IFA: Sturm aufs digitale Wohnzimmer

05.09.2006
Nach einem Bummel über die Internationale Funkausstellung (IFA) 2006 scheint klar: Die Zukunft wird breit(bandig), digital - und bleibt trotzdem ziemlich unscharf.

Wände voller Flachbildschirme und Lautsprecherboxen, Türme von HD-TV-Empfängern, DVD-Recordern und Hifi-Anlagen - im Gegensatz zu den vorwiegend auf Firmenkunden fokussierten IT-Fachmessen wie CeBIT und Systems kann sich die IFA ungestraft das Motto "Consumer Electronics unlimited" auf die Fahnen schreiben, ohne um die Gunst von IT-Herstellern zu bangen. Dass diese zahlreich vorhanden sind, obwohl es seit der CeBIT im März kaum Neues zu präsentieren gibt, hängt damit zusammen, dass Privatanwender derzeit in Unterhaltungselektronik investieren, während in den Unternehmen weiter gespart wird. Laut Schätzungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und Eito geben die Deutschen in diesem Jahr 13,1 Milliarden Euro für Unterhaltungselektronik aus. Das wären 8,7 Prozent mehr als 2005.

Nachdem das hochauflösende Fernsehen HDTV bereits auf der IFA 2005 zu einem der wichtigsten Themen auserkoren wurde, sind die Aussteller in diesem Jahr gerne zu einer Zugabe bereit. Kein Wunder, der Markt für Flachbildfernseher hebt ab: Laut Prognosen werden die Deutschen 2006 rund 3,6 Milliarden Euro für LCD- und Plasmabildschirme ausgeben, 70 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Dabei sollen die LCD-TVs ihren Rückstand gegenüber Plasma-Screens aufgeholt haben, wie verschiedene Aussteller erklärten. So sei etwa das Schlierenproblem bei schnellen Bildern, mit dem sich viele frisch gebackene Flachbildschirmbesitzer noch während der Fußball-WM herumärgerten, inzwischen behoben.

Beim Run auf die Flachmänner bietet die Geräteindustrie mit den einheitlichen Logos "HD ready" und "HD TV" zwar eine Orientierungshilfe. Weitgehend unbekannt ist allerdings, dass sich - wie ein Vertreter von Toshiba einräumte - die durch eine größere Anzahl von Bildzeilen erreichte Tiefenschärfe erst ab einer Bildschirmdiagonale von 42 Zoll richtig bemerkbar macht. Ebenfalls gerne verschwiegen wird, dass dem hochauflösenden Fernsehen hierzulande weitgehend die Inhalte fehlen. Aktuell strahlen nur Premiere, ProSieben und Sat 1 gelegentlich HD-Sendungen aus. Die öffentlich-rechtlichen Sender erwägen den Start erst zur Olympiade 2008 in Peking.

Die Verwirrung setzt sich fort, wenn es um die für den Genuss hochauflösender Filme erforderlichen neuen Speichermedien geht. So erleben mit Blu-ray Disc und HD-DVD zwei konkurrierende DVD-Nachfolgeformate zur IFA ihre Markteinführung in Europa. Welches sich auf Dauer durchsetzen wird, ist völlig offen. Zwar verfügt die von Herstellern wie Philips und Samsung unterstützte Blue-ray Disc zweilagig bespielt mit 50 GB über deutlich mehr Speichervolumen als die HD-DVD (30 GB). Bislang sind aber vergleichsweise weniger Titel für Blue-ray verfügbar, die angekündigten Abspielgeräte sind mit Preisen von im Schnitt über 1000 Euro außerdem deutlich teurer. Günstigster Player wird wahrscheinlich Sonys "Playstation 3", die für rund 600 Euro angeboten wird und der Vermarktung von Blu-ray einen Schub geben soll. Allerdings soll die Spielekonsole in Europa anstatt im November nun erst im März 2007 auf den Markt kommen.

Der Standard HD-DVD verfügt wiederum mit Microsoft und Intel über eine starke Unterstützung aus dem IT-Lager und profitiert von den niedrigeren Einstiegspreisen ab 700 Euro. Wer die Entwicklung abwarten und die hochauflösenden Filme lieber auf Festplatte speichern will, tut sich ebenfalls schwer: Einsatzfähige HD-Rekorder fehlen, da noch keine Einigung über den Kopierschutz erzielt wurde.

Auch die Einführung anderer neuer Technologien gestaltet sich schleppend. Beim Handy-TV ist die Vergabe der Sendefrequenzen gerade erst abgeschlossen worden, unklar ist außerdem, mit welcher Technik das Daumenkino gesendet wird. So unterstützt der Mobilfunkanbieter Debitel den DMB-Standard. E-Plus, O2, T-Mobile und Vodafone setzen dagegen auf DVB-H. Mit dem groß angekündigten Internet-Fernsehen IPTV ist der Telekom bislang ebenfalls noch nicht der große Wurf gelungen - Grund für den TK-Riesen, die Technik auf der IFA einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Obwohl es also bei wichtigen Technologien an Standards und technischer Reife fehlt, widmen sich die Aussteller auf der IFA mit Inbrunst dem Trend zum digitalen Heim. So wurde im 600 Quadratmeter großen HD Home Cinema Resort anhand von Einrichtungsbeispielen demonstriert, wo überall ein Flachbildschirm Platz finden kann. Die Bereitstellung der verfügbaren Inhalte, seien es Filme, Musik, Fotos, Fernsehen oder Hobby-Videos, haben sich verschiedene Anbieter unter den Schlagworten Media Center und Digital Home zur Aufgabe gemacht. Als dominierende Softwareplattform hat sich Microsofts Windows XP Media Center Edition etabliert, deren Funktionen demnächst vom Nachfolger Vista Home Premium übernommen werden. Bei den Hardwareplattformen konkurrieren AMD ("Live") und Intel ("Viiv"), während Anbieter wie Cisco oder Netgear die Heimvernetzung angehen. Dazu kommen neue Anwendungen wie die auf der IFA von Fujitsu-Siemens vorgestellte "Follow-Me-TV"-Funktion für sein Viiv-basierendes "Activity Media Center": Zuschauer können damit eine Sendung unterbrechen und auf einem anderen Gerät via Universal Plug and Play ohne Unterbrechung weiterverfolgen.

Professionelle Anwender kamen auf der IFA vor allem in der etwas großspurig als Sonderschau bezeichneten VoIP-World auf ihre Kosten. Neben der Präsentation aktueller VoIP-Telefone wurden auch Komplettlösungen vorgestellt. So zeigte etwa 4S Newcom eine IP-basierende Telefonanlage, deren Software auf einen "iPod Shuffle", sprich USB-Stick, passt. Das Gerät ermöglicht neben typischen Funktionen wie automatischer Rufweiterleitung, Wartemusik oder Konferenzschaltungen auch eine besonders kostengünstige Rufweiterleitung auf Festnetz- und Mobiltelefone. Vorträge und Präsentationen rundeten das Bild ab.

IFA-Produkte und -Trends

IFA-Produkte und -Trends

Handy-PC: Das Berliner Startup Road GmbH präsentiert den lange angekündigten "Handy-PC S101". Das mit einem Touchscreen und einer Tastatur ausgestattete Linux-Gerät soll durch die PC-ähnliche Bedieneroberfläche und zahlreiche Schnittstellen mit den Unzulänglichkeiten und Kompromissen von Smartphones und PDAs aufräumen, ohne auf Telefonieeigenschaften zu verzichten. Verfügbar ist das Stück voraussichtlich Anfang 2007.

www.road-gmbh.de

Brennstoffzellen: Wenn auch noch nicht im Massenmarkt angekommen, sind Brennstoffzellen auf Methanol-Basis längst keine Zukunftsmusik mehr. Der taiwanische Aussteller Antig präsentierte auf der IFA zusammen mit Partnern einsatzfähige System-on-Chip-Module und Ladegeräte für PCs, Drucker, PDAs und Handys.

www.antig.com

Telekom meets Web 2.0: Betastadium erlangt hat der von dem Forschungs- und Entwicklungsinstitut Deutsche Telekom Laboratories entwickelte Location-based Service Qiro, eine Konkurrenz zum mobilen Google Maps. Bei dem bis auf die Gebühren für den Datentransfer kostenlosen Dienst erhält der Nutzer auf seinem UMTS- oder GPRS-fähigen Handy Informationen über nahe gelegene Kinos, Cafes oder WLAN-Hotspots und erfährt die Aufenthaltsorte von befreundeten Qiro-Anwendern.

www.myqiro.de

Strahlenschutz: In der aktuellen Herbst-Winter-Kollektion kommen die ersten mit dem "Eblocker" ausgestatteten Freizeitjacken und Sakkos auf dem Markt. Die Kleidungsstücke weisen ein spezielles Gewebe für Handy-Innentaschen auf, um die Elektrosmog-Gefahr gering zu halten: Aufgrund des 25-prozentigen Silberanteils und eines patentierten Herstellungsverfahrens erreicht "Eblocker" einen amtlich bestätigten Abschirmwert von 99,9999 Prozent. Diese Dämpfungseigenschaft entspricht einer rund zwei Meter dicken Betonmauer.

www.eblocker.de

Für alle(s) offen: Eine neutrale Position zwischen den Fronten Blue-ray und HD-DVD bezieht Fujitsu-Siemens. Der Hersteller will im November mit "Amilo XI 1547" den ersten PC mit HD-DVD-Laufwerk auf den Markt bringen. Ein entsprechendes Gerät für Blue-ray erscheint, sobald die Peripherie verfügbar ist, erklärte Chief Marketing Officer Barbara Schädler. Ende September ist mit "Simplico" zudem ein PC für Computerlaien und Neueinsteiger verfügbar. Eine einfache und intuitive Bedienung sowie Zusatzleistungen wie Schulung und 24-monatiger Vor-Ort-Service zeichnen das Linux-Gerät aus.

www.fsc.de/simplico

Skype-Phone: Philips hat unter dem Motto "Sense and Simplicity" ein schnurloses Skype-Telefon vorgestellt, das ohne PC auskommt. Voraussetzung ist lediglich eine Internet-Verbindung. Die Nutzer können zudem sehen, welche ihrer Kontakte online sind, um sie kostenlos über Skype zu erreichen. Auch gewöhnliche Anrufe über das Festnetz sind möglich, Instant-Messaging dagegen nicht.

MP3-Player als Radiostation: Angesichts der vielen Geräte, die in puncto Design an Apples Erfolg mit dem iPpod anknüpfen wollen, gibt es kaum technische Weiterentwicklungen. Ausnahme ist unter anderem der "G-Flash NG" von Maxfield, der seine Musik über kurze Distanz an Radiogeräte schicken kann. Reine FM-Transmitter ohne MP3-Player zeigen auf der Messe auch DNT mit dem "Musicfly" und Trekstor mit dem "Fox".

Radarwarner und Reiseführer: Bei den Navigationssystemen wurde nicht nur am Preis gearbeitet: So verfügt die neue Generation des Klicktel "Navigator" nicht nur über ein integriertes Telefon- und Branchenbuch. Das Gerät vergleicht außerdem das tatsächliche Fahrtempo mit Streckenangaben und warnt den Fahrer akustisch vor Geschwindigkeitsüberschreitungen, Radarfallen und Staus. Vorwiegend auf Informationen entlang der Reiseroute konzentriert sich der "Merian Scout Navigator", den Ipublish im Frühjahr 2007 auf den Markt bringen will. Bei dem Navigationsgerät sollen die ursprünglich gedruckten und dann digitalisierten Textinformationen zu multimedialem Leben erweckt werden - mit Fotografien, bewegten Bildern, dreidimensionaler Kartografie, Computeranimationen sowie vertonten Texten, Musik und Soundeffekten.