Happy Birthday, IRC

11.08.2003 von Manfred Bremmer
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Finne Jarrko Oikarinen schuf vor 15 Jahren mit dem Internet Relay Chat (IRC, sprich Irk) die Grundlage für ein bahnbrechendes Online-Kommunikationssystem. Obwohl im Lauf der Zeit als Alternative unzählige Web-basierende Chatrooms wie Pilze aus dem Boden schossen, schwören Kenner nach wie vor auf das Original.

Als Oikarinen im August 1988 IRC entwickelte, war der Student lediglich auf der Suche nach einer Diskussionsplattform für das lokale Unix-gestützte Mailbox-System der Universität von Oulo (Oulo-Box). Der findige Finne erkannte aber bald, dass IRC als eigenständiges Programm dem vorhandenen Bulletin Board System (BBS) überlegen war. Er begann daher, im In- und Ausland die Werbetrommel für sein Programm zu rühren. Bald entstanden Anbindungen zu den Universitäten von Helsinki und Tampere. Als Finnland kurze Zeit später an das Internet angeschlossen wurde, gelangte IRC in die USA und verbreitete sich schließlich über die ganze Welt. Nach Deutschland kam das Client-Server-System im Oktober 1989.

Vom IRC zum Internet-Chat

In der Anfangszeit des Web war die Faszination groß, mit Teilnehmern aus aller Welt kommunizieren zu können. Das Vergnügen war allerdings primär (Informatik-)Studenten vorbehalten, da nur wenige Privatleute über einen Internet-Zugang verfügten. Nach und nach änderte sich die Situation, parallel zu IRC entstanden Web-basierende Chat-Systeme, die zwar nur eine eingeschränkte Funktionalität besaßen, sich dafür aber auch für Computerlaien eigneten. So werden in der Regel keine spezielle Software oder Befehle benötigt, nach dem Aufruf einer einschlägigen Web-Adresse kann der Nutzer sofort in den angebotenen Chat einsteigen.

Während das IRC zumindest ursprünglich für wissenschaftliche Diskussionen gedacht war, begeisterten sich neben Singles insbesondere Teenies für die Internet-Chatrooms. Der Boom hatte zur Folge, dass das Chatten bald im Mittelpunkt des öffentlichen und natürlich auch wissenschaftlichen Interesses geriet. Sprachforscher beschäftigten sich mit der Chat-Kommunikation, die - obwohl schriftlich - in ihrer knappen, effizienten Form eher mündlichen Dialogen ähnelt und mit Cyber-Slang und Emotions angereichert ist. Sozialwissenschaftler interessierte dagegen die Chatiquette, eine Art Knigge für Chatrooms.

Natürlich blieb auch Kritik nicht aus. So sahen Kulturpessimisten beim Chatten wieder einmal die Gefahr, dass die Nutzer zu Hause vor ihren Bildschirmen vereinsamten - ähnliche Warnungen hatten sie bereits in den 60er Jahren bei der Einführung des Fernsehens und später anlässlich der Verbreitung von Videospielen und Computern ausgegeben. Ein kurzer Besuch in einem Chattroom hätte ihnen jedoch demonstriert, dass es in einem Großteil des öffentlichen Plauschs augenscheinlich darum geht, den Gesprächspartner in einen privaten Kanal und später zu sich nach Hause abzuschleppen.

Für gemischte Gefühle sorgte auch ein weiteres Phänomen des Chattens, nämlich die Möglichkeit, dank der Anonymität des Web eine neue und häufig idealisierte Identität anzunehmen. Soziologen sahen daher in den Chatrooms eine Therapiemöglichkeit für behinderte und kommunikationsgestörte Menschen. Jugendschützer warnten dagegen davor, dass Sexualtäter sich online das Vertrauen von Minderjährigen erschleichen könnten.

Mit dem Ende des Internet-Hypes ging das öffentliche Interesse am Chatten als Massenphänomen wieder stark zurück. Die Berichterstattung über IRC nimmt dagegen inzwischen wieder zu, wenn auch im meist negativen Sinne, etwa im Zusammenhang mit Virenattacken oder Raubkopien.

Links- www.mirc.de 

- www.irc-mania.de 

- www.irc-pages.de  

- www.irc-info.de

Oikarinens System hat die langen Jahre unbeschadet, wenn auch nicht unverändert, überlebt. So hat sich das ursprüngliche IRCnet in einige teilweise inkompatible Unternetze aufgespaltet, das Programm selbst erhielt zusätzlich zu dem ursprünglichen Unix- auch Clients für andere Betriebssysteme, etwa "Mirc" für Mircosoft Windows. Daneben ist inzwischen auch IRC-Chat über eine Website per Applet möglich.

Das Chat-System entwickelte sich nicht allein wegen seines kühlen Charmes zu einem beliebten Medium von Hackern, Wardrivern, Spielefans oder generell Computer-Nerds: IRC hinkt zwar alternativen Einzellösungen hinterher, in seiner Gesamtheit bietet es jedoch Chattern und Moderatoren eine Fülle von Möglichkeiten. So können Nutzer nicht nur mit Freunden oder Bekannten in einem privaten Kanal chatten, sondern auch ihre eigenen Dateien wie auf einem FTP-Server offen legen. Der IRC-Kanal fungiert somit als Online-Tauschbörse. Die Hoffnung, dabei ungestört schalten und walten zu können, erwies sich allerdings auch im IRC weitgehend als Trugschluss.