Kolumne

IBM und SAP - nur ein Gedankenspiel?

03.04.2006

Für die meisten Medien war das Gerücht, das vergangene Woche über den Ticker lief, wohl so unvorstellbar, dass sie sich nicht näher damit befassen mochten: IBM, so hieß es, sei daran interessiert, SAP zu übernehmen. Ausgerechnet Big Blue - das Unternehmen, das nach größten Problemen im Geschäft mit Business-Software schon vor Jahren die Notbremse zog und jeglichen Experimenten in diesem Markt abschwor. Niemals wird IBM noch einmal den Sprung ins kalte Wasser wagen, werden auch die Investoren gedacht haben, denn die Börsenkurse regten sich kaum. Und niemals wird sich das größte deutsche Softwarehaus widerstandslos von der IT-Landkarte tilgen lassen.

Dabei wäre dieser Zusammenschluss vor allem für IBM gar nicht so unsinnig. Big Blue ist zwar solide aufgestellt, und die Kassen sind gut gefüllt, doch die Geschäfte liefen schon mal besser. Aus Sicht der Aktionäre hält sich die Kursphantasie in Grenzen. Offenbar arbeitet man in Armonk schon an diesem Problem: Die Konzentration auf das Servicegeschäft wird derzeit relativiert. Im vierten Quartal 2005 ging der Umsatz hier um fünf Prozent zurück. IBM hat offenbar erkannt, dass die Zeit der ganz großen Deals vorbei ist. Außerdem sind die Gewinnmargen dünn und die Abschlüsse oft riskant.

Also positioniert sich das Unternehmen wieder verstärkt als Technologiekonzern. Deutschland-Chef Johann Weihen hat es erst vor ein paar Wochen im CW-Interview bestätigt. Dazu aber müssen attraktive Produkte her. Big Blue hat genügend Software, doch auch hier fehlt die Wachstumsphantasie. Der Softwareumsatz lag im letzten Quartal lediglich auf Vorjahresniveau. Unterdessen wird das Hardwaregeschäft vom Commodity-Effekt eingeholt: An Intel- und AMD-Rechnern lässt sich auf Dauer nicht viel verdienen.

Angesichts der gravierenden Veränderungen im Markt für Enterprise-Software - Stichwort Service-orientierte Architekturen (SOA) - stellt sich die Frage, ob IBM es sich leisten kann, weiterhin allein auf seinen Websphere-Middleware-Stack zu vertrauen und das Geschäft mit Business-Applikationen den Rivalen SAP, Microsoft und Oracle zu überlassen. Diese Anbieter haben nicht nur Business-Software, sie basteln wie IBM an ihren Software-Ökosystemen und schicken sich an, ins Websphere-Revier vorzudringen.

IBM muss auf Dauer etwas tun, um wieder auf Wachstumskurs zu gelangen. Die Übernahme von SAP wäre eine Möglichkeit - zumal hier zwei Unternehmen mit weitgehend komplementären Produktspektren zusammenkämen. Wem das Ganze als Hirngespinst vorkommen mag, der sei daran erinnert: Auch Microsoft war nicht weit davon entfernt, sich das Walldorfer Softwarehaus einzuverleiben.