Augmented Reality Shopping, Location-based Shopping

Ihr Smartphone weiß mehr als Sie selbst!

11.09.2011 von Simon Hülsbömer
Steht mir die Brille? Passt der Anzug? Wie sieht das Lego-Flugzeug aus? Waren diese Fragen lange ein Fall für den beratenden Einzelhändler vor Ort, kann sie der Online-Kunde heute dank Augmented-Reality-Techniken selbst beantworten.

Legos virtuelle 3D-Modelle haben bereits Kultstatus erreicht. Vor dem Kauf im stationären Lego-Shop hält der Kunde die mit QR-Code versehene Verpackung in die Kamera einer "Digital Box" und bekommt auf dem Bildschirm eine virtuelle, drehbare Rundum-Ansicht des fertigen Spielzeugs. Auch im Lego-Online-Shop gibt es bei einigen Angeboten wie der "Atlantis"-Fahrzeug-Serie diese Möglichkeit: QR-Code ausdrucken, über die Webcam einlesen und das 3D-Modell anschauen.

Kurzum: Analoges Einkaufen und digitales Erleben wachsen als "Augmented Reality Shopping" zusammen (Augmented Reality, kurz AR = erweiterte Realität). Laut einer Umfrage des E-Commerce-Consulting-Unternehmens Elmar/P/Wach von März 2011 halten fast ein Drittel der 64 befragten deutschen Online-Shop-Betreiber diese Technik für einen besonders wichtigen Trend im eCommerce.

Gesicht trifft Kamera

Der Brillenhändler Mister Spex ermöglicht die virtuelle Live-Anprobe via Webcam.
Foto: Mister Spex

AR-Shopping findet nicht nur bei großen Konzernen wie Lego und Ikea statt: So haben mehrere Brillenhändler wie Glasses Direct aus Großbritannien, Ray-Ban aus den USA und auch Mister Spex aus Deutschland auf ihren Sites eine virtuelle Anprobe integriert. Der Kunde hält sein Gesicht in die Webcam und bekommt eine um das ausgesuchte Modell ergänzte Live-Aufnahme zurückgespielt, die sich den Kopfbewegungen in Echtzeit anpasst. Für Thilo Hardt, Produktmanager bei Mister Spex, ist das Vorgehen im Sinne der Online-Kunden. Eine eigene Marktstudie habe ergeben, dass 80 Prozent der Brillenträger vor dem Kauf wissen wollten, wie ihnen eine Brille stehe. "Mit der virtuellen Anprobe verbessern wir das Einkaufserlebnis, steigern die Brillenverkäufe und senken die ohnehin überschaubare Retourenrate", so Hardt. Der Shop verwende die Software seit Juni und habe darauf viele positive Rückmeldungen erhalten. Mister Spex hat sein Angebot der Brillen, die virtuell aufgesetzt werden können, in den vergangenen Wochen von anfangs zwölf Sonnenbrillen auf 500 Brillen aller Art vervielfacht. Auch wurde eine Facebook-Schnittstelle eingerichtet, über die die erweiterten Webcam-Fotos mit Freunden geteilt werden können, um herauszufinden, welches Modell die Online-Bekannten bevorzugen. Eine iPhone-App für die virtuelle Anprobe unterwegs ist noch in Arbeit. Doch die "virtuellen Spiegel", wie sie verschiedene Brillen-Shops anbieten, haben noch einen entscheidenden Nachteil: Sie benötigen fast immer ein spezielles Browser-Plugin respektive eine eigene Software, die zunächst installiert werden muss und für einige Kunden noch ein Hindernis darstellt. So auch bei Mister Spex, das seine 3D-Anprobe nach Angaben von Thilo Hardt demnächst aber komplett auf Flash 11 umrüsten werde.

Von Kopf bis Fuß

UPcload vermisst den Körper via Webcam.

Dass AR-Shopping nicht nur den Kopf, sondern den gesamten Körper betreffen kann, zeigt das Berliner Startup UPcload. Via Webcam misst eine Software den Körper aus und liefert genaue Größenangaben für maßgeschneiderte Kleidungsstücke.

Die Möglichkeiten von AR-Shopping scheinen unbegrenzt - richtig eingesetzt, können sie für Shop-Betreiber zum Kundenmagneten werden. "eShop-Betreiber werden sich künftig schwer damit tun, komplett auf AR-Anwendungen zu verzichten", blickt Thilo Hardt auf die Trends im Online-Handel.

Achtung Supermarkt
Achtung Supermarkt errechnet bei ähnlichen Produkten den jeweiligen Grundpreis und zeigt mit rot und grün an, welches davon teurer beziehungsweise günstiger ist.
Achtung Supermarkt
Die App wird dabei selbst durch unterschiedliche und teilweise exotische Maßeinheiten wie fl., oz oder gal. nicht aus der Fassung gebracht.
Pakete
Pakete hilft fleißigen Online-Shoppern dabei, den Überblick über die erwarteten Sendungen zu behalten.
Pakete
Um den Status eines Pakets im Auge zu behalten, muss der Nutzer nur den Versender/Paketdienst auswählen und die erforderlichen Tracking-Informationen (Bestell- oder Sendungsnummer etc.) eingeben.
Pakete
Anschließend kann sich der Anwender auf vielfältige Weise (Signalton, Vibration) über den Status seiner erwarteten Lieferung informieren lassen, die Einstellmöglichkeiten im Menü lassen fast keinen Wunsch offen.
Wunderlist
Die kostenlose iPhone-App „Wunderlist" der 6Wunderkinder GmbH eignet sich auch wunderbar für Shopping-Listen.
Guenstiger.de
Die App des Preisvergleichsdiensts „Guenstiger.de“ ist Minimalismus und Funktionalismus pur – ideal, wenn man unterwegs schnell einen Preis recherchieren muss.
Guenstiger.de
Nach der Eingabe spuckt die App auf einer Übersichtsseite passende Produkte mit Kurzbeschreibung und Mindestpreis aus.
Gift Plan
Die iPhone-App Gift Plan hilft dabei, über das Jahr hinweg Geschenkideen für bestimmte Personen festzuhalten.
Gift Plan
Sie speichert auch deren Vorlieben, Kleidergrößen und die Anlässe für eine Bescherung, etwa Geburtstag, Hochzeitstag und Ähnliches. Benachrichtigungen stellen sicher, dass kein Festtag übersehen wird.
Kaufda Navigator
Mit dem "kaufDA Navigator" können sich Verbraucher bequem über aktuelle Angebote in der Nähe ihres Standorts oder eines frei wählbaren Ortes informieren, ohne stapelweise Prospekte zu wälzen.
Kaufda Navigator
Die App zeigt außerdem die nächstgelegenen Ladengeschäfte mit allen relevanten Informationen auf einer Umgebungskarte oder Liste an – filterbar nach den Kategorien Einkaufen, Essen und Trinken und Dienstleistungen.
Reposito
Die kostenlose iPhone-App Reposito hilft, Kassenzettel und Quittungen online aufzubewahren, etwa, um spätere Garantieansprüche zu wahren.
Reposito
Dazu wird der Beleg über die iPhone-Kamera aufgenommen...und - falls vorhanden - der dazugehörige Barcode eingescannt.
Reposito
Die App liest anschließend die Produktinformationen aus und verknüpft sie mit dem Kassenzettel. Als Ergebnis sind die Informationen und Rechnungen über sämtliche Einkäufe in einem Online-Archiv erfasst - letztere können bei Bedarf ausgedruckt oder auf dem Display vorgezeigt werden.
Supermarkt Guide
Der "Supermarkt Guide" zeigt auf Basis der aktuellen Standortinformationen nahe gelegene Einkaufsmöglichkeiten in einer Karte (Google Maps)...
Supermarkt Guide
...oder Liste an. In einer Detailansicht erfährt der Nutzer auch wichtige Infos wie Öffnungszeiten, Telefonnummer oder Website - sofern vorhanden.
Snipz
Die kostenlose App listet chronologisch alle neuen Sonderangebote auf - Grundlage davon ist die - etwas "unruhige" Webseite Snipz.de.
Snipz
Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich via Push Notification über neue Deals informieren zu lassen.
Layar
Die kostenlose Anwendung blendet auf Basis von GPS-Informationen in die Kameraansicht eines Ortes zusätzliche Ebenen ein.
Layar
Zum Shoppen bieten sich dabei die Ebenen "Supermarktsuche", "Restaurants", "McDonalds" und eventuell auch "Geldautomaten", falls das Bargeld knapp geworden ist.
Barcoo
Barcoo erlaubt es dem Nutzer, den Strichcode eines Produkts einzuscannen (oder die abgebildeten Zahlen einzutippen) und liefert dann verschiedene Informationen als Ergebnis.
Barcoo
Dazu gehören eine Kurzbeschreibung, bei Lebensmitteln die Angabe von Inhaltsstoffen und die Bewertung von anderen Barcoo-Anwendern. Außerdem zeigt die App an, wo die Ware in der unmittelbaren Nähe oder in Web-Shops erhältlich ist - und zu welchem Preis.
Qype
Dank der Funktion, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe anzuzeigen, eignet sich die kostenlose App des Bewertungsportals Qype auch wunderbar zum Shoppen. Die Ergebnisse in Reichweite des Anwenders werden wahlweise in einer Liste oder auf Google Maps angezeigt und beinhalten neben allgemeinen Informationen (Entfernung, Adresse, Link, Öffnungszeiten) auch - sofern vorhanden - Bewertungen von anderen Qype-Nutzern.

Mobile Konzepte folgen

Thilo Hardt, Produkt-Manager bei Mister Spex, verspricht sich und anderen Online-Händlern viel von Augmented-Reality-Anwendungen.
Foto: Mister Spex

Noch einen Schritt weiter in der Verknüpfung von digitaler und analoger Wirklichkeit geht die britische Supermarktkette Tesco. Mit ihrer südkoreanischen Dependance Home Plus installierte das Unternehmen in zahlreichen Metro-Stationen des asiatischen Landes fotoreale Nachbildungen von Warenregalen samt QR-Code unter jedem dargestellten Produkt. Die wartenden Fahrgäste fotografieren den jeweiligen Code ab und legen das zugehörige Produkt damit gleich in den Warenkorb des Home-plus-Onlineshops. Das erspart den mühsamen Einkauf nach Feierabend und verkürzt die Wartezeit auf den nächsten Zug. Home Plus steigerte seinen Online-Umsatz dank der Augmented-Reality-Anwendung im technikbegeisterten Südkorea, wo jeder fünfte Einwohner ein Smartphone besitzt, nach eigenen Angaben um 130 Prozent.

Setzen Anbieter wie Lego und Mister Spex nur auf das Vorhandensein eines Produkts, einer Kamera und eines Ausgabegeräts, kommt bei Tesco zwingend noch die mobile Komponente hinzu. Dass Augmented Reality Shopping und mobiles, im weiteren Sinne positionsbasiertes, Einkaufen bei der Entwicklung künftiger eCommerce-Konzepte Hand in Hand gehen, zeigen weitere Beispiele.

Mobile Shopping

Das "Immer und überall"-Einkaufen gewinnt dank mobiler Geräte eine neue Qualität. Stellen Sie sich vor, es ist früher Abend und Sie sind auf Reisen. Von daheim kommt ein Anruf: Der Duschkopf ist gerade kaputt gegangen. Wo bekommen Sie jetzt so schnell einen neuen her?

Zweites Szenario: Es ist wieder einmal spät geworden im Büro und Sie haben noch nicht für das Wochenende eingekauft. In fünfzehn Minuten machen die Läden zu und Sie haben keine Ahnung, wo es auf die Schnelle jetzt noch asiatische Gemüsesuppe gibt.

Über die mobile Website der Hagebau- märkte lassen sich die nächstgelegenen Filialen finden und das komplette Online- Angebot samt Preisen durchsuchen.

Die Lösung für solche Probleme steckt heute in beinahe jeder Hosentasche und heißt Smartphone. Dank Apps und mobiler Seiten können Sie Ihre direkte Umgebung nach Geschäften und Produkten durchsuchen und auf dem schnellsten Weg finden. Der gesuchte Duschkopf findet sich beispielsweise im nur zwei Kilometer entfernten Hagebaumarkt, den Sie ohne die Filialsuche via PLZ auf m.hagebau.de aber niemals innerhalb weniger Minuten entdeckt hätten. Die asiatische Gemüsesuppe bekommen Sie zumindest bis zum nächsten Morgen via Amazon App und Morning-Express nach Hause geliefert.

Dein Smartphone weiß mehr als Du!

Facebook Deals belohnt das positionsbezogene Einloggen in den Dienst - dort können Kunden bei teilnehmenden Unternehmen Rabatte und Gutscheine abstauben.

Es gibt auch den anderen Fall: Wer gerade unterwegs und in Shopping-Laune ist, aber nicht weiß, was er oder sie kaufen soll, nutzt Facebook Deals. Der ortsbasierte Dienst prüft die nähere Umgebung auf aktuelle Rabattaktionen und lotst den Anwender in entsprechende Geschäfte und Restaurants. Checkt man dann via Facebook Places in den Locations ein, gibt’s Produkte und Dienstleistungen zum reduzierten Preis oder kostenlos. In den USA sehr beliebt, ist die Zahl der teilnehmenden deutschen Partnerunternehmen noch überschaubar. "Die Unternehmen durchlaufen gerade eine Lernkurve und prüfen, wie das Geschäftsmodell aussehen kann", stellt André Richter, Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur Mindbox fest. Auf zehn Online-Werbekampagnen käme derzeit eine mobile, Tendenz steigend: "Viele Kunden scharren mit den Hufen."

Location-based-Shopping ist die Weiterentwicklung des mobilen Einkaufens: Der Kunde muss nicht mehr wissen, wo er sich gerade aufhält - sein Smartphone weiß es schon und führt ihn durch die Geschäfte. Selbst das Bezahlen kann das Gerät dank Near Field Communications bald übernehmen. (sh)