IBMs Berater kommen zu langsam in Schwung

08.07.2004 von Joachim Hackmann
IBMs Beratungsarm Business Consulting Services (BCS) hat enttäuscht. Die Geschäftsziele wurden nicht erreicht, und die Integration von Pricewaterhouse-Coopers Consulting (PWCC) bereitet Probleme. Dennoch gilt das Konzept, Prozess- und IT-Beratung mit Outsourcing-Diensten unter einem Dach zu vereinen, als wegweisend.

Die größten Beratungs- und Projektanbieter in Deutschland

IBM hat sich im Markt für Strategie- und Prozessberatung sowie IT-Projektgeschäft deutlich von den Mitbewerbern abgesetzt (die Umsätzen enthalten zudem Schulungen).  Quelle: PAC

Im Herbst jährt sich die Übernahme der IT-Berater von Pricewaterhouse-Coopers durch IBM zum zweiten Mal. Die bisherige Bilanz fällt äußerst dürftig aus, unter finanziellen Aspekten hat sich der Deal nicht gerechnet. Das Geschäftsjahr 2003, das erste vollständige Jahr, das die PWCC-Berater unter dem IBM-Dach verbrachten, schloss der Unternehmensbereich Business Consulting Services (BCS) gemessen an den Erwartungen dürftig ab. Zwar wuchsen die Einnahmen dieses Bereichs, in dem sämtliche PWCC-Einnahmen konsolidiert werden, um etwas mehr als 3,5 Milliarden Dollar oder 37 Prozent von 9,4 Milliarden auf 13 Milliarden Dollar. Doch da PWCC im letzten Jahr seiner Unabhängigkeit auf Jahreseinnahmen in Höhe von 4,9 Milliarden Dollar verweisen konnte, kann das Ergebnis nicht zufrieden stellen.

Deutsches Geschäft rückläufig

"Wir hatten ein schwieriges Jahr 2003, auch in Deutschland", bilanzierte Martin Jetter, seit März 2004 Geschäftsführer der lokalen BCS-Einheit. "Ob wir die Ziele erreicht haben, möchte ich dahingestellt lassen. Auf jeden Fall hat sich die Organisation im ersten Jahr ihrer Integration in einem sehr angespannten wirtschaftlichen Umfeld sehr gut behauptet." Die Analysten von Merrill Lynch erwarten auch für das laufende Geschäftsjahr nicht Gutes von BCS. Sie rechnen damit, dass IBMs Beratungsarm um vier Prozent schrumpfen wird. Zuvor hatten sich die Prognosen noch auf ein Einnahmenplus von zehn Prozent belaufen.

Besonders die deutsche BCS-Niederlassung ist seit ihrem Start noch nicht in Schwung gekommen. 2003 schrumpfte das Geschäft der hiesigen IBM-Berater schneller als der Marktdurchschnitt. Berechnungen der Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC), München, zufolge war der Gesamtmarkt in Deutschland um bis zu zehn Prozent rückläufig. BCS Deutschland musste hingegen pro forma einen Einbruch von zirka 15 Prozent verkraften und nahm laut PAC-Schätzung 900 Millionen bis eine Milliarde Euro ein. Verglichen wurden auf der einen Seite die im Jahr 2003 von IBM BCS erzielten Einnahmen, und auf der anderen Seite die addierten Umsätze von 2002, die PWC und IBM damals noch getrennt im deutschen Beratungsmarkt erzielten.

Schwacher Start ins Jahr 2004

Auch das Geschäft im ersten Quartal 2004 läuft schleppend. Zwar veröffentlicht IBM keine Details zum Beratungsgeschäft und zu lokalen Niederlassungen, doch IBM Global Services weltweit legte ohne positive Währungseffekte lediglich um ein Prozent zu. Finanzchef John Joyce lieferte dazu den Hinweis, dass das Outsourcing- und Wartungsgeschäft im Berichtszeitraum gut, die Bereiche Beratung und Systemintegration hingegen schwach abgeschnitten hätten.

Trotz aller Probleme, die IBM mit den übernommenen PWC-Beratern derzeit plagen, dürfen sich die Konkurrenten keineswegs in Sicherheit wähnen. "Die Zeit wird zeigen, ob die Akquisition Erfolg hat. Bislang gab es scheinbar kein Wachstum", unkte zwar Carleton Fiorina, CEO von Hewlett-Packard, gegenüber der US-amerikanischen Wirtschaftzeitung "Businessweek". Das positive Resultat wird sich jedoch voraussichtlich noch einstellen, denn langfristig, da sind sich die Marktbeobachter einig, zahlt sich die Übernahme aus. Selbst die Skeptiker, deren Bewertungen nur auf finanziellen Leistungsdaten beruhen, sehen die Beratungseinheit insgesamt auf gutem Weg. Die Investmentbanker von Sanford C. Bernstein erwarten bereits für 2005 ein Umsatzplus von zwölf Prozent für BCS weltweit.

Zugute komme den Consultants nicht allein die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung, insbesondere das BCS-Angebot werde bei Anwendern künftig stärkeren Zuspruch stoßen. "Im vergangenen Jahr hatten die Kunden kein offenes Ohr für die BCS-Offerten, die sich vornehmlich um Prozesse und Anwendungen ranken", erläuterte Jean-Christian Jung, Berater bei PAC in München. "Die Nachfrage konzentrierte sich vornehmlich auf infrastrukturlastige Konsolidierungsprojekte mit schneller Rentabilität. Wir haben aber bereits registriert, dass der Bedarf an innovativen Vorhaben, die auf Umsatzsteigerungen zielen, wieder anzieht."

Ein Portfolio, das Prozessberatung, Branchen- und Applikations-Know-how mit Betriebsdienstleistungen verknüpft, kann neben IBM allenfalls noch Accenture vorweisen. Schwächen im Vergleich weist der IT-Dienstleister nur im Infrastrukturbereich, also etwa dem Rechenzentrums- und Desktop-Betrieb, auf. Die anderen großen Wettbewerber wie Hewlett-Packard und CSC lassen es vor allem an Prozessberatungs-Kapazitäten missen. Und EDS kann mit seiner Tochter A.T.Kearney nur Strategie-Consulting vorweisen. Doch die Schwäche der Konkurrenz macht die IBM nicht automatisch stark, denn die Kunden assoziieren IBM mit vornehmlich mit IT-Services. Suchen sie jedoch Hilfestellung zu speziellen Problemen, etwa im Business-Intelligence- oder Portalbereich, kommt ihnen nicht zwangsläufig der Name IBM in den Sinn. Bei den Wachstumsthemen fehlt das Image."

IBM-Chef Sam Palmisano hat die PWC-Berater allerdings nicht ausschließlich wegen ihres ausgewiesenen Fachwissens übernommen, die Pläne reichen weiter. Zunächst einmal sollen die Consultants und die PWC-Partner mit ihrem Manager-Vokabular Big Blue in den obersten Chefetagen der Unternehmen Gehör verschaffen und solche Türen öffnen, die den technikverliebten IBM-Mitarbeitern bislang verschlossen blieben. Ziel ist es, tiefer in die Geschäftsabläufe einzudringen, um sich dauerhaft in den Unternehmen einzunisten. Das Erfolgsrezept im IT-Outsourcing soll auf das Business Process Outsourcing übertragen werden.

Marktübliche Fluktuationen

Dazu benötigt Big Blue aber die qualifizierten Mitarbeiter und die Manager an den Schlüsselstellen bei PWC. "IBM hat versucht, mit der BCS-Einheit ein Klima zu schaffen, in denen sich die PWC-Berater wiederfinden", schildert Jung. Dass dennoch Integrationsprobleme auftraten, hält der PAC-Analyst für normal, üblicherweise rechnet man mit einer Phase von mindestens drei Jahren, bis alle Reibungsverluste überwunden sind. Meldungen, wonach in Deutschland viele PWC-Beratern aus wichtigen Geschäftsfeldern das Unternehmen verlassen haben, tritt IBM-Manager Jetter entgegen: "Die durchschnittliche Fluktuation im Consulting-Markt beträgt 15 Prozent. Davon sind wir weit entfernt. Aber natürlich stehen wir im Wettbewerb um Talente, und es gibt Mitarbeiter, die uns verlassen. Umgekehrt werben wir Consultants ab, die wiederum eigene Berater mitbringen."

IBM Business Consulting Services (BCS) IBMs Beratungsarm Business Consulting Services (BCS) wurde nach der Übernahme von Pricewaterhouse-Coopers Consulting (PWCC) im Oktober 2002 als Geschäftsbereich von IBM Global Services gegründet. Mit einem Jahresumsatz von knapp 13 Milliarden Dollar im Jahr 2003 verantwortet BCS rund 14,5 Prozent von IBMs Gesamtumsatz. Vor der Übernahme erzielte PWCC Jahreseinahmen in Höhe von 4,9 Milliarden Dollar.

BCS ist in weltweit 160 Ländern präsent und beschäftigt 60 000 Mitarbeiter. In der Region Zentraleuropa, zu der die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz sowie Teile Osteuropas zählen, arbeiten rund 5000 Experten für BCS. Sie wird von Martin Jetter geführt, der bereits seit 1986 bei IBM tätig ist. Er löste in dieser Position im März dieses Jahres den PWCC-Berater Peter-Josef Spix ab. Gründe für die Demission von Spix nannte IBM damals nicht. Angeblich soll die deutsche BCS-Dependance im Geschäftsjahr 2003 im weltweiten Vergleich besonders schlecht abgeschnitten haben.

Das Portfolio umfasst Beratung, Systemintegration sowie Business Transformation Optimization und Business Process Outsourcing (BPO). Letztere beiden Disziplinen verbinden das Betriebswissen von IBM mit dem Prozess- und Branchen-Know-how von PWCC.

Neutralität nicht mehr gefragt

Trotz allen Bemühens um ein angenehmes Arbeitsklima und der langfristig guten Geschäftsaussichten wäre es jedoch verwunderlich, wenn es kein Murren über den neuen Kurs unter dem IBM-Dach gegeben hätte. Die einst so sorgsam gehütete Neutralität der PWC-Berater hat in Zeiten, in denen sich Anwender mit Kostendruck, Konsolidierung und Standardisierung beschäftigen, keine Konjunktur mehr, das meint zumindest IBM-Manager Jetter. "Wer ist denn heute noch neutral?", fragt er. "Ein engagierter Berater hat immer bestimmte Präferenzen. Er kann mit seinem Wissen nicht die gesamte Breite sämtlicher Angebote im Markt abdecken. Er hat ein Netzwerk, in dem er sich bewegt, und weiß, mit wem er zusammenarbeiten kann. Eine gewisse Vororientierung lässt sich nicht vermeiden." Das Kundeninteresse, so der Manager, konzentriere sich heute mehr auf Standards und funktionierende IT-Umgebungen denn auf unabhängige Beratung.

Eine starre Orientierung seiner Leute an IBM-Produkten bestreitet Jetter dennoch. "Es gibt heute keine blauen und nicht blauen Kunden mehr. Man muss in der Lage sein, sich in heterogenen Umgebungen zu bewegen. Wir können auch nicht bei jedem Engagement darauf abzielen, die Kunden zum IBM-Outsourcing zu bewegen. So viele Unternehmen, die willens sind, ihre IT, Applikationen oder Prozesse auszulagern, gibt es nicht. Viele reden darüber, die wenigsten tun es." Dennoch werden sich die Berater dauerhaft gegen den Verdacht wehren müssen, Türöffner für Vertriebsmitarbeiter zu sein. Absehbar ist zudem, dass die PWC-Berater ein steter Quell für Unruhe sind, das haben die Erfahrungen mit A.T.Kearney unter dem EDS-Dach sowie das Beispiel Capgemini und Ernst & Young gelehrt. Für das IBM-Management wird die größte Herausforderung sein, die Berater möglichst frei arbeiten zu lassen, ihr Tun aber dennoch in Einklang mit den Unternehmenszielen zu bringen. Dazu

zählen das Servicesgeschäft sowie der Verkauf von Hard- und Software.