Der deutsche Server-Markt

IBM ist wieder der Boss

31.07.2009 von Wolfgang Herrmann
Im stark rückläufigen deutschen Server-Markt kommt IBM besser durch die Krise als die Konkurrenten, allen voran HP.

Zumindest eine echte Überraschung barg der krisengeplagte deutsche Server-Markt 2008. Gemessen am Umsatz holte sich IBM den Titel des Marktführers vom Erzrivalen Hewlett-Packard zurück. Nach Erhebungen von Gartner kam Big Blue im ersten Quartal 2009 auf einen Marktanteil von 33 Prozent, nach 24 Prozent im Vorjahreszeitraum. HP dagegen büßt im Jahresvergleich satte fünf Prozent ein und kommt nur noch auf 23 Prozent. Das gute Abschneiden der IBM erklärt sich Gartner-Analyst Errol Rasit zum einem mit dem Mainframe-Geschäft, das vor allem wegen der neuen Rechnerfamilie "System z10" Auftrieb erhielt. Zum anderen habe IBM mit seinen Power-basierenden Risc-Unix-Servern Erfolge erzielt. Hier spielte der Wechsel von der Power5- auf die leistungsstärkere Power6-Prozessorarchitektur eine Rolle.

Im deutschen Markt kann IBM traditionell auf eine große installierte Unix-Basis bauen, erläutert Rasit. Die jüngste Entwicklung im Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen IBM und HP hängt denn auch mit den unterschiedlichen Umsatzstrukturen der Platzhirsche zusammen: Im HP-Porfolio entfielen laut Gartner im ersten Quartal 2009 rund 69 Prozent der Server-Umsätze auf x86-basierende Systeme wie die Produktlinie Proliant. Dieses Segment ist von den krisenbedingten Einbrüchen besonders betroffen. IBM hingegen erzielte lediglich 11 Prozent seiner Server-Einnahmen mit den x86-basierenden System x-Produkten. Anders stellt sich die Situation in der Region Emea dar. (Europa, Mittlerer Osten, Afrika). Hier hält HP mit einem Marktanteil von knapp 36 Prozent die Spitzenposition vor IBM mit 29 Prozent.

Intel-Nehalem Server im Überblick
Acer Altos R720 M2 Frontansicht mit Details
IBM System x3650 M2
Acer Altos R520 M2 Frontansicht mit Details
Acer Altos R540 M2 Frontansicht
Cisco 8 UCS B-Series Blade
Dell PowerEdge R610 Rack Server
Dell PowerEdge R710 Rack Server
Dell PowerEdge T610 Tower Server fuer Rackeinabu
Dell PowerEdge T610 Tower Server
Dell PowerEdge M610 Blade Server
Dell PowerEdge M610 Blade Server Details
Dell PowerEdge M710 Blade Server
Dell Workstation Precision T5500, T750 und T3500
Fujitsu Siemens Primergy RX300 S5 Frontansicht
Fujitsu Siemens Primergy RX200 S5 Frontansicht
Fujitsu Siemens Primergy TX300 S5 Frontansicht Details
HP ProLiant BL280c G6 Blade Server
HP ProLiant BL460c G6 Blade Server
HP ProLiant BL490c G6 Blade Server
HP ProLiant DL160 G6 Rack Server
HP ProLiant DL180 G6 Rack Server
HP ProLiant DL360 G6 Rack Server
HP ProLiant DL370 G6 Rack Server
HP ProLiant DL380 G6 Rack Server
HP ProLiant ML150 G6 Tower Server
HP ProLiant ML370 G6 Rack Server
HP ProLiant ML370 G6 Tower Server
IBM System x3550 M2
IBM BladeCenter HS22
IBM System x iDataPlex dx360 M2

Auch Fujitsu trifft die Krise

Den weltweiten Abschwung bekam auch die einstige Fujitsu-Siemens-Computers (FSC) zu spüren, die heute unter dem Namen Fujitsu Technology Solutions (FTS) firmiert. Ihr Anteil im deutschen Server-Markt sank im ersten Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 25 auf 21 Prozent. Nach dem Ausstieg von Siemens aus dem japanisch-deutschen Jointventure konzentriere sich Fujitsu nun stärker auf x86-Systeme, beobachtet Rasit. Dies sei auch die weltweite Strategie des Fujitsu-Konzerns, der die Weiterntwicklung der x86-Server in Deutschland gebündelt hat. Den größten Teil des Wachstums im Server-Geschäft werden die Japaner künftig in diesem Marktsegment erwirtschaften, erwartet der Gartner-Mann.

Trotz der Turbulenzen um die Übernahme durch Oracle hielt sich Sun Microsystems im deutschen Server-Markt relativ stabil. Der Anteil ging im Jahresvergleich nur leicht von 11 auf 10 Prozent zurück. Wie die langfristigen Perspektiven von Suns Hardwaregeschäft unter dem Dach der Ellison-Company aussehen, sei derzeit schwer zu prognostizieren, kommentiert Rasit. Es lägen nur wenige Informationen vor, deshalb könne man nur spekulieren. Fest steht für ihn, dass Sun als Teil von Oracle wesentlich besser dastehe als dies nach einer Übernahme durch IBM der Fall gewesen wäre. Er schätzt den Deal deshalb zumindest kurz- und mittelfristig positiv ein. Rasit: "In einem kombinierten Portfolio mit IBM hätte es viel zu viele Überschneidungen gegeben."

Wann geht es wieder aufwärts?

Dass es im deutschen Server-Markt schnell wieder aufwärts gehen könnte, halten die Gartner-Auguren für unwahrscheinlich. Rasit rechnet für das zweite Quartal 2009, dessen Ergebnisse bei Redaktionsschluss noch nicht vorlagen, mit einem erneuten Einbruch von 36 Prozent. Im Vergleich zum 24-prozentigen Rückgang im ersten Quartal hätte sich die Talfahrt damit sogar noch einmal beschleunigt.

Kaum besser sieht es im weltweiten Server-Geschäft aus. Gartner erwartet für das komplette Jahr 2009 sowohl hinsichtlich der Umsätze als auch der Anzahl ausgelieferter Systeme ein Minus von 19 Prozent. Marktforscher von IDC kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Im ersten Quartal 2009 sind ihren Erhebungen zufolge Umsatz- und Absatzzahlen der Server-Hersteller weltweit um 25 Prozent abgestürzt. Die Verkäufe rutschten damit auf ein Fünf-Jahres-Tief ab. Laut den IDC-Analysten handelte es sich um den stärksten Einbruch, den sie jemals registriert hätten. "Die Marktbedingungen haben sich weiter verschlechtert", kommentiere Matt Eastwood, Group Vice President für den Bereich Enterprise Platforms von IDC. Viele Kunden hätten Projekte auf Eis gelegt und auf Neuanschaffungen verzichtet. Stattdessen würden bestehenden Systeme länger genutzt beziehungsweise daran gearbeitet, deren Auslastung zu verbessern. Dennoch geht er davon aus, dass die Server-Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte wieder anzieht. Etliche Unternehmen würden sich dann auf den bevorstehenden Aufschwung vorbereiten und ihre Systeme entsprechend aufrüsten.

Hoffnungsträger Blade

Lange Zeit galten Blade-Server als einziger Lichtblick im ansonsten trüben Server-Geschäft. Im vergangenen Jahr waren die flachen Server der einzige Formfaktor, der noch Wachstum brachte. Allein in Deutschland verkauften die Anbieter 2008 laut IDC rund 56.000 Blade-Server, ein Zuwachs von 27,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch deutlicher fielen die Zahlen für den westeuropäsischen Markt aus. Hier stiegen die Blade-Umsätze um 40 Prozent, während Rack- und Tower-Systeme den Herstellern jeweils zehn Prozent weniger Einnahmen bescherten. Dass das Blade-Segment sich nicht vom allgemeinen Abschwung abkoppeln an, zeigte sich allerdings im ersten Quartal 2009. Erstmals seit der Markteinführung im Jahr 2002 gingen die Umsätze mit Blade-Servern in Deutschland zurück, berichtet Rasit, und zwar gleich um satte 26 Prozent. Dennoch setzen alle maßgeblichen Hersteller weiter auf das Segment und investieren in entsprechende Produkte. Aus Anbietersicht bringen die flachen Rechner vor allem zwei strategische Vorteile: Zum einen können sie Kunden mit proprietären Chassis-Techniken an sich binden; zum anderen versprechen Blade-Server zumindest mittelfristig Wachstumschancen in einem Markt, der zu großen Teilen mit Commodity-Produkten bedient wird, die wenig Spielraum für Gewinne erlauben.

Linux-Server weiter auf dem Vormarsch

Betrachtet man den deutschen Server-Markt anhand der vorinstallierten Betriebssysteme, hält der Vormarsch von Linux-Plattformen an. Der Anteil der Server mit dem Open-Source-System nimmt weiter zu, beobachtet Rasit, wenn auch nicht mehr so schnell wie in den vergangenen Jahren. Die Verlangsamung habe allerdings vor allem rechnerische Gründe, da die Zuwachsraten inzwischen ausgehend von einer deutlich größeren installierten Basis ermittelt würden. Nach wie vor geht dieses Wachstum zu Lasten klassischer Risc-Unix-Server. Viele Anwenderunternehmen migrieren solche Systeme auf x86-Server unter Linux.

Das Blade-Konzept wird auch in den kommenden Jahren zu den bedeutendsten technischen Treibern des Server-Markts gehören, prognostiziert der Gartner-Experte. Alle Anbieter setzten aggressiv auf die Technik. Aus Anwendersicht erlauben Blade-Server sowohl eine Scale-out-Strategie, in der die Kapazität durch mehrere zusätzliche Rechner erhöht wird, als auch einen Scale-up-Ansatz, der eine Vergrößerung der Leistung innerhalb eines Systems durch zusätzliche Komponenten vorsieht.

SSD erobert die Server

Eine Technik, die immer stärker auch in Server-Systeme Einzug hält, ist die der Solid State Disk (SSD). Ursprünglich eher für mobile Rechner und spezielle Speichersysteme konzipiert, verwenden inzwischen auch viele Server-Hersteller Flash-Drives. Die Vorteile aus Kundensicht liegen zuvörderst in der höheren Leistung, die sich vor allem beim Lesezugriff bemerkbar macht. Dafür müssen IT-Verantwortliche im Vergleich zu herkömmlichen magnetischen Festplatten höhere Kosten pro GB in Kauf nehmen. Gartner-Experte Rasit geht davon aus, dass die SSD-Preise mit zunehmender Marktakzeptanz sinken. (wh)