IBM-Tischling

07.08.1981

Nun kommt also auch die IBM mit einem Mikkymaus-Computer (vergleiche Seite 1). Gekillt als aktives Mitglied der IBM-Produktlinie wird dafür der Tischcomputer 5120, der jetzt den Statusvermerk "nicht neu" ("not new") trägt.

Den "System /23 Datamaster" führen vorerst IBM-eigene Computerläden in Baltimore, San Francisco und Philadelphia. Die Kette wird wachsen. Vorsorglich hat der Universalrechner-Riese den neuen "Tischling" aber auch den VBs seiner "General Systems Division" (GSD) an die Hand gegeben. Die GSD-Crew soll den 5120-Nachfolger in bewährter Profi-Manier verkaufen. Die Shops betrachtet man offensichtlich als Testlaufgelände.

Was ist nun dran an dem "Datenmeister", um den der Rest der Welt die nordamerikanischen Erstanwender beneiden soll?

Dies vorweg: Die /23-Premiere paßt sich in den Versuch des Erfinders der Mietmaschine ein, jetzt auch die Vielzahl interessierter DV-Neulinge mit IBM-Computergerät zu bedienen. Die Big-Blue-Marketing-Strategen dürften dabei weniger das Klein-Klein-Geschäft mit Stand-alone-Systemen im Auge haben, als vielmehr das gewinnträchtigere Kommunikations-Business, das in Gang kommen soll, wenn alle Datendinge zusammenwachsen.

Was die technischen Details betrifft, kann die /23 mit keiner Überraschung aufwarten. Daß IBM für die CPU einen Prozessor mit Intel-Standards verwenden würde, war unter Fachleuten längst bekannt. Und daß der Mainframer die 10 000-Dollar-Kaufpreisgrenze gerade noch unterschreitet, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wenig IBM für dieses Mal an einer spektakulären Einführungsaktion gelegen war. Die GSD-Leute in den Staaten gehen vorsichtig zu Werke. Die IBM World Trade scheint den Komplex "Personal Computing" wie ein rohes Ei zu behandeln. Was in Sachen "Datamaster und Nachfolgeprodukte" bei den Übersee-Töchtern geschehen wird, bestimmen angeblich allein diese. Die Stuttgarter Zentrale der IBM Deutschland GmbH bietet Anfang August 1981 ein Bild naiv-charmanter Ahnungslosigkeit.

Die hiesige Konkurrenz darf spekulieren. Auf der Düsseldorfer Kö kann man IBM-Computer schon im Laden kaufen. Ganz so unvorbereitet, wie sie vorgeben, sind die Stuttgarter also nicht für den Verkauf über den Tresen.

Zumindest trifft zu, daß sich der Unternehmensbereich Basisdatenverarbeitung intensiv mit der Frage der Vermarktung kleinster Rechnereinheiten beschäftigt. Kenner der Erstanwender-Szene zweifeln nicht daran, daß der Mikro-Boom jetzt erst richtig losgeht.

Gewiß: Allein die US-amerikanischen Mikro-Hersteller haben nach Angaben der International Data Corporation (IDC) bis zum Jahresende 1980 eine runde Million "Desktops" weltweit untergebracht. Aber was bedeutet das schon, angesichts eines Abnehmer-Potentials, das praktisch unbegrenzt ist ("Jedermann-Computer").

Daß es für IBM höchste Zeit ist, auf den anfahrenden Zug aufzuspringen, darauf weisen andere Zeichen hin - als da sind: Marktanteile und Software-Standards. Zwei Drittel aller ausgelieferten Desktop-Computer kommen nämlich aus dem Stall der "Mikro-Mainframer" Tandy, Commodore und Apple. IDC zählte 270 000 Tandy-Computer, 197 000 Commodore-Rechner und 158 000 "Äpfel" - macht summa summarum 625 000. Zum Vergleich: IBM hatte am 1. Januar 1981 laut IDC ganze 27 500 Tischcomputer der 5100er Reihe im Feld. Die Platzhirsche Tandy, Commodore und Apple mögen sich durch die /23-Ankündigung noch nicht angegriffen fühlen.

Vor einer gleichgültigen Haltung sei dennoch gewarnt. Wer IBM im unteren Bereich unterschätzt, wird sich noch wundern.