Stärken-Schwächen-Analyse

IBM kommt gestärkt aus der Krise

04.06.2010 von Wolfgang Herrmann
Mit seinem breiten Portfolio hat IBM den Abschwung besser als viele Konkurrenten überwunden, urteilt Andreas Zilch, Lead Advisor bei der Experton Group, in einer Stärken-Schwächen-Analyse.

Der Kursverlauf der IBM-Aktie an der New Yorker Börse lässt kaum Zweifel aufkommen. Nach dem tiefen Einbruch während der Wirtschafts- und Finanzkrise kennt die Kurve der International Business Machines Corp. (IBM) nur eine Richtung: nach oben. Darauf verweist Andreas Zilch, Vorstandsmitglied und Lead Advisor der Experton Group, in seiner Analyse "The IBM Future". Auch die Mitarbeiterzahlen haben sich positiv entwickelt. Ende 2005 beschäftigte der IT-Konzern laut eigenen Angaben 329.373 Mitarbeiter. Zum 31.12.2009 waren es fast 400.000. IBM sei vor diesem Hintergrund erstaunlich gut aus der Krise gekommen ist, so Zilch.

Nach dem tiefen Einbruch während der Finanzkrise hat sich der Kurs der IBM-Aktie stetig nach oben entwickelt.
Foto: Experton

Strategisch habe sich der Hersteller konsequent vom Technologie-Unternehmen zum Service-Provider entwickelt. Damit einher ging ein deutlich verbreitertes Dienstleistungs-Portfolio, das schon seit längerem mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes beisteuert. Heute positioniere sich Big Blue nicht mehr als klassischer Technologie-Consultant sondern als "Business-Berater". Doch trotz der insgesamt guten Bewertung sieht Zilch in einzelnen IT-Marktsegmenten Licht und Schatten.

Quasi-Monopol im Mainframe-Geschäft

Im Mainframe-Markt hält IBM eine Quasi-Monopolstellung. Vormals ernstzunehmende Konkurrenten wie die BS2000-Systeme von Fujitsu seien zwar "gut gemanaged", spielen nach Zilchs Einschätzung aber kaum mehr als eine Nebenrolle. Die einstigen Fujitsu-Siemens-Großrechner könnten sich noch am ehesten im Umfeld neuer Cloud-Angebote wie Infrastructure as a Service (IaaS) eine Daseinsberechtigung erhalten, urteilt der Analyst.

IBMs Marketing-Strategen werben unterdessen mit dem Motto "z Can Do IT". Dahinter steht der Anspruch, die Mainframes der z-Serie könnten im Grunde jede erdenkliche IT-Aufgabe bewältigen. Der Markt für Großrechner entwickle sich solide, so Zilch. Große Mainframe-Umgebungen würden weiter ausgebaut, kleinere dagegen konsolidiert oder migriert. Dennoch sind IBMs Mainframe-Umsätze in jüngster Zeit zurückgegangen. Der Hersteller führt das auf eine weitgehende Marktsättigung mit den System z10-Modellen zurück. Die Hoffnungen ruhen deshalb auf der neuen Generation z11, die im dritten Quartal 2010 präsentiert werden soll.

IBM habe die z-Series-Systeme permanent weiterentwickelt, resümiert Zilch. Kunden könnten damit rechnen, dass die Plattform mindestens bis zum Jahr 2020 weitergepflegt werde. Die größte Herausforderung sieht er beim Thema Nachwuchs. Die Zahl der Mainframe-Experten in Anwenderunternehmen sinkt stetig; für IBM müsse es darum gehen, entsprechende Ressourcen bereitzustellen und die Ausbildung zu fördern.

Schrumpfender Markt für Unix-Server

Etwas mehr Konkurrenz begegnet IBM im Geschäft mit Unix-Servern. Mit den p-Series-Modellen und den aktuellen P7-Prozessoren ist IBM nach Zilchs Einschätzung zwar gut positioniert und wird bis mindestens 2014 die technische Marktführerschaft halten. Doch unterm Strich agiere der Hersteller in einem "erodierenden Markt", der von einem Verdrängungswettbewerb geprägt sei.

Der ärgste Rivale Hewlett-Packard (HP) folge mit seinen Integrity-Server einem Integrationskonzept für unterschiedliche Technologien, kommentiert der Analyst. Die Motive für diese Strategie sieht er in der Schwäche der Itanium-Prozessorplattform, deren Fortbestehen aus seiner Sicht nicht gesichert ist. Kunden sollten sich fragen, wie viel die Entwicklungspartner Intel und HP künftig in die Weiterentwicklung der Itanium-Technik investieren werden.

Noch schlechter beurteilt Zilch die Perspektiven von Suns Solaris-Servern unter dem Dach von Oracle. Die Aussage "Zukunft ungewiss" sei noch eine höfliche Umschreibung der tatsächlichen Situation. Die von Oracle vorgelegte "Roadmap" für die Server-Reihen bezeichnet er als "wachsweich". Seine Empfehlung: Anwenderunternehmen sollten Sun-Solaris-Server eher nicht als strategische Plattform einsetzen. Die Bemühungen des Sun-Partners Fujitsu im Geschäft mit Solaris-Server seien ohnehin "nicht strategisch."

Vor diesem Hintergrund stehe IBM im Markt für Highend-Server fast allein, bilanziert der Analyst. Der fehlende Wettbewerb könne sich für den Anbieter indes auch negativ auswirken. Beispielsweise engagierten sich nur wenige unabhängige Softwarehäuser (ISVs) für das Marktsegment. Aus Sicht der Kunden bestehe zudem die Gefahr, dass IBM seine starke Marktstellung ausnutze.

Schnelles Wachstum mit x86-Servern

Ganz anders stellt sich die Situation im Markt für x86-Server dar. Mit seinen System-x-Systemen agiert IBM hier in dem am schnellsten wachsenden Server-Marktsegment. Aufgrund des Commodity-Charakters mit vielen Standardkomponenten haben die Anbieter andererseits mit einem hohen Preisdruck zu kämpfen.

Vor allem mit den kürzlich vorgestellten eX5-Servern sieht Zilch IBM in Sachen Technikinnovation gut positioniert. Zwischen den Strategien der Konkurrenten HP, Dell und Fujitsu gebe es keine gravierenden Unterschiede. Für IBM gelte es in dem hart umkämpften Markt zuvörderst, die richtigen Partner zu finden und passende Pakete zu schnüren. Auf mittlere Sich werden die typischen x86-Kunden weniger, warnt Zilch. Anwenderunternehmen lagerten immer mehr Rechenlasten an Cloud-Anbieter wie Amazon oder Google aus. Damit sinke die Nachfrage nach einschlägigen Standard-Servern.

Nachholbedarf im Storage-Markt

Im Storage-Markt konstatiert Zilch ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" der führenden Anbieter. IBM gehört nach seiner Einschätzung nicht dazu; die Markstellung bezeichnet er als schwach. Gegenwärtig befinde sich der Konzern in der Verfolgerrolle. Innovative Techniken wie Virtualisierung, Thin Provisioning oder Deduplizierung seien inzwischen marktreif. Der Erfolg eines Herstellers hänge damit weniger von der besten Technik ab, sondern von einer "nachhaltigen Storage-Strategie". Als "Markt- und Innovationsführer" sieht die Experton Group dagegen EMC. Im Hosting- und Cloud-Umfeld habe sich zudem Netapp eine starke Position erarbeitet. Neben IBM positionierten sich Hewlett-Packard und HDS im Verfolgerfeld. Zilch: "IBM muss technologisch aufholen und Konzepte tatsächlich umsetzen".

Gute Positionierung im Softwaremarkt

Zu den besonders gewinnträchtigen Bereichen im IBM-Portfolio gehört die Softwaresparte. Der Konzern offeriert auch hier eine breite Produktpalette. Sie reicht von klassischen Betriebssystemen über Middleware und System-Management-Paketen bis hin zu Datenbanken, BI- und Collaboration-Tools. Im Bereich Middleware sieht die Experton Group IBM mit seinen Websphere-Produken gut positioniert. Die Konkurrenten in diesem Markt sind vor allem Netweaver (SAP) und Fusion (Oracle). Aber auch Microsoft und zahlreiche Open-Source-Spezialisten bemühen sich um eine stärkere Marktstellung.

Ähnlich gut sieht Zilch IBM im Bereich System Management aufgestellt. Die Tivoli-Produkte des Konzerns konkurrieren dabei unter anderem mit CA Unicenter und Hewlett-Packards einschlägigen Angeboten. Aber auch Microsoft und zahlreiche kleine Anbieter mischen mit. Mit dem Klassiker DB2 und den über Cognos zugekauften Produkten hat sich Big Blue auch im Bereich Datenbanken und BI gut positioniert, so der Experton-Mann. Allerdings agieren mit Oracle, Microsoft, SAP und SAS noch andere starke Anbieter im Markt. Weniger optimistisch schätzt Zilch die Collaboration-Produkte aus IBMs Lotus-Familie ein. Im Vergleich etwa zu Google sei der IT-Konzern hier "schwach positioniert". Zudem könnten sich in diesem Marktsegment noch weitere Newcomer mit weniger Altlasten etablieren. Generell sieht Zilch bei IBM Nachholbedarf in Sachen Web 2.0.

IBM stark in der Private Cloud

Im Dienstleistungsgeschäft heißt das dominierende Thema auch für die IBM-Strategen Cloud Computing. Geht es um große Unternehmenskunden, bietet der Konzern nach Einschätzung von Zilch das breiteste Angebot. Das Portfolio umfasse sowohl Cloud-Services als auch Cloud-Technologien zum Einsatz im Data Center der Kunden. Zilch verweist in diesem Zusammenhang auf den "Cloud Vendor Benchmark 2010", einen umfassenden Anbietervergleich, den die Experton Group im April veröffentlichte.

Im Segment der Großunternehmen spielten vor allem die namhaften IT-Service Provider ihre Erfahrungen und technischen Kompetenzen aus, lautet eine Erkenntnis der Marktforscher. IBM und T-Systems offerierten dabei Cloud-Services und Lösungen, die hochgradig skalierten, sich aber gleichzeitig an Kundenbedürfnisse anpassen ließen. Damit eigneten sich solche Angebote insbesondere für Private-Cloud-Projekte. Klassische Cloud-Anbieter, wie Amazon, Google und Salesforce.com haben demnach für die Anforderungen großer Unternehmen noch nicht immer die passenden Angebote.

Anders stellt sich die Situation für mittelständische Kunden dar. Zwar gehöre IBM auch hier zu den Playern mit dem vollständigsten Angebot. Doch daneben positioniert sich Microsoft als ebenso breit aufgestellter Anbieter. Unterm Strich, so die Experton-Analyse, zählten IBM, T-Systems, Microsoft und Hewlett-Packard zu den eindeutig führenden Anbietern, wenn es um kundenindividuell konfigurierte "Private Clouds" gehe.

Für die Bedürfnisse von Entwicklern, Startups und professionellen ISVs hingegen eigneten sich die Cloud-Pattformen von Amazon, Google und Salesforces.com sehr gut. Andererseits böten neben diesen typischen "Cloud Companies" mittlerweile auch Microsoft mit Azure sowie IBM eigene Entwicklungs- und Betriebsplattformen für Entwickler in der Cloud an. Interessant für diese Klientel sei dabei vor allem, dass sie vorhandene Kenntnisse und Entwicklungs-Tools weiter nutzen könne. Gleiches gelte für die gewachsenen und professionell gepflegten Partner-Ökosysteme von Microsoft und IBM. (wh)