Flexibles Arbeiten

Home Office nutzt Arbeitgeber und Familie

05.05.2016 von Stephen Duignan
Das Home-Office und Heimarbeit stoßen bei deutschen Arbeitgebern und Führungskräften auf wenig Gegenliebe. Ein Fehler, denn Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter im Büro zu Hause produktiver sind als im Unternehmen. Und es gibt Maßnahmen, wie man die Arbeit im Home-Office im gegenseitigen Vertrauen regeln kann.
  • Arbeitgeber sehen flexible Arbeitsmodelle noch immer skeptisch.
  • Die Politik will die Heimarbeit gesetzlich verankern.
  • Arbeit im Home-Office lässt sich nicht an der Zeit, sondern an Projektarbeit messen.

Das Home-Office und mobiles Arbeiten haben in Deutschland keinen leichten Stand. Seit 2008 ist die Zahl der Heimarbeiter kontinuierlich gesunken. Viele Vorgesetzte mauern nach wie vor, wenn es darum geht, mehr Flexibilität im Arbeitsalltag zu gewähren. Dieser Eindruck spiegelt sich auch in den deutschen Online-Jobportalen wider. Sucht man dort nach Stellenangeboten mit Home-Office-Angebot, finden sich ausschließlich Vertriebs- und Servicestellen wie etwa Telefonakquise oder Außendienstaufgaben. Alles Jobs, wo ein festes Büro ohnehin nur selten zur Stellenbeschreibung gehört.

Mitarbeiter, die im Home-Office arbeiten, sind produktiver als gedacht.
Foto: BsWei - shutterstock.com

Heimarbeit schafft zufriedenere Mitarbeiter

Nachdem auch Branchengrößen wie Yahoo-Chefin Marissa Mayer den Heimarbeitsplatz wieder aus ihrem Unternehmen verbannt haben, steht das lange als Zukunftsmodell gehandelte "Büro-Zuhause" mehr denn je auf dem Prüfstand. Zu Unrecht: Aktuelle Studien wie beispielsweise der Stanford University zeigen, dass die Produktivität von Mitarbeitern sich deutlich verbessert, wenn sie die Möglichkeit haben, im Home-Office zu arbeiten. In einem chinesischen Call-Center stieg die Produktivität der Heimarbeiter im Verhältnis zur Kontrollgruppe sogar um 13,5 Prozent - ein nicht unerheblicher Zuwachs. Außerdem sind Angestellte, die das Büro im eigenen Heim nutzen können, einer britischen Befragung zufolge überdurchschnittlich zufrieden in Arbeit und Freizeit. Grund genug für die Niederlande, Home-Office in der Gesetzgebung zu verankern. Jüngst forderte auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles Bewegung bei diesem Thema.

Karrierekiller statt Chance für Familien

Arbeitgeber lehnen flexiblere Arbeitsmodelle oft schlicht aus Prinzip ab. Sie erschweren es Arbeitnehmern so zusätzlich, Möglichkeiten wie Teilzeitarbeit oder Home-Office einzufordern. Einer Veröffentlichung des Modern Family Index zufolge fühlen sich 60 Prozent aller Familienväter nicht wohl mit der Idee, den oder die Vorgesetzte aktiv darauf anzusprechen.

Da ist es auch nicht förderlich, dass das Home-Office einen gewissen Ruf als leiser Karrierekiller hat. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis gerade jüngerer Arbeitnehmer nach einer größeren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und Väter wollen mehr denn je eine aktive Rolle in der Familie übernehmen - hierzu können flexible Arbeitsmodelle erheblich beitragen.

12 goldene Regeln fürs Home Office

Viele IT-Manager fürchten die Heimarbeit als Produktivitätskiller. Damit Telearbeit nicht ins Desaster führt, müssen klare Regeln gelten – für Homeworker und für ihre Teams.
Regeln für Telearbeiter: 1. Routinen einhalten
Heimarbeit braucht feste Zeiten, um nicht in den Freizeitpark zu führen. Überlegen Sie, zu welchen Zeiten Sie für das Unternehmen erreichbar sein müssen, und legen Sie drum herum Ihre Arbeitszeiten je nach Biorhythmus.
2. Arbeitsplatz einrichten
Heute hier, morgen dort arbeiten? Bloß nicht. Das Gehirn braucht einen festen Anker. Sobald es dann den Schreibtisch sieht, switcht es automatisch in den Arbeitsmodus.
3. IT-Support sichern
Die technische Erreichbarkeit ist Grundvoraussetzung für den Heimarbeitsplatz. Daher unbedingt mit dem Arbeitgeber klären, wer bei auftretenden Problemen hilft.
4. Nanny anstellen
Störende Kinder bei der Arbeit sind ein No-Go – im Büro genau wie im Home Office. Also für Betreuung sorgen, wenn es möglich ist.
5. Grenzen ziehen
Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Soll heißen: Im Job arbeitet man diszipliniert und vorbildlich wie in der Firma. Nach Feierabend aber schaltet man genauso vorbildlich ab. Und lässt das Bürotelefon im Arbeitszimmer läuten, bis es schwarz wird.
6. Flurfunk empfangen
Wer zu Hause arbeitet, bekommt weniger von den Schwingungen im Unternehmen mit. Dort stehen Homeworker in der Holschuld. Denkbar sind etwa regelmäßige Update-Telefonate mit einem Kollegen oder das tägliche Einloggen ins firmeneigene soziale Netzwerk.
Regeln fürs Team: 7. Leitplanken setzen
Ohne Vertrauen geht nichts. Der Chef sollte seiner Mannschaft feste Leitplanken setzen, innerhalb derer sie freie Fahrt gestatten. Die neue Denke: Hauptsache, die Arbeit wird erledigt. Egal wo.
8.Transparenz schaffen
Jedes Teammitglied muss wissen, wie und wann die Kollegen erreichbar sind. Ein elektronischer Teamkalender verschafft Durchblick.
9. Medien festlegen
Der digitale Büro-Austausch hat viele Gesichter: Telefon, E-Mail und Chat, WhatsApp Videokonferenz und Firmenwikis. Das Team sollte festlegen, was man wie mitteilt.
10. Technik umarmen
Neue Techniken sind für Telearbeiter-Teams immer Freund und nicht Feind. Also bitte nicht die Kamera beim Videochat zukleben – das Gesicht sagt manchmal mehr als 1.000 Worte!
11. Fair bleiben
Gleiches Recht für alle. Falls durch die veränderten Arbeitsorte Mehrarbeit entsteht, muss diese gleichmäßig auf den Schultern von Präsenz- und Telearbeitern verteilt werden. Chefsache.
12. Jours fixes vereinbaren
Der altmodische Austausch von Angesicht zu Angesicht ist durch keine Webkonferenz der Welt zu ersetzen. Feste Termine für Teamtreffen festlegen, wenn es möglich ist.
zusammengestellt von Judith-Maria Gillies
freie Wirtschaftsjournalistin in Köln.

Rahmenbedingungen für gute Zusammenarbeit

Langfristig werden Unternehmen allerdings bei aller Skepsis kaum daran vorbeikommen, sich umzuorientieren, denn gerade junge High Potentials leben Mobilität in ihrem Alltag und fordern sie auch von ihrem Arbeitgeber ein. Um ein für Arbeitnehmer und -geber zufriedenstellendes Umfeld zu schaffen, können Regelungen wie eine begrenzte Zahl von Home-Office-Tagen pro Woche oder auch eine Anwesenheitspflicht zu bestimmten Terminen einen guten Kompromiss bilden. Mit den folgenden Tipps profitieren alle vom Büro in den eigenen vier Wänden:

Das Büro zu Hause birgt Einsparpotenzial

Ist nicht ständig die gesamte Belegschaft anwesend, können Miet- und Bürokosten gesenkt werden - und auch Streiks und Staus beeinträchtigen die Produktivität nicht mehr. Aber neben diesen rein finanziellen Vorteilen liegt der größte Gewinn in den Freiräumen, die Mitarbeiter durch Heimarbeit erhalten. Sind die Beschäftigten zufriedener und somit produktiver, profitiert das gesamte Unternehmen davon. Mit den heutigen Techniken lassen sich diese Möglichkeiten einfacher denn je umsetzen. (pg)