Android-Smartphones, Patente, Settop-Boxen

Google kauft Motorola Mobility: Die Chancen und Risiken

16.08.2011 von Manfred Bremmer
Die Übernahme des achtgrößten Smartphone-Herstellers für 12,5 Milliarden Dollar durch Google wirft eine Reihe von Fragen auf.

Mit der milliardenschweren Übernahme hat Google auch die Redakteure der COMPUTERWOCHE im feiertagsberuhigten Bayern kalt erwischt. Nach der Zusammenfassung der Fakten präsentieren wir eine Analyse des geplanten Zukaufs.

Liest man die offizielle Erklärung von Google, erscheint der Deal mit Motorola Mobility sonnenklar: Mit der Übernahme stärke Google sein Patentportfolio, um Android besser vor wettbewerbsschädlichen Angriffen von Apple, Microsoft und andere Unternehmen zu schützen, erklärt Google-CEO Larry Page im Google-Blog. Die Akquisition ändere jedoch nichts an der Verpflichtung, Android als offene Plattform zu betreiben. Motorola bleibe weiterhin Lizenznehmer von Android - neben den zahlreichen anderen Partnern - und werde als unabhängiges Business weitergeführt, versprach Page. Unterm Strich werde die Kombination von Google und Motorola nicht nur Android Auftrieb geben, sondern auch den Wettbewerb fördern und den Konsumenten eine beschleunigte Innovation, größere Auswahl und wunderbare Benutzererfahrung ermöglichen. Verstärkt wird der Eindruck durch eine spezielle Website, auf der HTC, Samsung, Sony Ericsson, LG und ZTE in fast gleichlautenden Statements den Deal begrüßen.

Während die Google-Belegschaft durch die Übernahme von 20.000 Mitarbeitern um zirka 60 Prozent wachsen soll, stehen also im Zentrum des Deals die rund 17.000 Patente und 7500 Patentanträge. Diese will Google quasi als "Rat Poison", Rattengift, einsetzen, um sich und seine OEM-Partner vor den zunehmenden Patent-Attacken gegen Android zu schützen. Der Schritt kommt nicht von ungefähr: Der Internet-Riese stand unter Zugzwang, nach dem er erst vor kurzem bei einem Bieterrennen um Nortel-Patente gegen Apple und Microsoft den Kürzeren gezogen hatte. Berichten zufolge soll unter anderem auch Microsoft Interesse an Motorola Mobility gezeigt haben, allerdings nur an den Patenten, ohne das Hardwaregeschäft.

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Von Analysten wird der Deal weitgehend positiv bewertet: IDC sieht durch den neuen Mutterkonzern gute Chancen für die Weiterentwicklung von Motorola Mobility. Google wiederum habe durch das Patentportfolio die Möglichkeit, einige Klagen erfolgreich abzuwehren. Interessant sei in Hinblick auf Google TV auch der Aspekt, dass die Company mit Motorola auch den Bereich Settop-Boxen erhalte.

IDC sieht aber auch die Möglichkeit, dass andere Marktteilnehmer, insbesondere Microsoft und Nokia, von der Übernahme profitieren werden. Insbesondere Samsung, HTC und Sony Ericsson könnten ihren Fokus auf andere Plattformen richten, um ihre Abhängigkeit von Android zu reduzieren, wobei längerfristig auch Windows Phone ins Spiel komme. Letztendlich glauben die Analysten von IDC aber nicht, dass Google Android abschottet oder nur noch exklusiv für Motorola verfügbar macht. Erklärtes Ziel Googles sei es, über die Android-Plattform die Umsätze im mobilen Umfeld zu steigern und nicht Lizenzerlöse zur primären Einnahmequelle zu machen.

Gartner-Analyst Philip Redman wiederum verweist darauf, dass in der Mobilfunkindustrie das Szenario, gleichzeitig Partner und Wettbewerber zu sein, noch nie geglückt sei, Interessanter ist für ihn jedoch die Frage, wie die Carrier auf den Deal reagieren. Diese sehen in Google zunehmend einen Rivalen, der am liebsten auch noch das Content-Delivery übernehmen würde.

Motorola-Patente: Masse statt Klasse?

Während einige Marktbeobachter bereits jubeln, dass Google dank den Motorola-Patenten nun mit Android machen könne, was es will, sind andere eher skeptisch. Florian Müller vom FOSS Patents Blog etwa ist nicht so ganz davon überzeugt, dass Motorolas Patente einen wirksamen Schutzschild gegen gegenwärtige und künftige Angriffen darstellen. Er verweist darauf, dass auch Motorola Mobility bereits von Apple und Microsoft wegen Patentverletzungen verklagt wurde - die Patente hätten demnach nur eine geringe abschreckende Wirkung gezeigt.

Das Problem an den Motorola-Patenten sei laut Müller, dass es sich dabei um FRAND-Patente (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) handle, die sich auf geläufige Industriestandards beziehen. Diese eignen sich zwar dazu, (wenn auch geringe) Lizenzgebühren zu erheben. Als Waffe gegen Wettbewerber ließen sie sich jedoch nicht verwenden. Müller verweist in diesem Zusammenhang auf die enorme Strafzahlung von 2,5 Milliarden Dollar, die Google Motorola bei Nichtzustandekommen des Deals entrichten muss. Für ihn gibt es nur zwei Gründe, warum eine so hohe Summe vereinbart wird:

Möglicherweise, so spekuliert Müller, stand Motorola Mobility im Zuge der schwebenden Patentrechtsklagen durch Apple und Microsoft so unter Druck, dass Google einschreiten musste, um ein Umkippen des OEM-Partners zu vermeiden. Solange die Übernahme noch laufe, habe Motorola nicht das Recht, den Rechtsstreit beizulegen.

Müllers Befürchtung: Anstatt durch die Motorola-Patente beschützt zu werden, würden die übrigen Android-Hersteller mit dem Kauf womöglich sogar deklassiert. So bezweifelt Müller mit Blick auf vorangegangene Ereignisse, dass Google Motorola Mobility und andere OEM-Partner gleichbehandeln würde. Prinzipiell sei die Vorstellung unrealistisch, dass es eine chinesische Mauer innerhalb von Google-Motorola geben könne.