Data Management

IBM will mit Kunden eine Information Agenda schaffen

06.06.2008 von Sascha Alexander
IBM macht Druck im milliardenschweren Markt für Information-Management. Konkurrenz von SAP und Oracle befürchtet IBM nicht, da jene Hersteller angeblich strategisch den falschen Weg gingen.

Mehr denn je benötigen Unternehmen heute schnell und zuverlässig Geschäftsinformationen für ihre operativen Prozesse und eine strategische Planung. Doch in der Praxis werden die entsprechenden Daten oft nur punktuell gesammelt, aufbereitet und verschickt. Eine Automatisierung und Integration existierender Geschäftsprozesse und Workflows ist dabei das Ziel. Angesichts der strategischen Bedeutung von Informationen für den Geschäftserfolg reicht dieses Vorgehen künftig nicht mehr aus (siehe auch den Beitrag zur Zukunft der Datenverwaltung und Data Warehousing).

Ziel sollte vielmehr ein systematisches Information Management sein, das unabhängig von den Unternehmensanwendungen Prozesse laufend optimieren und Geschäftsinformationen für immer mehr Anwendungsfelder bereitstellen hilft, kurz: Unternehmen brauchen eine "Information Agenda". So zumindest formulierte es jetzt IBM auf ihrer Kundenveranstaltung "Information on Demand" (IoD), zu der rund 2000 Teilnehmer und Partner aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika ins niederländische Den Haag gekommen waren.

Weg von einer Appliaction Agenda

Laut Ambuj Goyal, General Manager Information Management Software bei IBM, will der Hersteller künftig Kunden in Form von branchenspezifischen Workshop bei der Definition und kurz- und langfristigen Umsetzung einer Information Agenda unterstützen. Das Ergebnis sind vordefinierte Datenmodelle, Roadmaps für die sukzessive Weiterentwicklung von Anwendungen und Prozesse, Implementierungsmethoden und letztlich die Auswahl der benötigten Produkte. Dieses Vorgehen ist zwar nicht wirklich neu, doch will IBM künftig systematischer Vorgehen und sich gezielter auf einzelne Branchen einstellen als bisher.

Laut Goyal sei die Zeit nun reif für eine Information Agenda: "20 Jahre lang haben sich Unternehmen nur mit einer "Application Agenda" beschäftigt, also beispielsweise das Bündeln und die Integration von Unternehmenssoftware oder Betriebssystemen". Es ging immer um ein Reengineering und die Automatisierung vorhandener Prozesse. Doch in der letzten Zeit sei ein Wandel zu beobachten: Kunden würden doppelt so viel in die Optimierung von Prozessen, dass heißt neue Anwendungsgebiete, investieren, als in die Automatisierung von Kernprozessen. Die Bereitstellung entsprechender Geschäftsinformationen in diesen neuen Szenarien ist dabei eine zentrale Aufgabe, die sich über eine Information Agenda koordinieren lässt.

Best of breed statt geschlossene Umgebungen

Mit der Information Agenda unternimmt IBM einen weiteren Anlauf seinem immer weiter ausufernden Portfolio an Software für das Daten Management, Datenintegration und seit dem Kauf von Cognos auch für Business Intelligence und Performance-Management eine gemeinsame Klammer zu geben. Nicht spezifische Techniken und einzelne Tools sollen bei der Vermarktung im Vordergrund stehen, sondern Services, Prozesse und Methoden. Dies sei auch im Interessen der Nutzer von Geschäftsinformationen, die weder wissen wollen, was für Produkte im Einsatz seien, noch ob die gewünschten Informationen für ihre Entscheidungen strukturiert oder unstrukturiert vorliegen. Nur dass die Informationen da sind, sei entscheidend.

Dank der Produktlinien "InfoSphere" (strukturierte Daten, Daten Management, Stammdaten Management, Datenintegration, BI, Datenvisualisierung) sowie "Filenet (unstrukturierte Daten, Enterprise Content Management = ECM) heute sicherstellen, wirbt Goyal. Ferner verfüge man durch den Kauf von Cognos über eine bisher fehlende grafische Oberfläche (Dashboard) für die Visualisierung, Auswertung und Verteilung von Geschäftsinformationen sowie Anwendungen für BI und Performance-Management. Tools von Cognos werden sich daher künftig in allen Produkten für Information-Management des Herstellers wiederfinden (siehe auch die Produktankündigungen im Data Management auf der letzten IoD).

Ankündigungen auf der IoD

  • "IBM solid DB": eine relationale In-Memory-Datenbanksoftware, die kritische Daten laut Hersteller bis zu zehn Mal schneller als herkömmliche Datenbanksoftware bereitstellen kann;

  • "IBM InfoSphere Master Data Management Server for System z": Neues Mitglied der Produktfamilie für die Stammdatenverwaltung;

  • "IBM InfoSphere Balanced Warehouse, C4000": Data-Warehouse Appliance für bis zu fünf Terabyte Speichervolumen für kleine und mittelständische Unternehmen;

  • "InfoSphere Change Data Capture": Verteilung und Konsolidierung der Daten zwischen verschiedenen Datenbankanwendungen und eine einheitliche Ansicht der Betriebsabläufe und Geschäftsdaten (IBM DB2, SQL Server, Oracle, Sybase, Teradata und Informix);

  • "Business Content Services": Integration von Lotus Quickr und Microsoft Sharepoint in das IBM-Portfolio für ECM;

  • "IBM Information Agenda": Industriespezifische Workshops zur Entwicklung und Umsetzung eines systematischen Information-Managements.

Parallel dazu treibt IBM zudem die Integration und Kombination seiner vielen Produkte über eine gemeinsame Architektur voran. Ziel ist dabei nicht die Standardisierung beispielsweise auf ein Repository, sondern die Entwicklung gemeinsamer Services für den Datenzugriff, E-Mail-Archivierung etc., die sich durch alle Komponenten des Portfolios nutzen lassen. Dieser Ansatz, den viele Softwarehersteller verfolgen, spiegelt sich bei IBM insbesondere in der Strategie für die eigenen ECM- und Collaboration-Software wieder. Hier muss der Hersteller nach Übernahmen wie die von Filenet oder Panagon einen Weg finden, diverse Produkte weiterzupflegen und deren Kunden bei Laune zu halten, gleichzeitig aber eine gemeinsame Service-orientierte Architektur zu schaffen.

Informationen und Anwendungen trennen

IBM General Manager Ambuj Goyal erwartet zweistelligen Zuwachsraten im Markt für Information Management.
Foto: Ambuj Goyal

Gleichzeitig betonte Goyal, dass man die eigene Middleware nicht auf Biegen und Brechen bei Kunden einführen wollen, sondern für einen Best-of-breed-Ansatz plädiere. Dies unterscheide IBM seiner Ansicht nach fundamental von Konkurrenten wie SAP oder Oracle, deren Strategie immer mehr darauf hinausliefe, ihre Produkte für das Daten-Management tiefer in die eigene ERP-Umgebung zu integrieren. Die Informationsbereitstellung und Definition einer Information Agenda dürften aber nicht von spezifischen Anwendungen abhängen, weil Anwender so immer nur die Daten innerhalb dieser Systeme berücksichtigen würden. IBM verstehe sich hingegen als Plattform für heterogene Umgebungen und eine anwendungsunabhängige Produktstrategie.

Große Umsatzchancen mit Information Management

Offen sei IBM auch im Umgang mit Partnern. So komme heute ein großer Teil der Software und Services von Drittanbietern. "IBM Global Services (IGS) hat nur einen Anteil von 15 Prozent am IBM-Softwaregeschäft. Wenn Kunden andere Produkte wollen, muss IGS das akzeptieren, weil es nicht um einen Kampf um Software, sondern um Business Transformation Services geht".

Doch auch so bliebe noch genug Raum für gute Geschäfte. Laut einer eigenen Erhebung vom Februar hat der Markt für Information Management aktuell ein Volumen von 117 Milliarden Dollar und wird um durchschnittlich elf Prozent pro Jahr weiter wachsen. IBM könne sich dabei sowohl bei bestehenden Kunden als auch beim Mittelstand auf eine steigende Nachfrage einstellen und sieht sich der Konkurrenz weiter enteilen: "Wir machen derzeit 18 Milliarden Dollar Umsatz mit Middleware, SAP und Business Objects bringen es vielleicht auf ein Zehntel", sagte Goyal.