Konkurrenz für Cisco und HP

Huawei greift im Enterprise Business an

21.10.2011 von Jürgen Hill
Im deutschen Carrier-Markt bereits erfolgreich, hat Huawei jetzt das Enterprise-Networking-Business im Visier. Das Produktportfolio reicht vom Access Point bis hin zum Data-Center- und Cloud-Equipment.

Telepresence, Router, Core-Switches, Edge-Devices, Data-Center-Equipment und Cloud-Services - wer angesichts dieses Produktportfolios an Cisco oder Hewlett-Packard denkt, sollte künftig einen dritten Player auf der Rechnung haben. Der chinesische Hersteller Huawei, bisher eher als Lieferant für Carrier bekannt, mischt nun auch im Enterprise Networking mit. Dabei will der Konzern hierzulande vor allem sieben vertikale Marktsegmente besetzen und mit Hardware sowie Lösungen bedienen: Public/Government, Health, Manufacturing, Logistik/Transport, Resale, Finance sowie Power/Energy.

Huawei Produkte
Huawei-Produkte
Neuer Player im Enterprise-Business: Huawei greift Cisco & Co. mit Core-Switches an.
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Das Portfolio reicht bis hin zu großen Telepresence-Systemen...
Huawei-Produkte
...und Telefonanlagen.
Huawei-Produkte
Nach No-Label-Geräten für Carrier bringt Huawei nun außerdem Consumer- Devices wie das Mediapad unter einem Namen.
Huawei-Produkte
Selbst Themen wie Cloud-Computing werden adressiert.
Huawei Vision
Auch bei Smartphones (hier das Huawei Vision) will sich der Anbieter einen Namen machen.

30.000 Mitarbeiter fürs Enterprise

Mitarbeiter-Wohnungen auf dem Huawei-Campus

Zuständig für diesen Bereich ist die Enterprise Business Group, einer von vier strategischen Unternehmensbereichen des Konzerns. Wie ernst es dem Unternehmen mit seinem Engagement ist, zeigt allein die Mitarbeiterzahl: Schon im ersten Jahr ihres Business, die Enterprise Group wurde Anfang 2011 gegründet, beschäftigt sie über 10.000 Mitarbeiter. Innerhalb eines Jahres will die Gruppe ihre Mitarbeiterzahl verdoppeln und bis 2015 auf 30.000 Beschäftigte aufstocken.

Dabei fehlt es dem Newcomer nicht an Selbstvertrauen. Bis 2015, so kündigte William (Wenwei) Xu, Executive Vice President und President der Enterprise Business Group, vor der internationalen Fachpresse an, will Huawei weltweit zu den drei führenden Playern im Enterprise Business zählen. "2015 streben wir einen globalen Umsatz von 15 bis 20 Milliarden Dollar an", legt Xu die Messlatte für die Gruppe hoch.

Huawei-Campus: Wachschutz auf chinesisch

Die Einnahmen sollen global im IP-Enterprise-Umfeld erzielt werden, während das Mittelstandsgeschäft derzeit noch nicht im Fokus steht. "Momentan gehen wir den Small-and-Medium-(SMB-)Markt nicht verstärkt an, doch das will ich für die Zukunft nicht ausschließen", konkretisiert Xu seine Strategie. Etwas anders stellt sich die Situation im vom Mittelstand geprägten Deutschland dar, wie Stefan Müller, Director Enterprise Business Huawei Deutschland, ausführt: "Hierzulande fahren wir zweigleisig." Müller will Corporate-Kunden direkt ansprechen und im Lösungsgeschäft beraten, wenn auch nicht beliefern.

Die Vermarktungsstrategie

An die SMB-Klientel wendet Huawei sich dagegen indirekt über Partner und Distributoren. Im Großkundengeschäft sieht Müller als mögliche Kandidaten für globale Partnerschaften Unternehmen wie IBM oder T-Systems, mit denen man bereits Geschäftsbeziehungen unterhält. Ferner könnten die Enterprise-Sparten von Carriern wie Vodafone oder O2/Telefonica als Reseller in Netzprojekten bei Unternehmenskunden fungieren. Im SMB-Bereich verhandelt der Konzern eigenen Angaben zufolge mit mehreren deutschen und europäischen Distributoren und Systemhäusern. Entsprechende Verträge sollen kurz vor der Unterzeichnung stehen.

Die Grundlagen für die Eroberung des Enterprise-Marktsegments hat Huawei am Unternehmenshauptsitz in Shenzhen gelegt. Auf dem zwei Quadratkilometer großen Firmengelände arbeiten insgesamt rund 30.000 Mitarbeiter für die diversen Geschäftsbereiche. Etwa 50 Prozent der Mitarbeiter forschen, verteilt auf mehrere Entwicklungszentren, an neuen Produkten oder kundenspezifischen Anpassungen.

Huawei Shenzhen
Konzernzentrale in Shenzhen
Big is beautiful: Der Huawei-Campus erstreckt sich über zwei Quadratkilometer.
Konzernzentrale in Shenzhen
Das Hauptgebäude ist schon von weiten sichtbar.
Konzernzentrale in Shenzhen
Ausreichend Platz für die Forschung
Konzernzentrale in Shenzhen
Der Eingang zum Testcenter
Konzernzentrale in Shenzhen
Forschung wird bei Huawei ganz groß geschrieben.
Konzernzentrale in Shenzhen
Zusätzlich zur Forschung am Stammsitz unterhält das Unternehmen global verteilte R&D-Zentren.
Konzernzentrale in Shenzhen
Für die Mitarbeiter aus aller Welt hält Huawei ein reiches Freizeitangebot bereit.
Konzernzentrale in Shenzhen
Bild von der Moslem-Kantine...
Konzernzentrale in Shenzhen
...sowie von der Mensa für indische Mitarbeiter.

Um den Bedarf an jungen Ingenieurstalenten zu decken, unterhält der Konzern eine eigene an das Unternehmensgelände angeschlossene Wohnanlage mit fast 3000 Appartements. Hier können neue Mitarbeiter unterkommen, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Ferner befindet sich auf dem Campus die firmeneigene Huawei University, in der Schulungen, Trainings und Fortbildungen stattfinden.

Mit diesem großen Pool an Fachkräften im Hintergrund kündigt President Xu an: "Wir werden schnell bessere und kosteneffizientere Lösungen auf den Markt bringen als unsere Konkurrenten." Für den Manager liegt der Wettbewerbsvorteil von Huawei im Komplettportfolio: "Unsere Kunden müssen nicht mehr mehrere Boxen kaufen, sondern bekommen eine Lösung out of the Box." Mit Cisco und Hewlett-Packard, die für Huawei derzeit zu den schärfsten Konkurrenten auf dem heimischen Markt zählen, will man in ein bis zwei Jahren gleichgezogen und sie in Teilbereichen überholt haben. Wenig bescheiden klingt schließlich auch der Slogan mit dem Huawei im Enterprise Networking antritt: "A better way".

Regionale Forschungszentren

Bei der globalen Expansion will Xu einen Fehler vermeiden, den seine amerikanischen Konkurrenten früher begangen haben: Die Produktentwicklung soll nicht auf Shenzhen und andere chinesische Standorte konzentriert bleiben, sondern auf zahlreiche globale Forschungs- und Entwicklungszentren verteilt werden. Diese sollen zudem auf regionale technische Besonderheiten (beispielsweise ISDN in Deutschland) eingehen und spezifische regionale Marktanforderungen berücksichtigen, um entsprechende Lösungen zu erarbeiten oder bestehende Produkte anzupassen.

Das neue Forschungszentrum in Shanghai bietet Platz für mehrere Tausend Mitarbeiter.

Für Europa und Deutschland entsteht hierzu gerade ein Forschungszentrum in München. Hier sollen ab 2012 rund 100 Spezialisten arbeiten. Die Mannschaft der Enterprise Business Group will die deutsche Huawei ebenfalls binnen Jahresfrist auf 100 Beschäftigte ausbauen und sucht hierzu noch Talente, um eine schlagkräftige Truppe aufzustellen. Für Enterprise-Chef Xu ist Deutschland der wichtigste Markt außerhalb Chinas und gleichzeitig der schwierigste: "Die Anforderungen der deutschen Anwender an Technik, Qualität und Zuverlässigkeit sind sehr hoch."

Vom Netz zur Cloud

Was die Breite des Angebots angeht, muss sich Huawei keinesfalls vor seinen Konkurrenten verstecken. Das Produktportfolio der Enterprise Group reicht von Access-Devices bis zum Rechenzentrum für Cloud-Computing. Auch wenn die Chinesen selbst eine eigene Private Cloud betreiben und dazu hauseigenes Equpiment wie Storage, Server, Virtualisierungs- und Provisioning-Software oder Thin Clients einsetzen, will der Konzern keine Cloud-Services vermarkten, sondern lediglich das Equipment liefern. Entsprechende Services sollen dann Partner wie T-Systems anbieten.

Huawei als Vollsortimenter

Orientiert man sich am siebenstufigen OSI-Modell, so lässt sich vereinfacht ausgedrückt feststellen, dass Huawei für alle sieben Netzebenen vom Phyiscal bis zum Application Layer Lösungen und Produkte offeriert. Zu den Applikationen zählen etwa Software für IP-Contact-Center oder Abrechnungslösungen. Das im Unternehmens-umfeld wichtige Thema Security adressiert der Konzern mit Hilfe des Joint Ventures Huawei Symantec Technologies. An dem 2008 gegründeten Gemeinschaftsunternehmen hält der Konzern 51 Prozent. (mb)