Übernahme von Juniper

HPE richtet sich aufs Netzwerk aus

11.01.2024 von Martin Bayer und Michael Cooney
Der Kauf von Juniper bedeutet einen Wendepunkt für HPE, sagt Firmenchef Antonio Neri. Der Manager spricht von einem Game Changer im Markt und rückt die Networking Fabric ins Zentrum des HPE-Portfolios.
Mit der Übernahme von Juniper beginnt bei HPE eine neue Zeitrechnung. Künftig soll sich alles um das Netzwerk drehen.
Foto: HPE

Nachdem bereits Tage zuvor darüber spekuliert worden war, meldete Hewlett Packard Enterprise (HPE) am 9. Januar Vollzug. Der Anbieter von IT-Infrastrukturlösungen gab bekannt, den Netzwerkausrüster Juniper Networks übernehmen zu wollen.

Fakten zum Deal

HPE bezahlt 40 Dollar in bar für jede Juniper-Aktie - ein Aufschlag von rund 32 Prozent im Vergleich zum Kurswert am Tag vor Bekanntgabe der Übernahme. Damit hat der Deal insgesamt ein Volumen von etwa 14 Milliarden Dollar. Finanzieren will HPE die Akquisition aus eigenen verfügbaren Barmitteln sowie über Kredite.

Es ist die größte Akquisition in der Geschichte von HPE. Der Anbieter agiert seit 2015 auf dem Markt, nachdem sich HP in zwei unterschiedliche Geschäftsbereiche aufgespalten hatte - HP Inc. für das PC-, Drucker- und Consumer-Geschäft sowie HPE mit den Enterprise-Lösungen rund um Infrastruktur, Software und Services.

Die Übernahme soll vorbehaltlich der erforderlichen behördlichen Genehmigungen bis Ende 2024, spätestens Anfang 2025 abgeschlossen werden. Die verantwortlichen Vorstands- und Aufsichtsgremien bei HPE und Juniper haben dem Deal bereits zugestimmt. Dem HPE-Management zufolge soll im Zuge der Juniper-Übernahme der Anteil des Netzwerkgeschäfts am Gesamtumsatz von 18 auf etwa 31 Prozent steigen. Der Bereich soll darüber hinaus mit 56 Prozent mehr als die Hälfte zum operativen Gewinn beitragen. Leiten soll die neue Networking-Sparte von HPE der bisherige Juniper-CEO Rami Rahim.

So kommentieren die CEOs den Deal

Antonio Neri, CEO und President von HPE: "Die Übernahme von Juniper durch HPE stellt einen wichtigen Wendepunkt in der Branche dar. Sie wird die Dynamik auf dem Netzwerkmarkt verändern und Kunden und Partnern eine neue Alternative bieten, die ihren höchsten Ansprüchen gerecht wird. Diese Transaktion wird die Position von HPE an der Schnittstelle der sich beschleunigenden Makro-AI-Trends stärken, unseren gesamten adressierbaren Markt erweitern und weitere Innovationen für Kunden vorantreiben.

Wir schlagen eine Brücke zwischen der AI-nativen und Cloud-nativen Welt, während wir gleichzeitig einen erheblichen Wert für die Aktionäre generieren. Ich freue mich, die talentierten Mitarbeiter von Juniper in unserem Team willkommen zu heißen. Wir bringen zwei Unternehmen mit komplementären Portfolios und nachgewiesenen Erfolgen bei der Förderung von Innovationen in der Branche zusammen."

HPE-Chef Antonio Neri (links) und Juniper-CEO Rami Rahim betonten die Synergien zwischen den Angeboten beider Unternehmen.
Foto: Screenshot: Peter Marwan

Rami Rahim, CEO von Juniper Networks: "Unser langjähriger Fokus auf innovative, sichere KI-native Lösungen hat die hervorragende Leistung von Juniper Networks vorangetrieben. Wir haben erfolgreich außergewöhnliche Nutzererlebnisse geschaffen und den Betrieb vereinfacht. Ich bin überzeugt, dass wir durch den Zusammenschluss mit HPE die nächste Phase unserer Reise beschleunigen können.

Darüber hinaus maximiert dieser Zusammenschluss den Wert für unsere Aktionäre durch eine bedeutende Bargeldprämie. Wir freuen uns darauf, mit dem talentierten HPE-Team zusammenzuarbeiten, um Innovationen für Unternehmens-, Service-Provider- und Cloud-Kunden in allen Bereichen voranzutreiben, einschließlich Campus, Zweigstellen, Rechenzentren und Wide Area Network."

Darum geht es bei dem Deal

Bei der Übernahme dürfte es für HPE in erster Linie um KI-Technologie gegangen sein. Juniper bringt eigene Cloud-basierte KI-Lösungen mit, die vor allem aus der Akquisition von Mist Systems (405 Millionen Dollar) aus dem Jahr 2019 stammen. Damit sollen sich kabelgebundene wie drahtlose Netzwerke proaktiv verwalten lassen. Im Mai 2023 hat Juniper zudem OpenAIs Large Language Model (LLM) über eine API an den virtuellen Netzwerkassistenten Marvis von Mist angebunden. Anwender seien damit in der Lage, mit Marvis via ChatGPT zu interagieren und so eine Vielzahl von Netzwerkproblemen einfacher zu erkennen, zu beschreiben und zu beheben. Dazu zählen beispielsweise dauerhaft ausfallende kabelgebundene oder kabellose Clients, schlechte Kabel, Abdeckungslücken bei Zugangspunkten, problematische WAN-Verbindungen und unzureichende Funkfrequenzkapazität.

Networking werde das neue Kerngeschäft und die Architekturgrundlage für HPEs Hybrid-Cloud- und KI-Lösungen sein, die über die HPE GreenLake Hybrid-Cloud-Plattform des Anbieters bereitgestellt würden, teilte HPE in der offiziellen Ankündigung zum Deal mit. Das kombinierte Unternehmen werde seinen Kunden sichere, durchgängige KI-native Lösungen anbieten. In diesem Zusammenhang gehe es um sichere, einheitliche Technologielösungen, die kritische Unternehmensdaten vom Edge bis zur Cloud verbinden, schützen und analysieren. Dabei stelle das Networking eine entscheidende Verbindungskomponente dar. HPE-Chef Neri bezeichnete das Netzwerk als den komplexen Part einer jeden IT-Infrastruktur.

Mit seinem Angebot an Cloud-Netzwerklösungen, Software und Services, einschließlich der Mist AI- und Cloud-Plattform, helfe Juniper Unternehmenskunden, sicher und effizient auf die geschäftskritische Cloud-Infrastruktur zuzugreifen, die als Grundlage für digitale und KI-Strategien diene, hieß es. Die Kombination mit HPE Aruba Networking und der eigens entwickelten HPE AI Interconnect Fabric werde die Cloud- und KI-native Verwaltung und Steuerung von IT-Infrastrukturen zusammenführen. Schließlich ließen sich Innovationen mit modernen Netzwerken beschleunigen, die für Hybrid Cloud und KI optimiert seien.

HPEs Netzsparte besteht bislang im Wesentlichen aus den Lösungen von Aruba. Der Anbieter war wenige Monate vor der Teilung im März 2015 für 2,7 Milliarden Dollar von HP übernommen worden und fiel später HPE zu. Aruba offeriert WLAN- und Edge-Zugangslösungen sowie Produkte wie Access Points (APs), Mobility-Controller sowie Netz-Management-Software. 2020 hatte HPE dann den SD-WAN-Spezialisten Silver Peak für 925 Millionen Dollar übernommen, dessen Lösungen rund um die zentrale "Unity EdgeConnect"-Plattform im Aruba-Portfolio aufgingen. Vor knapp einem Jahr hat HPE zudem den italienischen Hersteller von Mobilfunktechnologie Athonet gekauft. Deren Private-5G-Technologien wurden ebenfalls in Aruba integriert.

HPE hat erst Ende November 2023 angekündigt, seine Arbeiten an KI-nativen Hybrid-Cloud-Architekturen intensivieren zu wollen. "Mit dem Aufkommen von GenAI haben viele Unternehmen erkannt, dass die Daten- und Compute-Anforderungen für den effektiven Betrieb von KI-Modellen einen grundlegend anderen Technologieansatz erfordern", erklärte CEO Neri zum Auftakt der HPE Discover in Barcelona.

Der Anbieter will seinen Unternehmenskunden dabei helfen, ihre hybriden IT-Infrastrukturen inklusive Workloads und Daten vom eigenen Rechenzentrum über die Cloud bis hin zum Netzwerkrand, dem sogenannten Edge, zentral orchestrieren und steuern zu können. Dreh- und Angelpunkt dieser Strategie ist HPEs Edge-to-Cloud-Plattform GreenLake, mit der der Anbieter 2017 gestartet war, und die zunehmend mit weiteren KI-Funktionen getunt werden soll.

Das sagen Analysten zum Deal

Moor Insights and Technology: Überschneidungen machen Bereinigungen im Portfolio erforderlich

Neben mehr Tiefe im Bereich KI bringt Juniper auch Stärken im Bereich der Infrastruktur für Kommunikationsdienstleister mit, schrieben Will Townsend, Vice President und Patrick Moorhead, Analysten von Moor Insights and Technology in einem Blog-Beitrag zur potenziellen Übernahme Junipers durch HPE. Junipers RAN Intelligent Controller (RIC)-Plattform und die Installationsbasis von Mobilfunkbetreibern könnte den Telekommunikationsgeschäftsbereich von HPE stärken und die jüngste Übernahme von Athonet ergänzen. Die Analysten verweisen zudem darauf, dass zuletzt HPE-Konkurrent Dell Technologies die Entwicklung seines Angebots für Telekommunikationsprovider forciert habe. Die Übernahme von Juniper lasse sich auch als Antwort HPEs auf diese Anstrengungen interpretieren.

Ein anderes Juwel in Junipers Portfolio, auf das HPE ein Auge haben könnte, ist die Apstra-Software zur Automatisierung von Rechenzentren, schrieben Townsend und Moorhead. Apstra speichert in Echtzeit Konfigurations-, Telemetrie- und Validierungsinformationen, um sicherzustellen, dass ein Netzwerk das tut, was der Betreiber möchte. Unternehmen können die Automatisierungsfunktionen von Apstra nutzen, um konsistente Netzwerk- und Sicherheitsrichtlinien für Workloads in physischen und virtuellen Infrastrukturen bereitzustellen.

Seit der Übernahme von Apstra im Jahr 2021 habe Juniper die Plattform mit Features wie Automatisierung, intelligenten Konfigurationsfunktionen, Unterstützung von Hardware und Software verschiedener Hersteller und verbesserten Umgebungsanalysen ausgestattet, um das System für eine größere Anzahl von Rechenzentrumsunternehmen attraktiver zu machen. Die Einbeziehung von HPE in diesen Mix könnte die Technologie noch attraktiver machen.

Die Analysten verweisen allerdings auch auf erhebliche Überschneidungen zwischen den Portfolios von HPE Aruba Networking und Juniper Networking. Es werde eine Bereinigung der Roadmap erforderlich sein, prognostizieren sie. Zweifelsohne sei auch damit zu rechnen, dass einige Lösungen auslaufen werden. Außerdem werde es wahrscheinlich zu einem Personalabbau kommen, da die Produktteams für Unternehmens- und Service-Provider-Netzwerke sowie das interne Vertriebs- und Marketingpersonal zusammengelegt würden, so Townsend und Moor.

Dell'Oro Group: Mit Juniper erweitert HPE seine Reichweite

Juniper sowie HPE mit Aruba seien beide etablierte und angesehen Anbieter von Lösungen für Unternehmensnetzwerke, sagt Mauricio Sanchez, Senior Director, Enterprise Security & Networking Research bei der Dell'Oro Group. Die Überschneidungen im Portfolio beider Unternehmen beschränkten sich auf die SASE-Angebote, da beide Unternehmen SD-WAN- und SSE-Angebote offerierten. Der Overlap im Bereich SASE sollte sich aus Sicht des Analysten allerdings leicht ausräumen lassen, da HPE an dieser Stelle ein viel größeres Geschäft als Juniper vorweisen könne.

Außerhalb von SASE erweitere Juniper die Reichweite von HPE in den Bereichen DDoS, Firewall, Cloud Workload Security und Distributed Cloud Networking, so Sanchez. Juniper bringt eine Reihe von Fähigkeiten im Bereich der Netzwerksicherheitstechnologie mit, die HPE bis dato fehlten. Der gute Ruf von Juniper im Bereich der Cloud- und Kommunikationsdienstleister werde die Glaubwürdigkeit von HPE insgesamt stärken. Allerdings sei der Marktanteil von Juniper im Bereich Netzwerksicherheit im Vergleich zu den drei großen Anbietern Cisco, Fortinet und Palo Alto Networks gering, stellt Sanchez fest.

IDC: Für den Erfolg muss die Integration gelingen

Die Übernahme unterstreicht die Bedeutung von sicheren Netzwerken in einer Zukunft, die von KI geprägt sein wird, sagt Chris Barnard, Vice President für die Bereiche Telecoms and Infrastructure bei IDC in Europa. "Juniper war ein Vorreiter in Sachen fortschrittliche Analytik und KI im Netzwerkbereich, und wir sehen die Übernahme als gute Ergänzung für das Portfolio von HPE und Aruba." Der Deal werde für HPE einen greifbaren Geschäftswert in den Netzwerkmärkten für Unternehmen, Telekommunikationsunternehmen und Cloud-Anbieter bringen sowie zusätzliche Möglichkeiten in Bezug auf Service-, Verbrauchs- und Abrechnungsmodelle bieten. "Wie bei allen großen Akquisitionen wird viel von der erfolgreichen Integration und der Beibehaltung von Schlüsselkompetenzen abhängen", konstatiert der IDC-Analyst.

"Wie bei allen großen Akquisitionen wird viel von der erfolgreichen Integration und der Beibehaltung von Schlüsselkompetenzen abhängen", sagt der IDC-Analyst Chris Barnard.
Foto: IDC

Barnard geht ferner davon aus, dass eine solche Übernahme die Wettbewerbssituation im Netzwerkbereich im weiteren Sinne neu gestalten und Auswirkungen auf Channel-Partner und andere Ökosysteme haben wird, die bereits seit vielen Jahren bestehen.