Kühlung und Abwärme

IBM kühlt Supercomputer mit heißem Wasser

25.06.2009
Klingt unlogisch, wird aber praktiziert: IBM und die ETH Zürich bauen einen Supercomputer, der mit heißem Wasser gekühlt wird. Dessen abgeführte Wärme nutzt die ETH direkt für die Beheizung ihrer Gebäude.

Das Pilot-System mit dem Namen "Aquasar" soll den Energieverbrauch um 40 Prozent senken und die Kohlendioxid-Bilanz im Vergleich zu ähnlichen Systemen um bis zu 85 Prozent reduzieren, sagt IBM. Die Inbetriebnahme ist für 2010 geplant.

"Die Energieversorgung ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Geschwindigkeit und Leistung dürfen deshalb nicht mehr die einzigen Kriterien sein, wenn es darum geht, Computersysteme zu bauen. Unser neues Ziel ist, Hochleistungsrechner mit niedrigem Energieverbrauch zu entwickeln", so Dimos Poulikakos, Projektleiter und Leiter des Laboratoriums für Thermodynamik in Neuen Technologien der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (vergleiche auch hier).

Heiß kühlt besser

Der Supercomputer Aquasar arbeitet mit Wasserkühlung. Hierzu nutzt er Microchannel-Kühler wie die beiden auf dem Foto. Diese werden direkt auf denProzessoren angebracht.
Foto: IBM

Der Professor betont, es sei ein komplexes Unterfangen, Computersysteme und Rechenzentren energieeffizienter zu bauen. Um hier Lösung zu präsentieren, wurde der neue Supercomputer mit Namen "Aquasar" entwickelt.

Der Bau des Prototypen ist Teil des dreijährigen, gemeinschaftlichen Forschungsprogramms "Direkte Abwärmenutzung von flüssiggekühlten Supercomputern: Der Weg zu energiesparenden, emissionsfreien Hochleistungsrechnern und Rechenzentren". An diesem Projekt sind das IBM-Forschungslabor Zürich, die ETH Zürich, die ETH Lausanne und das Schweizer Kompetenzzentrum für Energie und Mobilität (CCEM) beteiligt. Aquasar wird zudem mit der Unterstützung durch IBM Schweiz und dem IBM-Forschungs- und -Entwicklungslabor in Böblingen realisiert.

Ein zentraler Aspekt beim Thema Energieeffizienz von Rechnern ist die Kühlung von Computern. Bis zu 50 Prozent der Energie werden nämlich nicht für die Rechenleistung selbst, sondern für die notwendige Kühlung der Systeme verbraucht. Das grundsätzliche Problem ist hierbei folgendes: Ein Computerchip entwickelt zehnmal mehr Wärme als eine Kochplatte auf der gleichen Fläche. Ungekühlt überhitzt er innerhalb von Sekunden. Ergebnis: Er ist defekt.

Für einen sicheren Betrieb muss der Chip stetig unter 85 Grad Celsius gekühlt werden. Meistens wird für die Kühlung Luft verwendet. Das ist in punkto Wärmeableitung nicht optimal, als Luft eigentlich ein schlechter Wärmeleiter ist. Besser eignet sich Wasser, da es Wärme 4000-mal effizienter als Luft speichert. Zudem kann Wasser die Wärme hervorragend transportieren.

Das Schaubild zeigt, wie die Kühlung der Prozessoren des Aquasar-Superrechners und die Abwärmenutzung zur Beheizung von Büros funktioniert.
Foto: IBM

Allerdings muss das Kühlsystem hermetisch dicht sein, damit Wasser und Elektronik nicht in Berührung kommen. Bei Aquasar bringen die Forscher die Wasserkühlung so direkt wie möglich an die Wärmequelle - den Chip - heran. Sie setzen leistungsfähige Mikrokanalkühler ein, die auf der Rückseite des Chips angebracht werden. Dank der Kühler können die Chips selbst mit bis zu 60 Grad Celsius heißem Wasser noch auf Betriebstemperatur gekühlt und wertvolle Abwärme gewonnen werden. Damit man die Wärmeenergie, die man von den Prozessoren wegleitet, am effizientesten nutzen kann, muss die Temperatur der Abwärme möglichst hoch sein. Prinzipiell gilt: Je heißer die Wärmeenergie desto wertvoller.

Wärme als wertvolle Ressource

Die gesamte Kühlung ist ein geschlossener Kreislauf. Das System benötigt etwa zehn Liter Wasser, wobei eine Pumpe einen Durchfluss von 30 Litern pro Minute garantiert. Die Abwärme wird durch einen Wärmetauscher an die Gebäudeheizung abgegeben. «Wärme ist ein wertvolles Gut, auf das wir angewiesen sind und das wir täglich teuer kaufen. Indem wir Abwärme von den aktiven Bauteilen eines Computersystems so direkt und effizient wie möglich abtransportieren, können wir sie als Ressource wieder verwenden", erklärt Bruno Michel, Manager Advanced Thermal Packaging des IBM Forschungslabors Zürich. So spare man Energie und senke den CO2-Ausstoss. Mit dem Aquasar-Projekt unternähmen IBM und die ETH Zürich wichtige Entwicklungen hin zu nachhaltigen, emissionsneutralen Rechenzentren, so Michel weiter.

Energieverbrauch sinkt um 40 Prozent

Aquasar verbindet mehrere Vorteile: Da das System keine energieintensive Kältemaschinen benötigt, sinkt der Energieverbrauch gegenüber herkömmlichen luftgekühlten Systemen um bis zu 40 Prozent. Durch direkte Abwärmenutzung gewinnt man zudem wertvolle Wärmeenergie zurück, die sich vielfältig verwenden lässt. Im Vergleich zu ähnlichen Systemen reduziert sich dadurch die CO2-Bilanz um bis zu 85 Prozent. Ausgehend von einem durchschnittlichen Betrieb des Systems würde dies einer CO2-Reduzierung von etwa 30 Tonnen pro Jahr entsprechen.

Das IBM-Team für den Aquasar-Rechner (von links nach rechts): Thomas Brunschwiler, Ingmar Meijer und Bruno Michel.
Foto: IBM

Inspiriert wurde das Forschungsteam bei der Entwicklung des Kühlkreislaufs durch die Natur. Die Wissenschaftler testen Systeme, die den hochoptimierten, menschlichen Blutkreislauf nachahmen. Im Körper sorgt ein Netzwerk von Gefässen und Kapillaren dafür, dass Wärme und Energie mit der grösstmöglichen Effizienz in jeden Teil unseres Körpers transportiert werden. Die Kühlung von Aquasar ist nach den gleichen Prinzipien aufgebaut. Die etwa zwei Quadratzentimeter großen Mikrokanal-Wasserkühler verfügen über viele hundert kleine Kapillaren.

Aquasar im Einsatz

An der ETH Zürich wird aber nicht nur überprüft, ob die neue Wasserkühlung funktioniert und wie viel thermische Energie dabei zu gewinnen ist, sondern auch, wie leistungsfähig Aquasar ist. Das "Computational Science and Engineering"-Labor des Lehrstuhls für Computerwissenschaften der ETH Zürich verwendet Aquasar für komplexe Strömungssimulationen. Wissenschaftler dieses Labors optimieren in Zusammenarbeit mit dem IBM Forschungszentrum und anderen Partnerinstitutionen auch die Effizienz, mit der die Algorithmen berechnet werden. (jm)