Das nächste große Ding

Hersteller packen das Rechenzentrum ein

14.10.2008 von Simon Hülsbömer
Erste RZ-Bauer liefern in Containern mit eigenem Kühlsystem aus. Der modulare Aufbau birgt Chancen, aber auch viele Nachteile.

Hersteller wie IBM, Sun und Rackable Systems verkaufen die verpackten Data Center bereits. Ein einziger Schiffscontainer fasst Hunderte, manchmal gar Tausende von Servern. Microsoft baut in der Nähe von Chicago an einem Rechenzentrum, das aus mehr als 150 Containern besteht, jeder mit bis zu 2000 einzelnen Servern. Google hatte sich schon im vergangenen Jahr ein Patent für "einen modularen Transportcontainer und ein Computersystem innerhalb dieses Containers" gesichert.

So stellt sich IBM sein Container-RZ vor.
Foto: IBM

Glaubt man den ersten Anwendern, sind containerisierte Rechenzentren schneller einzurichten und leichter zu verwalten als herkömmliche. "Wir glauben deshalb nicht mehr an das traditionelle Data Center - es wird sterben", sagt Geoffrey Noer, Vice President von Rackable Systems, das das modulare Container-RZ "ICE Cube" (die Namensgleichheit mit einem US-Rapper ist scheinbar rein zufälliger Natur) verkauft. Des Weiteren seien die verpackten Server energieeffizienter - eine Erfahrung, die allerdings von ersten Anwendern und einzelnen Herstellern angezweifelt wird. So stellte IBM fest, dass das hauseigene "Portable Modular Data Center" den gleichen Effizienzlevel erreiche wie ein herkömmliches Rechenzentrum in einem feststehenden Gebäude. Big Blue wirbt im Rahmen seiner Bemühungen für Green IT dennoch für den modularen Ansatz und unterstreicht die Vorteile von standardisiertem Aufbau und vordefinierten Komponenten. Diese müssten jedoch nicht zwingend in einen Container gepresst werden. "Wir unterstützen Container-basierte Rechenzentren nur bedingt", tritt Steve Sams, Vice President bei IBM Global Technology Services, auf die Euphoriebremse. Container nutzten den zur Verfügung stehenden Platz ideal aus, bei effizienterer Nutzung von Räumen und Gebäuden sei jedoch kein Unterschied auszumachen, stellt er fest.

Kühlung kaum skalierbar

Auch Sun steigt mit seinem 'Modular Data Center' voll ins Containergeschäft ein.
Foto: Sun

Die Containerverkäufer priesen gerne bis zu 80 Prozent niedrigere Kosten für die RZ-Kühlung an, verglichen laut Sams aber zumeist nur den idealen Container mit dem schlecht ausgelasteten klassischen Data Center. Größter Nachteil der verpackten Technik sei es, dass jeder Container einzeln gekühlt werden muss - in einem feststehenden Gebäude könnten mehrere Räume über Klimaanlagensysteme effizienter miteinander verbunden werden. Diese Art von Skalierbarkeit ließen die Container-Hersteller nach Aussage von Sams gerne unter den Tisch fallen.

Nur Wasser und Strom

Gartner-Analyst Rakesh Kumar sieht die Energieeffizienz ebenfalls nicht als Vorteil des Container-RZ an. Stattdessen betont er die schnelle Verfügbarkeit des modularen Data Center, da Großbaustellen vermieden werden können. "Wer allerdings schnell arbeiten muss, kann sich seine Daten auch bei einem externen Dienstleister hosten lassen", gibt er zu bedenken. Der Analyst glaubt nicht, dass sich das "RZ in der Box" in der Breite durchsetzen wird, dafür sei die Entwicklung hin zu ins Web ausgelagerten Rechenzentren bereits zu weit.

Deren Unterstützter wiederum unterstreichen die Vorteile in der Einrichtung und Wartung. Jede Box ist praktisch autonom, funktioniert für sich selbst. Wasser, Strom und eine Netzwerkverbindung - mehr benötigt ein einzelner Container nicht zum Leben. Darüber hinaus halten sie einiges aus: Rackables ICE Cube, mit bis zu 22 400 Prozessorkernen in 2800 Servern ausgestattet, ist wasserfest und mit mehreren Alarmvorrichtungen und Schlössern ausgerüstet. Suns Container "Project Blackbox" kann ein Erdbeben überleben - der Hersteller hat den Prototypen an einem der weltgrößten Erdbebensimulatoren an der "University of California" in San Diego testen lassen.

Nichts für arme Schlucker

Der größte Wermutstropfen bei den Containern ist der Preis: Ein voll ausgestatteter ICE Cube kostet mehrere Millionen Dollar, das meiste Geld ist indes für die Hardware eingeplant. Durch den geringeren Stromverbrauch könnten die Kosten laut Noer aber bald wieder hereingeholt werden.

Es ist dennoch zu früh, die Zukunft des Data Center vorherzusagen: Alle Hersteller befinden sich gerade in der Markteinstiegsphase, noch liegen kaum praktische Erfahrungen von Anwendern vor. Gartner-Analyst Kumar blickt nach vorne: "Zu empfehlen sind die Container bislang vor allem für den Gebrauch in Gefahrenzonen wie auf Militärbasen und für große Konzerne, die sich die Unabhängigkeit ihrer IT bewahren möchten, ohne auf die Vorteile modularer Ansätze zu verzichten."

Vor- und Nachteile des modularen RZ

PRO:

+ leicht skalier- und transportierbar;

+ jeder Container arbeitet autonom: Er braucht nur Wasser, Strom und einen Netzwerkanschluss;

+ schnelle Einrichtung;

+ einfache Wartung.

CONTRA:

- hoher Preis (mehrere Millionen Dollar);

- keine Vorteile beim Energieverbrauch.