Chefs demotivieren Mitarbeiter

Gute Führung geht anders

29.06.2013 von Bettina Dobe
Nur ein Drittel der deutschen Chefs schafft für die Mitarbeiter ein leistungsförderndes Klima. Andere ignorieren ihre Talente im Unternehmen.

Mit Dienstwagen, einem Belohnungssystem und extra-Urlaub lassen sich Mitarbeiter durchaus motivieren. Aber wenn der Chef ein schlechtes Arbeitsklima schafft, hilft alles nichts. Genau das tut knapp die Hälfte aller Führungskräfte in Deutschland, wie die Unternehmensberater der Hay Group herausfanden. Für die Studie befragte die Hay Group 95.000 Führungskräfte aus über 2200 Unternehmen weltweit.

Frustrierte Mitarbeiter sind häufiger krank.
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Nur 37 Prozent der Chefs in Deutschland schaffen ein Klima, das Leistung fördert und die Mitarbeiter motiviert. 15 Prozent der Führungskräfte verhalten sich neutral, behindern ihre Mitarbeiter also nicht, sorgen aber auch nicht dafür, dass diese ihr Potenzial voll entfalten können. Knapp die Hälfte (49 Prozent) der Chefs demotiviert Mitarbeiter. Daran hat sich seit 2011 nicht viel geändert. Dabei könnten Führungskräfte mit mehr Motivation die Mitarbeiterbindung an das Unternehmen deutlich erhöhen.

Deutsche motivieren am meisten

Wer hierzulande glaubt, der eigene Chef sei ein Choleriker und Drücker: In den meisten europäischen Ländern ist die Situation noch drastischer. Deutschlands Chefs legen der Studie zufolge im europäischen Vergleich am meisten Wert auf einen partizipatorischen Stil. In Italien etwa schaffen 70 Prozent der Chefs ein demotivierendes Klima, in den Niederlanden 68 Prozent und in Spanien 62 Prozent. Nur die USA motivieren am meisten: 48 Prozent der Chefs gelingt das, nur knapp hinter Deutschland.

Die Ursache in der fehlenden Motivationsfähigkeit der Chefs sieht die Hay Group darin, dass Chefs auf einen einzigen Führungsstil setzen und ihn nicht der Situation anpassen. "All unsere Studien zeigen, dass ein durchdachter Mix an Führungsstilen das Unternehmensklima verbessert", sagt Thomas Gruhle, Mitglied der Geschäftsleitung. Zudem pflege die Generation X immer noch den direktiven Führungsstil: Der Chef befiehlt, der Angestellte springt. Die Generation Y hat eine Abneigung gegen diese autoritäre Art der Führung und fühlt sich dementsprechend schlecht.

Die sechs Führungsstile

Die Hay Group hat sechs verschiedene Führungsstile ermittelt:

  1. Im direktiven Umgang erwartet der Chef, dass die Mitarbeiter seinen Anweisungen ohne Wenn und Aber folgen. Das Warum erfährt der Mitarbeiter meist nicht. Das kann bei Umstrukturierungen hilfreich sein, wenn man ein Unternehmen aus der Krise holen muss. Zum normalen Arbeitsalltag passt dieser Führungsstil nicht.

  2. Der visionäre Chef setzt darauf, seine Mitarbeiter zu entwickeln und erarbeitet mit ihnen Perspektiven. Ihm ist es wichtig, dass seine Kollegen verstehen, warum sie etwas tun sollen.

  3. Ihm ähnlich ist der coachende Chef , dem die Entwicklung seiner Angestellten sehr am Herzen liegt.

  4. Andere Vorgesetzte fördern den Zusammenhalt: Ihnen ist es wichtig, dass alle gut miteinander umgehen. Vor allem in Stresszeiten ist das ein guter Führungsstil, denn das Team rückt näher zusammen.

  5. Eher von Jüngeren ausgeübt: Ein partizipativer Chef drückt seine Befehle nicht durch, sondern setzt auf Teamarbeit. Das fördert die Motivation der Mitarbeiter sehr.

  6. Der Perfektionist stresst seine Mitarbeiter schon mal mit seinen hohen Anforderungen an die Qualität der Arbeit. Andererseits greift er ein, wenn man selbst nicht weiter weiß. Laut Hay Group ist eine Führungskraft nur erfolgreich, wenn sie so viele Führungsstile wie möglich beherrscht und sie in der jeweiligen Situation auch ausübt.

Cheftugenden
Effektive Problemlösung
Um die richtigen Mitarbeiter im Team zusammenzubringen, muss sich eine Führungskraft zunächst ihrer eigenen Ziele bewusst sein.
Durchhaltevermögen
... und ein Blick für das Ganze bewahrt Manager davor, sich in kurzfristigen Zielen zu verlieren und dabei die großen Meilensteine außer Acht zu lassen.
Herausforderungen annehmen
Eine gute Führungskraft begeistert und motiviert ihr Umfeld und bewahrt bei Gegenwind einen kühlen Kopf. Überwindet das Team kleinere Hindernisse, sollte das der Vorgesetzte würdigen. So bauen die Mitarbeiter Selbstvertrauen auf und werden sich an größere Herausforderungen wagen.
Eine großzügige, gemeinschaftliche Haltung
Die beiden klassischen Denkmuster der Geschäftswelt sind "win-lose" oder "win-win". Nach Stein gibt es jedoch einen weiteren Weg, bei dem zusätzlich Dritte profitieren, beispielsweise Kunden oder die Gesellschaft. Die Basis dafür ist eine großzügige und am Wohl anderer orientierte Haltung der Führungskräfte.
Die Bereitschaft, sich seinem Chef zu widersetzen
Leader sollten gemäß ihrer Überzeugungen handeln. Welches Verhalten gegenüber Vorgesetzten im Konfliktfall jedoch angemessen ist, dazu gibt die Management-Literatur kaum Aufschluss. Stein empfiehlt hier eine gewisse Furchtlosigkeit. In der Finanzkrise schwammen zu viele Finanz-Manager lieber mit dem Strom, anstatt vor Fehlentwicklungen ihrer Unternehmen zu warnen.
Der Mut zu wissen, wann Schluss ist
Während Bergsteiger sich auf beide Richtungen ihrer Route vorbereiten, wird in der Welt des Geldes und der Politik häufig vergessen, dass auf jeden Aufstieg ein Abstieg folgt. Führungskräfte müssen lernen, im richtigen Moment auszusteigen.

Schlechtes Klima, hoher Krankenstand

Ein schlechtes Arbeitsklima hat wirtschaftliche Auswirkungen: Egal in welchem Sektor, bei schlechter Stimmung steigt der Krankenstand (Stichwort Burnout) und Mitarbeiter sind wechselbereiter. Umgekehrt steigert ein guter Umgang die Produktivität. Laut Hay-Studie sinkt die Mitarbeiterfluktuation um ein Drittel, wenn eine angenehme Arbeitssituation vorherrscht. Die Angestellten sind zudem seltener und kürzer krank: Fehlzeiten gehen um 25 Prozent zurück. Gleichzeitig steigt die Produktivität. "Je nach Klima kann diese um 30 Prozent nach oben oder unten schwanken", sagt Gruhle von der Hay Group.

Angstfrei: Chefs
1. Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter ...
... freundlich - unabhängig von der Tagesform.
2. Respektieren Sie Ihre Mitarbeiter ...
... als Menschen mit eigenen Zielen und Wünschen, die Beruf und Privatleben in Einklang bringen müssen.
3. Kontrollieren Sie nur da, wo Kontrolle nötig ist.
Lassen Sie Verantwortung und Kompetenz beim Mitarbeiter.
4. "Deckeln" Sie Ihre Mitarbeiter nicht!
Seien Sie offen für konstruktive Kritik und schaffen Sie ein Forum für den fairen Meinungsaustausch.
5. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter wissen, woran sie sind.
Informieren Sie offen über die Lage des Unternehmens und im Einzelgespräch auch, wie Sie die Leistung des Einzelnen einschätzen.
6. Ein guter Chef ist ein gerechter Chef.
Verteilen Sie Aufgaben, Lob und Kritik gemäß nachvollziehbarer Maßstäbe.
7. Führen Sie Protokoll ...
... über Ihre Entscheidungen und Arbeitsaufträge. Nur konsistente Entscheidungen schaffen eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit.
8. Stören Sie Ihre Mitarbeiter nicht!
Sie haben Ihre Mitarbeiter ausgewählt, weil diese Experten für ihren jeweiligen Aufgabenbereich sind. Lassen Sie die Experten ihre Arbeit tun und beschränken Sie sich auf Unterstützung und Beratung.
9. Sorgen Sie für eine angstfreie Atmosphäre, . . .
... in der die Mitarbeiter Fehler und Probleme eingestehen können, ohne Angst vor Strafe zu haben.
10. Bleiben Sie menschlich!
Wer als Chef die Größe hat, einen beruflichen Fehler zuzugeben, wächst in der Achtung der Mitarbeiter und ist zugleich Vorbild.

Firmen kennen ihre Talente nicht

Zu den Erkenntnissen der Hay Group passen die Ergebnisse einer anderen Studie: Zwei Drittel aller Firmen in Deutschland ignorieren ihre Talente laut einer Umfrage der Unternehmensberatung ROC Deutschland. Die Berater fragten HR-Manager, wie es um das Talentmanagement in ihrer Firma bestellt sei. Nur etwa ein Drittel der Firmen wisse genau, welche Qualitäten ihre Mitarbeiter hätten. Umgekehrt hätten 70 Prozent der Firmen keine Ahnung, welche verborgenen Talente in ihrem Betrieb stecken. Da dürfte es schwer sein, sich Nachwuchs heranzuziehen, um den Fachkräftemangel entgegenzutreten.

Motivierte Mitarbeiter arbeiten produktiver.
Foto: HAG GmbH

Nur jedes fünfte Unternehmen habe ROC zufolge die Fähigkeiten der Mitarbeiter technisch gut aufbereitet. Der Personalabteilung gehe es ähnlich wie der IT-Abteilung. Der wahre Wert der Arbeit wird ignoriert. HR werde, so die Umfrage, immer noch als reines "Lohnbüro" angesehen, genau wie die IT als Helpdesk.

Kein Wunder, dass talentierte Kollegen oft frustriert sind: Der Chef motiviert nicht, und die eigenen Qualitäten werden nicht erkannt. Will ein Unternehmen erfolgreich sein und Mitarbeiter halten, sollten ein gutes Arbeitsklima und Talentmanagement hohe Priorität haben. Denn: Frustrierte Mitarbeiter sind häufiger krank und wechselbereit.

Dieser Artikel stammt von unserer Schwesterpublikation CIO.de.