Deutsche Systemhäuser im Aufwind

Gute Geschäfte, entspannte Stimmung

23.11.2011 von Ronald Wiltscheck
Wie geht es den deutschen Systemhäusern? Welche Sorgen plagen sie? Was planen sie? Eine Umfrage zeigt Optimismus allerorten.
Foto: Robert Kneschke /Fotolia

Die Geschäfte der deutschen Systemhäuser laufen gut: 18 der Top-25-Systemhäuser sind im Vorjahr zweistellig gewachsen. Sie haben damit eine sich bereits Ende 2009 abzeichnende Entwicklung bestätigt. Schon damals zog die IT-Konjunktur spürbar an, im Laufe des Jahres 2010 nahm sie richtig Fahrt auf, und in den ersten Monaten des laufenden Jahres setzte sich dieser Trend fort. Von einer sich abschwächenden Nachfrage nach IT-Equipment und Dienstleistungen ist nichts zu sehen.

Optimismus ist ungebrochen

So rechnet auch keines der von ChannelPartner und COMPUTERWOCHE befragten Systemhäuser im laufenden Jahr mit schwindenden Erlösen. Über ein Viertel (25,45 Prozent) glaubt gar, in diesem Jahr viel stärker zulegen zu können als der Markt. Knapp über dem Durchschnitt wollen laut eigenem Bekunden fast zwei Drittel (65,45 Prozent) der befragten IT-Dienstleister zulegen.

Etwa jedes zehnte Systemhaus (9,1 Prozent) erwartet ein durchschnittliches Wachstum. Damit zeigen sich deutsche IT-Dienstleister in diesem Jahr insgesamt etwas optimistischer als in der Umfrage 2010, auch wenn die ganz große Euphorie verflogen scheint. Im Vorjahr kalkulierten noch 39 Prozent der deutschen Systemhäuser damit, weit stärker als der Markt zu wachsen.

Weitere 45,5 Prozent nahmen 2010 an, sich zumindest leicht überdurchschnittlich verbessern zu können. Anders als in der aktuellen Erhebung meldete sich im Vorjahr aber auch eine deutlich hörbare Fraktion der Skeptiker zu Wort: 13,8 Prozent der damals befragten IT-Dienstleister erwarteten stagnierende oder gar fallende Umsätze. Dies zumindest hat sich nicht bewahrheitet, alle Top-25-Systemhäuser konnten 2010 ihre Erlöse erhöhen.

Die Lage der Systemhäuser 2011
Die Lage der Systemhäuser im Jahr 2011
Wir haben die deutschen Systemhäuser nach ihrer wirtschaftlichen Lage und ihren Plänen befragt. Hier finden Sie die Ergebnisse unsere aktuellen Umfrage.
Wachstumserwartung 2011
Die Umfrage nach den Wachstumserwartungen belegt die gute Stimmung. Ausnahmslos alle Anbieter wollen schneller als der Marktdurchschnitt zulegen.
Wachtsumserwartung 2010
Im vergangenen Jahr war der Optimimus noch nicht ganz so verbreitet. Einige wenige rechneten sogar damit, langsam als der Marktdurchschnitt zu wachsen.<br> (grün: "viel höher als der Durchschnitt"; <br>gelb: "geringfügig höher als der Durchschnitt"; <br>rot: "genauso hoch wie der Durchschnitt"; <br>schwarz: "geringer als der Durchschnitt".)
Die Megatrends 2012
Als wichtigsten Thema erachten die Systemhäuser das Cloud Computing, gefolgt von Managed Services <br>(dunkle Balken: aktuelle Befragung; <br>helle Balken: Umfrage vom Vorjahr).
Wer die wichtigsten Wettbewerber sind
Die starke Präsenz in der Fläche zahlt sich aus: Die meisten Befragten erachten Bechtle als hartnäckigsten Konkurrenten.
Was den Geschäftserfolg gefährdet
Starkes Wachstum braucht mehr Mitarbeiter. Der Fachkräftemangel bedroht den Geschäftserfolg der Systemhäuser.
Investitionsklima 2011
Die gute Stimmung spiegelt sich auch im Investitionsklima wieder, das über 70 Prozent als gut erachten.
Investitionsklima 2010
Im vergangenen Jahr stand es um das Klima ein wenig schlechter, insgesamt äußerten sich die Befragten aber damals schon überwiegend positiv.
Konsolidierung erwartet (2011)
Wenngleich es zuletzt wenig Übernahmen und Insovenzen im Systemhausgeschäft gab, rechnen die meisten Befragten im Lauf des Jahres mit einer fortschreitenden Konsolidierung
Konsoldierungserwartung 2010
Allerdings erwarteten im vergangenen Jahr deutlich mehr Befragte, dass Anbieter infolge von Insolvenzen und Übernahmen vom Markt verschwinden.
Wer wagt den Schritt in die Cloud?
Viele der Anbieter haben die Zukunft fest im Blick. Drei von vier Systemhäusern können ihren Kunden Cloud-Dienste offerieren.
Das Cloud-Angebot
Die meisten Anbieter konzentrieren sich auf Infrastruktur-Dienste. Oft treten sie hier aber nur als Wiederverkäufer auf. <br>(dunkle Balken: aktuelle Befragung; <br>helle Balken: Umfrage vom Vorjahr).

Auch der Blick in die ferne Zukunft zeugt von Zuversicht. Für das Jahr 2012 rechnen 72 Prozent der Anbieter sogar mit einer weiteren Verbesserung ihrer Lage; der Rest glaubt, dass es zumindest nicht schlechter wird. Fast exakt die gleiche Aussage gaben die Systemhäuser 2010 zu Protokoll, als sich 70 Prozent, befragt nach ihren Aussichten für 2011, positiv äußerten. 30 Prozent schauten 2010 sorgenvoll ins kommende Jahr.

Die Bandagen werden härter

So hat sich die aktuelle Stimmungslage auf hohem Niveau stabilisiert. Ausnahmslos alle befragten Häuser rechnen mit Wachstum, und sie wollen das zuallererst aus eigener Kraft schaffen. Fast ein Drittel (32,14 Prozent) von ihnen plant darüber hinaus noch im laufenden Jahr mit Zukäufen. Der Vergleich mit 2010 zeigt, dass damals nur ein Fünftel (20,34 Prozent) vorhatte, Wettbewerber zu übernehmen. Die große Mehrheit (96,6 Prozent) wollte organisch wachsen.

Die derzeit gut laufenden Geschäfte forcieren den Verdrängungswettbewerb in den nächsten zwölf Monaten, das zumindest legt die Auswertung der Daten nahe. Über zwei Drittel (68,4 Prozent) der hiesigen Systemhäuser rechnen mit einer Konsolidierung durch weitere Übernahmen und Fusionen. Auch hier lässt sich der grundlegende Optimismus der Branche belegen: Nur wenige erwarten eine Marktbereinigung durch Pleiten.

Fachkräftemangel bremst

Starkes Wachstum braucht mehr Mitarbeiter. Der Fachkräftemangel bedroht den Geschäftserfolg der Systemhäuser.

Für die ehrgeizigen Wachstumsziele benötigen die Firmen Mitarbeiter. Fast alle Teilnehmer wollen 2011 neues Personal einstellen. Lediglich ein Systemhaus plant mit einem stabilen Personalstamm, ein weiteres will Personal abbauen. Zum ernsthaften Problem wird auch in der Systemhausbranche der Fachkräftemangel, immer mehr Systemhäuser haben Schwierigkeiten, ausreichend Nachwuchs zu rekrutieren und offene Stellen adäquat zu besetzen. Das schlägt sich in den Antworten der Systemhäuser auf die Frage nach ihren größten Sorgen nieder.

So finden fast 90 Prozent der befragten IT-Dienstleister nicht die dringend benötigten Fachkräfte. Das ist ein historischer Höchstwert. Vor einem Jahr bekümmerten die Nachwuchssorgen lediglich 57,6 Prozent der Systemhäuser. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2008 konnten beachtliche 77,8 Prozent der IT-Dienstleister nicht genügend viele Fachkräfte finden, 2009 sank dieser Anteil - krisenbedingt - auf knappe 32 Prozent.

Die Krise ist vorbei

Dass die Branche die Krise endgültig hinter sich gelassen hat, spiegelt sich auch in dem geringen Anteil derjenigen Häuser wieder, die mit zu geringen Margen kämpfen. Dies trifft nur auf etwas mehr als ein Viertel (26,3 Prozent) der Studienteilnehmer zu. Auch die Auftragslage ist für das Gros hervorragend. Nur ein einziger Dienstleister klagte über einen zu geringen Auftragseingang.

Das war im Krisenjahr 2009 noch ganz anders. Damals räumten 57,4 Prozent der Systemhäuser Probleme bei der Auftragslage ein. Zudem zeigte sich damals über die Hälfte (51,1 Prozent) unzufrieden mit der Marge. 2010 hellte sich die Stimmung schon merklich auf, als sich nur noch 17 Prozent über fehlende Aufträge und 45,8 Prozent über unzureichende Margen beklagten.

Bechtle führend im Neid-Ranking

Die starke Präsenz in der Fläche zahlt sich aus: Die meisten

Interessant zu erfahren ist immer, wie Systemhäuser ihren Markt selbst bewerten. Gradmesser dafür ist die Frage nach dem wichtigsten Wettbewerber. Dabei zeigt sich, dass sich der Großteil nicht am umsatzstärksten Konkurrenten reibt, sondern am Systemhaus mit den meisten Niederlassungen: Seit Jahren bezeichnen die IT-Dienstleister Bechtle als den bedeutendsten Spieler auf diesem Feld. In der aktuellen Umfrage erachten 63,2 Prozent der Befragten das schwäbische Systemhaus als ihren wichtigsten Konkurrenten.

Diese Marktstellung hat Bechtle im Lauf der letzten Jahre ausgebaut. Schon 2009 führte Bechtle dieses "Neid"-Ranking an, allerdings sah damals nicht einmal jeder zweite deutsche Dienstleister (46,5 Prozent) in den Neckarsulmern den bedeutsamsten Gegenspieler.

Gegenläufig ist die Wahrnehmung von Computacenter als Wettbewerber. Derzeit entfallen nur 43,9 Prozent der Stimmen auf Deutschlands größtes Systemhaus. Damit belegt Computacenter Platz vier in der Rangliste der wichtigsten Anbieter (siehe Grafik). Das war in den Vorjahren anders. Lange Zeit konnten sich die Rheinländer verlässlich an zweiter Stelle im Ranking platzieren, im vergangenen Jahr sogar mit beachtlichen 54,2 Prozent der Stimmen.

Der Verlust von über zehn Prozentpunkten ist wohl dem stärkeren Fokus auf Großkunden geschuldet. Um diese Klientel konkurriert Computacenter eher mit Konzernen wie T-Systems und den Serviceabteilungen großer IT-Infrastruktur-Anbieter wie IBM oder HP.

Erhebliche Gegenwehr im Kampf um die Kundengunst leisten die vielen kleinen und nicht näher benannten regionalen IT-Dienstleister. Jeder zweite große befragte IT-Provider (56,1 Prozent) bezeichnete die lokalen Anbieter als hartnäckige Wettbewerber. Das weist darauf hin, dass es in Deutschland eine breite Basis an gut aufgestellten Systemhäusern gibt, die den Großen der Branchen in vieler Hinsicht Paroli bieten können. (jha)