Weltweite SAP-Migration

Hager spart Geld in der Logistik

14.10.2009 von Frank Niemann
Im Rahmen einer SAP-Konsolidierung führte die Hager Group neue Prozesse für die gruppeninterne Logistik ein und automatisierte die Auftragsannahme.

Der SAP-Anwender Hager Group konsolidiert im großen Stil vier ERP-Systeme. Dabei werden 40 Gesellschaften aus zehn Mandanten inklusive der Altdatenbestände in ein neues SAP-System migriert. Das Unternehmen stellt Elektroverteilungen für Wohn- und Gewerbegebäude wie Zählerschränke, Modulargeräte, beispielsweise Schalter und Sicherungen, Steuer-Bussysteme, Kabelkanäle und Raumanschlusssysteme her. Das weltweit tätige Familienunternehmen beschäftigt über 10.000 Mitarbeiter, die einen Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Euro erwirtschaften.

Im Zuge der Systemumstellung führte die Hager Group bereits unterschiedlich konfigurierte R/3-Applikationen (Release 4.6C) zusammen und stellte die neue Umgebung (SAP ERP) zusätzlich auf Unicode um.

Die weltweit tätige Hager Group stellt Elektroverteilungen für Wohn- und Gewerbegebäude her.
Foto: Hager Group

Bei der erforderlichen Stammdatenharmonisierung war eine der größten Herausforderungen, die Finanzbuchhaltung im Gesamtunternehmen zu vereinheitlichen. Dazu brauchte man zunächst einen operativen Kontenplan, der über Sprach- und Ländergrenzen hinweg Buchungsregeln vorgibt. Ein solcher Kontenplan hat flexibel genug zu sein, um sowohl die Anforderungen des gruppenweiten Controllings als auch die Landesspezifika aller Standorte abzudecken. "Der gemeinsame Kontenplan und das gemeinsame Controlling sind die Basis, um die Margen aller Produkte firmenübergreifend vergleichen zu können", erklärt Ulrich Holzer, Director Corporate IT & Controlling Hager Group. Gemeinsam mit dem für die Umsetzung beauftragten Partner Orbis AG aus Saarbrücken entwickelte das Unternehmen Prozessschablonen, um die Abläufe in der Buchhaltung, dem Controlling und in der Logistik zu standardisieren. Trotz der Templates sollten die einzelnen Gesellschaften jedoch in der Lage sein, flexibel auf jeweilige Kundenanforderungen reagieren zu können.

Zwar ist die Vereinheitlichung schon fortgeschritten, aber noch nicht ganz abgeschlossen: 28 Buchungskreise sind bereits umgestellt und acht sind auf dem Weg dahin. Weitere elf folgen, so dass am Schluss 47 Buchungskreise im neuen System vorhanden sein werden. Darin sind auch Buchungskreise enthalten, die für zwischenzeitlich übernommene Gesellschaften angelegt wurden.

Geld sparen mit Cross Border Ownership

Der gemeinsame Kontenplan und das gemeinsame Controlling sind die Basis, um die Margen aller Produkte firmenübergreifend vergleichen zu können", erklärt Ulrich Holzer, Director Corporate IT & Controlling Hager Group.
Foto: Hager Group

Im Rahmen der SAP-Migration hat der Konzern seine Prozesse nicht nur harmonisiert, sondern auch verbessert. Die Hager Group besteht aus vielen Einzelgesellschaften in unterschiedlichen Ländern, die gegenseitige Lieferbeziehungen unterhalten. Somit herrscht ein reger gruppeninterner Warentransit. Die neue gruppeninterne Logistik gestattet es, Waren beispielsweise aus einer französischen Fertigungstochter an eine deutsche Gesellschaft zu liefern und dort einzulagern, ohne dass die Güter sofort in das Eigentum der deutschen Tochter übergehen ("Cross Border Ownership"). Fakturiert wird erst, wenn die Artikel an einen deutschen Kunden geliefert werden. Dies hat aus Sicht von IT- und Controlling-Chef Holzer erhebliche Vorteile in Sachen Warenverfügbarkeit und Cash-Flow. Das Prinzip entspricht dem eines Konsignationslagers innerhalb eines internationalen Unternehmens. Dies war nicht nur aus organisatorisch-technischer Sicht eine Herausforderung: Die Konzepte mussten mit den jeweiligen Behörden der beteiligten Länder abgestimmt werden, ein Vorgehen, was für so manchen Experten Neuland war.

OCR erfasst die Kundenaufträge

Auch an der Kundenschnittstelle hat die Hager Group die Abläufe effizienter gemacht: Auf Papier in der Auftragsannahme kann der Konzern weitgehend verzichten. Rund 40 Prozent der Aufträge treffen ohnehin per EDI ein, der Rest per Fax. "Kundenaufträge werden vom Faxgerät papierlos per OCR erfasst, so dass die Auftragsdaten elektronisch am SAP-Bildschirm weiterverarbeitet werden können", erklärt Stefan Schorr, Leiter Informatikanwendungen und Projektleiter des Gesamtprojekts. Der Sachbearbeiter kontrolliert die Auftragsinformationen und kann dann ohne Tipparbeit buchen. Während bei Eingangsrechnungen die papierlose Verarbeitung bereits verbreitet ist, haben Holzer zufolge nur wenige Firmen dies auch für Kundenaufträge realisiert.

Verlauf des SAP-Projekts

Im März 2006 begann die konkrete Planung des auf drei Jahre angelegten Projekts. Die weltweite Umstellung auf ein einheitliches SAP-System erfolgte in drei Phasen:

  • Im ersten Schritt wurde ein globaler Blueprint erstellt, in dem der genaue Ablauf der Harmonisierung und die Kernprozesse beschrieben wurden. Parallel installierte das Projektteam das neue SAP-System auf Basis ERP 2005 mit Unicode.

  • Im zweiten Schritt entstanden die Prozessschablonen auf Grundlage des erwähnten Blueprints. Das Customizing des Templates enthält die standardisierten Gruppenprozesse und Best-Practices bei firmenspezifischen Prozessen wie Produktion oder Vertrieb.

  • Die dritte Phase beinhaltete den Rollout in die Gesellschaften und Länder. Hierbei werden immer komplette Mandanten abgelöst.

  • Die Datenmigration umfasste nicht nur die Stammdaten, sondern auch alle im System befindlichen Belege und Altdaten. Dies machte es möglich, die Altsysteme nach einer Kontrolle durch die lokalen Wirtschaftsprüfer abzuschalten. Während der Migration erfolgte gleichzeitig das Upgrade auf ERP 2005 und Unicode.

  • Im Mai 2007 migrierte die Hager Group die Systeme in Polen und im Dezember die in Deutschland. Frankreich, China und Italien folgten im August, Oktober beziehungsweise Dezember des Folgejahres.

  • Im Dezember 2009 soll die weltweite Harmonisierung mit den Ländern Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Spanien vorerst abgeschlossen werden. "Mit den Kernländern Deutschland, Frankreich, Polen und China ist der wichtigste Schritt getan" erläutert Projektleiter Schorr. Weitere Rollouts sind für die Gesellschaften in Griechenland und Portugal 2010 geplant.