhten Preise zahlen. Erhebungen zeigen zudem, dass IT-Töchter vergleichsweise viele Mitarbeiter beschäftigen. Sie haben außerdem Schwierigkeiten, IT-Spezialisten zu verpflichten, weil sie als Arbeitgeber in der IT weniger bekannt sind.

Wenig Auslandspräsenz: Geht es um die internationale Versorgung ihres Konzerns, haben die IT-Töchter oft einen Nachteil gegenüber externen Outsourcern. Die konzernnahen Anbieter betreiben viele Projekte, um die Internationalisierung voranzutreiben, dennoch: "60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter einer IT-Tochter arbeiten in der Konzernzentrale, bei der Muttergesellschaft ist das Verhältnis genau umgekehrt", zitiert Schulz ein Ergebnis der Erhebung. Weil sie die ausländischen Niederlassungen nicht mit dem kompletten Serviceportfolio versorgen können, verpflichten die Konzerne für ihre entfernten Standorte externe Provider. Damit hat der Konkurrent bereits einen Fuß in der Tür, und der Vergleichbarkeit steht nichts mehr im Wege.

Die Vorteile: Prozess-Know-how und steigende Qualität

Gutes Prozess-Know-how: Befragt man die Geschäftsführer und Verantwortlichen von IT GmbHs nach ihrem Wettbewerbsvorsprung, nennen sie zuallererst das tiefe Branchen- und Prozess-Know-how, das sie gegenüber externen Providern in die Waagschale werfen. Das gilt insbesondere für kerngeschäftsnahe Applikationen und Abläufe. Darüber hinaus kennen die Mitarbeiter aber auch die Unternehmenskultur und fühlen sich der Gesamtstrategie verpflichtet: "Die oft genannte Branchenkenntnis erstreckt sich nicht nur auf die technische Sicht und Prozesse. Gemeint ist oft auch die Unternehmenskultur und der Umgang untereinander", sagt der Wirtschaftsinformatiker Brenner.

Viele Anwender kennen ihre Sourcing-Kosten nicht
Sparen im Blindflug
Unternehmen lagern aus, um zu sparen, scheuen aber die notwendigen Veränderungen. Das Outsourcing soll kurzfristig Kosten senken, doch einer Erhebung des Beratungshauses PA Consulting Group zufolge geht bei vielen Unternehmen die Rechnung nicht auf.<br/><br/> Auf den folgenden Seiten finden Sie die Ergebnisse der Umfrage.
Interne Kosten
Die Kosten für den externen Bezug sind in der Regeln vertraglich geregelt. Die weiterhin anfallenden internen Kosten kennen viele Unternehmen jedoch nicht.
Reaktion auf die Krise
In Krisenzeiten wollen Unternehmen mehr auslagern. Zudem planen sie, ihre laufenden Verträge neu zu verhandeln.
Trend zum Multi-Sourcing
Das Multi-Sourcing bleibt die Einkaufsstrategie der Wahl für die meisten Unternehmen.
Risiken des Multi-Sourcing
Die Schattenseite des Multi-Sourcing ist die aufwendige Provider-Steuerung. Im Management und in der Integration der externen Dienstleister sehen die Formen die größte Herausforderung.
Kosten Retained Organisation
Wie hoch sind die Kosten der internen Organisation bezogen auf die Kosten des Outsourcing? Die meisten Unternehmen wussten darauf keine Antwort.
Innovationsschwerpunkt Technik
Die Provider führen in der Regel technische Neuerungen ein und verbessern die Qualität der Service-Levels. Direkte und positive Auswirkungen auf das Kerngeschäft haben die Innovationen selten.
Neuverhandlungen angestrebt
Die Anwender streben Kosteneinsparungen an, indem sie den Wettbewerb eröffnen. Selbst wenn sie laufende Outsourcing-Verträge haben, verhandeln sie nicht exklusiv mit dem aktuellen Provider.

Verbesserte Serviceorientierung: Brenners und Schulz` Analysen zeigen, dass mit der Ausgründung in eine IT GmbH oft der Servicegedanke in die ehemalige interne IT-Abteilung Einzug hält. Als operative Gesellschaft ist die Tochter zudem gefordert, IT-Dienstleistungen zu strukturieren und in Service-Level-Agreements sowie Vertragskonstrukte einzubetten. "Das ist extrem wichtig, um die Mitarbeiter als Kunden zu bedienen, denn die Kritik der Geschäftsbereiche an der internen IT-Abteilung richtet sich meist gegen die mangelnde Serviceorientierung", betont Jaeger. Der Vergleich mit der externen Konkurrenz und der Blick darauf, was andere leisten und besser können, können zu Verbesserungen führen.

Steigende Qualität: Gut aufgestellt, werden die IT-Töchter auf Augenhöhe mit den externen Providern arbeiten können. Gegenüber externen IT-Dienstleistern haben sie den Vorteil, nicht dem hohen Margendruck und den Gewinnerwartungen der Anteilseigner ausgesetzt zu sein. Die Verantwortlichen kennen die Defizite der IT-Töchter und arbeiten an der Behebung dieser Mängel, berichtet Brenner. Den St. Galler Wissenschaftlern sind verschiedene Handlungsfelder aufgefallen, auf denen die IT-Töchter sich verbessern müssen. Nachholbedarf besteht etwa in den Bereichen Industrialisierung, Innovationen, Internationalisierung und Wertschöpfungstiefe. In der Regel erbringen die IT-Töchter beispielsweise das Gros der IT-Services selbst. Viele konzerninterne IT-Dienstleister beginnen damit, die Wertschöpfungstiefe zu steigern. Wenn die IT-Dienstleister sich weiter professionalisieren, können sie der externen Konkurrenz Paroli bieten, betonen Brenner und Schulz. Der Konzern hätte dann den Vorteil, exklusiver Kunde zu sein, der von seiner IT-Tochter Services zu marktkonformen Preisen in einer optimalen Qualität bekommt.

Weitere Artikel zum Thema

  • Interne IT-Abteilungen betreiben die IT selbst. Das IT-Budget wird auf die Fachbereiche umgelegt (hier geht es zum Artikel "Interne IT: Hang zur Lethargie").

  • Shared Service Center beliefern nur interne Anwender. Für IT-Dienste sind SLAs und Preise definiert (hier geht es zum Artikel "Shared Service Center: Geteiltes Leid …").

  • Im Outsourcing werden Dienste extern betrieben. Verträge mit Providern regeln Schnittstellen, SLAs und Preise (hier geht es zum Artikel "Outsourcing: Enttäuschte Erwartungen").