Interne IT

Hang zur Lethargie

25.11.2009 von Joachim Hackmann
Die Zeiten, in denen die komplette IT im Haus betrieben wurde, sind vorbei. Dennoch gibt es wichtige Gründe für den Eigenbetrieb - und dagegen.
Quelle: Ch. Stoll/Fotolia
Foto: Ch. Stoll - Fotolia.com

Wie Peter Hinssen, Lehrer an der London School of Business und Berater aus Belgien, CIOs anlässlich einer IT-Konferenz ansprach, war schon eine Provokation: "Die IT ist viel zu wichtig, um sie der IT-Abteilung zu überlassen. Zerschlagt die interne IT in kleine Einheiten und integriert sie in die Geschäftsbereiche!" Hinssen widerstrebt vor allem das derzeit moderne Business-Alignment. Indem man die IT auf Linie des Kerngeschäfts und der Fachbereiche bringe, dränge man sie in eine viel zu passive Rolle. Ideal erscheint ihm die interne IT von Procter & Gamble. Dort verließen 5000 von 7000 IT-Mitarbeitern das Unternehmen im Zuge von Outsourcing-Deals. Die restlichen 2000 IT-Profis wurden in die Abteilungen integriert.

Immer mehr Unternehmen diskutieren die Rolle ihrer IT mit einer bislang ungewohnten Konsequenz. Hintergrund ist die Kritik, der sich Zentralabteilungen grundsätzlich stellen müssen. Sind sie agil und flexibel genug, um dem Unternehmen zu helfen, oder entwickeln sie - im Gegenteil - einen Apparat mit kontraproduktiven Zügen? Technische Unzulänglichkeiten in Form von Server-, PC- und Netzausfällen sind meistens der Aufhänger für solche Debatten, später kommt der Vorwurf der mangelnden Kunden- und Geschäftsorientierung hinzu.

Sourcing-Kosten sind oft unbekannt
Sparen im Blindflug
Unternehmen lagern aus, um zu sparen, scheuen aber die notwendigen Veränderungen. Das Outsourcing soll kurzfristig Kosten senken, doch einer Erhebung des Beratungshauses PA Consulting Group zufolge geht bei vielen Unternehmen die Rechnung nicht auf.<br/><br/> Auf den folgenden Seiten finden Sie die Ergebnisse der Umfrage.
Interne Kosten
Die Kosten für den externen Bezug sind in der Regeln vertraglich geregelt. Die weiterhin anfallenden internen Kosten kennen viele Unternehmen jedoch nicht.
Reaktion auf die Krise
In Krisenzeiten wollen Unternehmen mehr auslagern. Zudem planen sie, ihre laufenden Verträge neu zu verhandeln.
Trend zum Multi-Sourcing
Das Multi-Sourcing bleibt die Einkaufsstrategie der Wahl für die meisten Unternehmen.
Risiken des Multi-Sourcing
Die Schattenseite des Multi-Sourcing ist die aufwendige Provider-Steuerung. Im Management und in der Integration der externen Dienstleister sehen die Formen die größte Herausforderung.
Kosten Retained Organisation
Wie hoch sind die Kosten der internen Organisation bezogen auf die Kosten des Outsourcing? Die meisten Unternehmen wussten darauf keine Antwort.
Innovationsschwerpunkt Technik
Die Provider führen in der Regel technische Neuerungen ein und verbessern die Qualität der Service-Levels. Direkte und positive Auswirkungen auf das Kerngeschäft haben die Innovationen selten.
Neuverhandlungen angestrebt
Die Anwender streben Kosteneinsparungen an, indem sie den Wettbewerb eröffnen. Selbst wenn sie laufende Outsourcing-Verträge haben, verhandeln sie nicht exklusiv mit dem aktuellen Provider.

IT rückt enger ans Kerngeschäft

Als Antwort darauf galt lange, das Problem einfach auszulagern, entweder in Shared Service Center, IT GmbHs oder zu einem Outsourcing-Provider. Allheilmittel bieten die alternativen Betriebsformen nicht. Insbesondere unter dem Aspekt, die IT enger an das Kerngeschäft zu binden, versagt der Auslagerungsansatz. Zuletzt haben sich daher einige Firmen bewusst für den internen Betrieb der IT entschieden, etwa die Deutsche Post oder Rewe. Wir haben im Folgenden die typischen Vor- und Nachteile interner IT-Abteilungen zusammengefasst.

Die Nachteile: wenig Skaleneffekte und Innovationen

Fehlende Skaleneffekte: Gerade im Infrastrukturbereich haben die internen IT-Abteilungen große Schwierigkeiten, vom Preisverfall im Markt ausreichend zu profitieren. In der IT sind viele Aufgaben weitgehend automatisiert, so dass Effizienzgewinne vor allem mit besserer Skalierung und günstigerem Einkauf möglich sind. Vor diesem Hintergrund ist die Konsolidierung im IT-Servicemarkt auch zu verstehen. Die wenigen Großanbieter können günstiger liefern. "Wenn die IT eine wichtige Rolle im Unternehmen spielt, wird die interne IT sich schwertun, die erforderlichen Kompetenzen und Skaleneffekte bereitzustellen. Sie wird nicht darum herumkommen, zumindest einen Teil auszulagern", betont Marcus Eul, Partner bei A.T. Kearney. Doch keine Regel ohne Ausnahmen: Sehr große Konzerne wie beispielsweise die Deutsche Post trauen sich durchaus zu, ähnlich effizient wie Outsourcer zu optimieren. Und auch mittelständische Firmen betreiben oft kleine pragmatische Installationen, deren Übernahme sich für externe Provider nicht lohnt.

Zufriedenheit mit dem Outsourcing
Ein Dutzend mal Begeisterung
An der Kundenzufriedenheitsstudie der Hochschule Aschaffenburg nahmen 70 IT-Manager teil. Darunter zeigten sich zwölf Teilnehmer sehr zufrieden mit ihrem Partner. Bei den Anwendern vermuten sie allerdings eine geringere Zustimmung.
Die wichtigsten Zufriedenheitsmerkmale
Das sind die elf Merkmale, die den größten Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit haben.
Kaum veränderte Zufriedenheitswerte
Der Mittelwert von 2,2 liegt in etwa auf Höhe der Studie von 2007.
Was den IT-Chefs gefällt
Den IT-Verantwortlichen gefallen Einhaltung der SLAs und Zuverlässigkeit - Dinge also, die ihnen das Leben leichter machen.
Innovation - nicht so wichtig!
Beratungs- und Innovationsleistungen der Dienstleister lassen zu wünschen übrig - aber CIOs erwarten hier auch nicht viel von Outsourcing-Providern.
Zuverlässigkeit und SLAs - sehr wichtig!
Zuverlässigkeit, SLAs und Kosten haben für IT-Entscheider Vorrang.
Die Kosten sind nie optimal
Auffällig: Die Kosten sind den CIOs am drittwichtigsten, in der Zufriedenheit liegen sie aber nur auf dem 5. Rang.
Immer Ärger mit dem externen Helpdesk
Die Auslagerung des Helpdesks macht IT-Verantwortlichen den meisten Kummer. Wer alles auslagert, ist am zufriedensten - scheinbar, denn die Basis der Befragten reicht für solche Rückschlüsse eigentlich nicht aus.
Zufriedenheit in Abhängigkeit von der Outsourcing-Leistung.
Die Zahlen in den Balken entsprechen den CIOs, die mitgemacht haben. Mit anderen Worten: Für Komplett-Outsourcing und BPO reichen die Teilnehmer nicht aus. Die Hochschule wird die Studie deshalb bis zum Jahresende fortführen, um auch hier valide Aussagen treffen zu können.
Gute Partnerschaft hat Vorrang
Von zwölf CIOs, die angaben "sehr zufrieden" zu sein, sagten elf, sie pflegten ein gutes partnerschaftliches Verhältnis. Acht sind mit der Flexibilität des Partners bei Veränderungswünschen hochzufrieden etc.
Anwender wollen Gesprächspartner
Bei den so genannten "Soft Facts" liegen das partnerschaftliche Verhältnis und die offene Kommunikation weit oben in der Gunst der CIOs.
Welche Vorteile sich de facto einstellten
Kostentransparenz und Besinnung auf das Kerngeschäft sind die beiden echten Vorteile, die CIOs ausmachen. Die Grafik zeigt eine Gegenüberstellung der Bedeutung einzelner Aspekte und des vom Dienstleister realisierten Erfüllungsgrads.
Ein Drittel ist rundum glücklich
Knapp ein Drittel der Befragten sehen ihre Ziele zu 100 Prozent erreicht, rund 56 Prozent immer noch zu 75 Prozent.

Mangelnde Innovation: Den Großteil ihres IT-Budgets stecken Unternehmen in den Betrieb, so dass wenig Geld für andere Aufgaben zur Verfügung steht. Zudem sind die eigenen Mitarbeiter vornehmlich im Tagesgeschäft gebunden. Dadurch geraten die IT-Shops aus dem Fokus des Business-Managements. Oder sie fallen unangenehm auf, da notwendige Neuerungen oft nicht schnell genug umgesetzt werden. "Um Qualität und Kosten zu verbessern, muss man Geld in die Hand nehmen", weiß Eul. Doch dazu fehlt es vielerorts an Bereitschaft. Hinzu kommt, dass die internen Provider oft zu isoliert arbeiten. Die Outsourcer dagegen sammeln in Kundenprojekten ständig neue Erfahrungen mit aktuellen Techniken und Abläufen, und sie können dadurch erprobte Verfahren schneller in den Betrieb übernehmen. Der Druck des Wettbewerbs zwingt sie zu ständigen Innovationen in der IT.

Kompetenzdefizit: Die wachsenden Anforderungen an die IT, etwa in der Sicherheit, dem Datenschutz, der Einbindung mobiler Mitarbeiter und der Integration von Web-Lösungen, lassen sich nur durch Einführung neuer Technik erfüllen. In der weltweiten Vernetzung mit den Niederlassungen hat etwa Voice over IP (VoIP) die interne Kommunikation revolutioniert. Das Know-how dafür können sich Unternehmen durch Schulungen aneignen. Einfacher und schneller ist es, den Netzbetrieb einem Spezialisten zu übergeben, zumal die Vermittlung von Daten und Sprache nicht zum Kerngeschäft eines Anwenderunternehmens zählt. Das Kompetenzdefizit wird vielen Unternehmen regelmäßig dann bewusst, wenn etwa ein SAP-Update ansteht. Anwender stehen nur selten vor dieser Aufgabe - bei den Service-Providern zählt sie zum Tagesgeschäft.

Schlechter Service: Zwar gibt es viele interne IT-Abteilungen, die im Lauf der vergangenen Jahre Serviceabläufe verbessert und beispielsweise an Itil ausgerichtet haben, doch die Regel ist das noch nicht. "Ja, wir haben den Itil-Gedanken verfolgt, konnten ihn aber nicht richtig umsetzen", berichtete etwa Hubert Böhm, IT-Leiter der deutschen Niederlassung des Arzneimittelherstellers Daiichi Sankyo, auf dem Bitkom-Kongress "Entscheiderforum Outsourcing" in Bad Homburg. SLAs unterhielt das Unternehmen nur mit den Lieferanten, nicht jedoch mit den Fachbereichen und ihren rund 600 Mitarbeitern. Die Prozesse waren nur zum Teil standardisiert, so dass vor allem die Spezialisten unter den IT-Mitarbeitern häufigen User-Support leisteten und Routineaufgaben erledigten. Pro Monat liefen etwa 350 Tickets in der IT-Abteilung ein, "die Dunkelziffer dürfte erheblich größer gewesen sein", vermutet Böhm. Heute betreibt Beck et al. den Helpdesk.

Die Vorteile: Know-how und Kundennähe

Keine Overhead-Kosten: Interne IT-Abteilungen müssen anders als Provider keine Gewinne erwirtschaften. Mit diesem Kostenvorteil können sie, wenn sie gut aufgestellt sind, die IT günstiger betreiben als Dienstleister. "Ich kenne einige Beispiele, in denen die internen Produktionskosten so niedrig sind, dass ein externer Betreiber die Leistungen nicht zu einem vergleichbaren Preis liefern kann - die Anwender betreiben ganz offensichtlich das richtige Modell", berichtet Hartmut Jaeger, Mitglied der Geschäftsleitung PA Consulting Deutschland. Das bestätigt auch Joachim Reichel, CIO beim Chemiekonzern Wacker: "Die Kostenvorteile des Outsourcings werden oft zu optimistisch beurteilt, weil der Transitions- und Steuerungsaufwand im laufenden Betrieb falsch eingeschätzt wird." Zur Rückendenkung der internen IT-Abteilungen zitierte er auf der Bitkom-Veranstaltung eine Erhebung, wonach Unternehmen mit weitreichendem Outsourcing keine Kostenvorteile gegenüber Firmen mit mittlerer Fertigungstiefe hätten.

Weitere Artikel zum Thema

• Shared Service Center beliefern nur interne Anwender. Für IT-Dienste sind SLAs und Preise definiert (hier geht es zum Artikel "Shared Service Center: Geteiltes Leid …").

• IT GmbHs arbeiten wie Shared Service Center, versorgen aber darüber hinaus auch externe Kunden (hier geht es zum Artikel "IT GmbHs: Im Haifischbecken").

• Im Outsourcing werden Dienste extern betrieben. Verträge mit Providern regeln Schnittstellen, SLAs und Preise (hier geht es zum Artikel "Outsourcing: Enttäuschte Hoffnungen").

Nähe zum Kunden: Vor einem zu engen Beziehungsgeflecht der internen IT-Mitarbeiter mit ihren Kollegen aus den Fachbereichen wurde schon oft gewarnt. Es unterlaufe die formalisierten Supportabläufe, binde qualifizierte Kollegen mit Routineaufgaben und verteuere die IT-Dienstleistungen. Übersehen wird dabei gerne, dass der persönliche Kontakt auch großes Potenzial bietet. Richtig kanalisiert kann er helfen, die IT enger ans Kerngeschäft zu führen und stärker in den Nutzen der Anwender zu stellen.

Know-how-Sicherung: Das Wissen um die Nöte der Anwender und ihrer Belange geht mit dem Wechsel wichtiger IT-Mitarbeiter zum externen Dienstleister verloren. Die Beziehungen zwischen dem IT-Provider und den internen Fachbereichen werden auf stark formalisierte Abläufe ausgerichtet, was zwar die Effizienz steigert, aber die Kreativität bremst. Eine gut organisierte interne IT-Organisation mit definierten Prozessen (etwa nach Itil) kann beide Vorteile miteinander verknüpfen.

Eigenständigkeit: Verliert das Unternehmen Schlüsselkompetenz an externe Provider, droht Abhängigkeit. Interne Spezialisten, die nur dem Wohl der eigenen Firma verpflichtet sind, erweisen sich vor allem dann als Vorteil, wenn die IT etwa auf eine veränderte Geschäftsstrategie reagieren muss. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Unternehmensbereiche verkauft werden oder übernommene Firmen integriert werden müssen. Auch eine Portfoliobereinigung im Kerngeschäft wirkt sich häufig auf die interne IT aus. Routineaufgaben bieten sich zwar zur Auslagerung an, doch gerade in volatilen Märkten ist kaum vorhersehbar, welche IT-Leistungen Unternehmen künftig für ihr Kerngeschäft benötigen. Auslagerungsverträge mit mehrjähriger Bindung sind dabei hinderlich.