IBM lüftet den Schleier über Websphere 5

23.05.2002 von Sascha Alexander
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - IBM ist vollauf mit der Integration, Reorganisation und Verpackung seines wachsenden Portfolios an Middleware und Entwicklungs-Tools beschäftigt. Herzstück bleibt dabei der Java-Applikations-Server „Websphere“, der jetzt auf dem neuen Entwicklerforum „Developerworks Live “ in Version 5 vorgestellt wurde.

Auf der produktübergreifend angelegten Entwicklerveranstaltung in San Francisco ging es IBM nicht nur darum, die vielfältigen technischen Ansätze zur Anwendungs-, Prozess- und Datenintegration aufzuzeigen, die das unter dem Websphere-Markennamen zusammengezogene Portfolio bietet. Vielmehr wollten die Vertreter der Softwaresparten DB2, Websphere, Tivoli und Lotus den bisher oft nur mit einzelnen Produkten arbeitenden Anwendern die Vorzüge und Möglichkeiten einer Kombination des Angebots näherbringen.

Separate Produktlinien bleiben

Eine Konsolidierung ist offenbar nötig, gilt doch das Portfolio rund um Websphere als zu wenig integriert, auch wenn Marketiers seit über zwei Jahren von einer „Websphere Platform“ sprechen. So befinden sich Pläne der Lotus-Divison, die Groupware durch Java-Technologie und Web-Services zu modernisieren, derzeit noch im Frühstadium. Ebenso ist noch nicht entschieden, wie die Produkte für Enterprise Application Integration (EAI) „Websphere MQ“ und Crossworlds im Portfolio untergebracht und gegenüber dem Websphere-Server positioniert werden sollen. Laut Marie Wieck, Vice President für Business Integration, sollen zunächst alle drei Produktlinien weiter separat vermarktet werden.

Andererseits entstand beispielsweise mit „Eclipse“ in fünfjähriger Arbeit ein quelloffenes Java-Framework, über das sich vielfältige Werkzeuge nun zu einer durchgängigen Entwicklungsumgebung vereinen lassen. Es ist zugleich die technische Basis der Produktfamilie „Websphere Studio“ und bietet eine Schnittstelle zum Websphere-Server. Marktbeobachter gehen davon aus, dass vor allem Anbieter wie Rational oder Merant ihre Tools per Plugin in Eclipse einklinken werden, während Wettbewerber aus dem Server-Markt wie Bea Systems oder Sun dies ablehnen dürften. Beide bewerben mit „Weblogic Workbench“ beziehungsweise „Netbeans“ eigene Frameworks.

Developerworks Live: Mit „Developerworks Live“ finden die bisherigen US-Veranstaltungen „Solutions“, „Websphere“ und „Lotus Devcon“ in einem Forum für Programmierer und Anwender der Produktlinien DB2, Tivoli, Websphere und Lotus statt. Die nach einer IBM-Website benannte Konferenz soll laut IBM nicht nur die Kosten solcher Veranstaltungen senken, sondern vor allem dem Dialog zwischen den diversen Entwicklergruppen dienen sowie die anvisierte engere Integration der Produkte thematisieren. Mit 4000 registrierten Teilnehmern und 100 Ausstellern blieb sie allerdings hinter der Gesamtzahl der drei Veranstaltungen im Vorjahr zurück.

Parallel zur Produktintegration treibt IBM aus vertriebsstrategischen Gründen die Modularisierung und Verpackung seines Angebots voran und macht es dadurch zusehends unübersichtlich. So wurden auch auf der Veranstaltung weitere Produkte vorgestellt. Zu ihnen gehört die Messaging-Software „Websphere MQ Event Broker“, über die sich Geschäftsinformationen veröffentlichen und über das Netz diversen Clients (PC, Handheld) zustellen lassen. Mit „Websphere Business Integration 4.1“ wurden zudem die ersten Früchte aus der Übernahme des EAI-Spezialisten Crossworlds gezeigt. Das Softwarepaket dient der Prozessintegration von Unternehmensanwendungen und vereint in sich den „Interchange Server“ von Crossworlds sowie die IBM-Messaging-Produkte „MQ Integrator“ und „MQ Workflow“.

Neben dem Thema Lotus-Websphere-Integration stand in San Francisco vor allem die kommende Version 5 des Websphere-Servers im Mittelpunkt. Dieser anvanciert mittlerweile von einer Runtime-Umgebung für die Entwicklung von Java-basierenden Web-Anwendungen zu einer laut IBM durchgängigen, Service-orientierten Integrations- und Management-Plattform für Unternehmenssoftware. Laut Jason McGee, Mitarbeiter der IBM Software Group, ist Version 5 konform mit den Standards der Java 2 Enterprise Edition (J2EE) 1.3, einschließlich Enterprise Javabeans (EJB) 2.0 und dem JDK 1.3.1. Zum Einsatz kommen dabei die Java Connector Architecture zur Anbindung von Backoffice-Anwendungen sowie das Java-Messaging-API (JMS). Ergänzt wird das Produkt um herstellerspezifische Erweiterungen zum EJB-Standard wie „Container Managed Messaging“, mit dem sich die asynchrone JMS-Kommunikation nicht durch eine EJB, sondern vom Container einfacher steuern lässt. Außerdem wartet der Server dank

eines „Message Brokers“ mit eigenen Publish/Subscribe-Mechanismen auf, und es ergeben sich mit dem „Process Manager“ Wege zur Modellierung und Steuerung von Prozessen.

Nachschlag bei Web-Services

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten an Version 5 war die tiefere Integration von Web-Services-Standards. Dies zeigt sich unter anderem am Einsatz der neuesten Apache-Soap-Implementierung „Axis“ und privater UDDI-Verzeichnisse. Ferner enthalten ist das Framework „Web Services Gateway“, das bei Aufrufen von Web-Services zwischen verschiedenen Netzen vermittelt. Zum Paket zählen zusätzlich eine Testversion des auf Soap basierenden Java-API „Jax-RPC“ für synchrone Methodenaufrufe sowie der IBM-Standardvorschlag „Web Services Security“.

Eine wichtige Neuerung für Administratoren ist die erstmals einheitliche Web/XML-basierende Server-Verwaltung für alle Websphere-Versionen. Entwickler können Verbesserungen erwarten beim Einsatz von Classloadern sowie der HTTP-Session-Verwaltung, die jetzt über den Speicher erfolgt und mehr Perfomanz verspricht. Des Weiteren stehen mit „Dynacache“ ausgefeilte über XML-Metadaten definierte Optionen für die Speicherverwaltung und Datenreplizierung auf dem Server bereit. IBM plant, hier auch den für Caching konzipierten „Edge Server“ mit dem Applikations-Server zu verschmelzen.

Unterschiedliche Pakete

Version 5 kommt im dritten Quartal auf den Markt und bringt eine neuerliche Umgruppierung des Portfolios mit sich. Die künftige Basis-Version „Websphere Application Server (WAS)“ kann nun durch Addon-Packages sukzessive ausgebaut werden. So entspricht der Server plus der Erweiterung „WAS for Network Deployment“ der bisherigen Advanced Edition und enthält zusätzlich unter anderem System-, Clustering und Workload-Management-Optionen sowie den Open-Source-Sicherheitsmechanismus „Kerberos“. Darauf aufbauend ist mit „WAS for Extended Deployment“ eine weitere Ausbaustufe insbesondere zur Verwaltung große Cluster möglich.

Weitere Ergänzungen führen schließlich zum Flaggschiff „WAS Enterprise“. Dieses wartet mit zusätzlichen Programmierschnittstellen etwa zu Corba, Deployment-Funktionen sowie IBM-eigenen „Extensions“ zu den EJB-Spezifikationen wie den „Business Rules Beans“ auf. Auch kommen „Micro Flows“ für die Gestaltung (Choreography) von Geschäftsprozessen zum Einsatz. Außerdem ist mit der „WAS Express“ eine Einsteigerversion für Website-Entwickler sowie mit „WAS for z/OS“ eine spezielle Mainframe-Ausgabe erhältlich.