Veränderungen bei der Open Software Foundation

IBM bekennt sich zu OSF/1 und verdient an System V.4

13.12.1991

MÜNCHEN (CW) - Wenn es ums Geld geht, vergißt die IBM ihre OSF-Mitgliedschaft. Um einen Großkunden, die Fast-food-Kette Pizza Hut, bei der Stange zu halten, sind die Armonker bereit, ihre PS/2-Systeme statt mit dem hauseigenen Unix-Derivat AIX oder mit dem von ihnen geaponserten OSF/1-Betriebssystem auf besonderen Kundenwunsch - mit Unix V.4 von den Unix Software Laboratories auszuliefern.

Die US-Kette Pizza Hut - bisher ein klassischer Mainframer - plant, auf Workstations unter Unix V.4 umzusteigen. Einen derart dicken Fisch will die IBM nicht von der Angel lassen vor allem deshalb nicht, weil 119 Millionen Dollar auf dem Spiel stehen. Diese Summe hat Pizza Hut für den Umstieg veranschlagt.

Entgegen aller Bekenntnisse zum OSF-Unix OSF/1 hat die IBM jetzt nach Informationen von "Computergram" das texanische Softwarehaus UHC Inc. beauftragt, 7000 PS/2-Rechner, Modell 57 und 90, mit Unix V.4 auszurüsten.

Die Downsizing-Absichten der Pizzabäcker beschränken sich jedoch nicht auf die Vereinigten Staaten. Besonders lukrativ sind die Aussichten für IBM in England. Hier sollen ICL-Großrechner durch AS/400-Midrange-Systeme und RS/6000-Unix-Rechner abgelöst werden. Anders stellt sich die Situation in Deutschland dar. Pizza Hut hat die Datenverarbeitung an einen Dienstleister übertragen. Trotzdem steht auch hier im kommenden Jahr eine Entscheidung für Unix an.

Ähnlich schwankende Prinzipientreue gegenüber den OSF-Bekenntnissen wie bei der IBM ließ sich bereits im vergangenen Jahr bei der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG feststellen. Um nach der Fusion von Siemens-DI und Nixdorf möglichst rasch mit Produkten am Markt zu sein, schwenkten die SNI-Manager - bis dato eifrige OSF-Verfechter - auf Unix V.4 um. Die mögliche Implementierung von OSF/1 wurde auf eine spätere Version des Unix-Derivats vertagt. Nicht lange nach der Aufnahme von Unix V.4 in die SNI-Produktpalette wurde im April dieses Jahres die Europazentrale der OSF von München nach Brüssel verlegt. Ein Zusammenhang mit der veränderten Unix-Strategie der SNI besteht offiziell nicht.

Inzwischen hat die OSF beschlossen, auch das gesamte technische Personal aus München abzuziehen. Regionaldirektor Hans-Josef Jeanround, der als einziger in der bayerischen Landeshauptstadt bleibt, begründet diesen Schritt: "Hier haben vor allem die Spezialisten für Distributed Management Environment gearbeitet. Da die dafür ausgewählten Techniken alle von US-Firmen stammen, bot es sich an, die Entwicklung in unseren Labors in Cambridge, Massachusetts, fortzuführen."