Shared Service Center

Geteiltes Leid ...

25.11.2009 von Joachim Hackmann
Wer nicht auslagern will, aber die interne IT effizienter aufstellen möchte, gründet ein Shared Service Center.
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Shared Service Center (SSCs) sind nichts IT-spezifisches. Vor allem Konzerne betreiben schon lange interne Funktionssilos etwa für das Finanzwesen, die Buchhaltung oder die Personalbetreuung. Entsprechende Einrichtungen mit IT-Aufgaben sind vor einigen Jahren im Zuge der ersten Outsourcing-Welle aufgekommen. Die Firmen waren mit den Leistungen der internen IT-Abteilungen unzufrieden, wollten sie aber nicht auslagern. "Shared Service Center unterscheiden sich von einer externen Auslagerung darin, dass die Service-Provider möglichst viele Firmen aus sehr verschiedenen Branchen beliefern. Das Modell des Shared Service Centers konzentriert sich dagegen auf Konzernkunden und hat daher einen engeren Branchenfokus", erläutert Andreas Resch, Managing Partner beim Beratungshaus Modalis. Ein SSC zeichnet sich durch Schnittstellen zu den Anwendern in den Fachbereichen aus. Die Dienstleistungen sind genau beschrieben und mit Preisen sowie eindeutigen Qualitätsanforderungen (SLAs) ausgezeichnet.

Der Übergang zu den so genannten IT GmbHs ist fließend. Charakteristisch für ein Shared Service Center ist, dass es keine Ambitionen im Drittmarktgeschäft verfolgt und Leistungen unternehmensweit in einer Organisation konzentriert. In großen Konzernen sind die Servicezentralen weltweit aufgestellt, so dass sie einen 24/7-Betrieb gewährleisten können. Die Services werden dem ganzen Konzern sowie Firmenverbünden zur Verfügung gestellt.

Die Nachteile: Schwieriger Start, lange Entscheidungswege

Aufwändige Einführung: In SSCs werden Abteilungen, Mitarbeiter und Leistungen aus Konzernteilen zusammengelegt und zentralisiert. Das ist ein aufwendiges Unterfangen, so dass die IT in einer solchen Übergangsphase mit sich selbst beschäftigt ist. "Auch für Dienstleister ist es immer wieder eine Herausforderung, einen laufenden IT-Betrieb in ein zukunftsfähiges Produktionsnetz zu überführen. Bei Shared Service Center reden wir diesbezüglich über Amateure", beschreibt Marcus Eul, Berater und Partner bei A.T. Kearney, die Schwierigkeiten.

Outsourcing-Aufträge auf Eis
Europäische Unternehmen gaben 2008 mehr als 66 Milliarden Euro für Outsourcing-Services aus.
Besonders auslagerungswillig sind die Anwender in den reicheren Ländern Europas.
Mittlerweile entfallen fast 60 Prozent des globalen Outsourcing-Volumens auf Europa.
Auch der Outsourcing-Markt leidet unter der Krise: In der zweiten Hälfte 2008 ging das Vertragsvolumen um 25 Prozent zurück.
Besonders betroffen ist das Geschäft mit der Finanzbranche: Allein in Europa ging das Outsourcing-Volumen der Finanzdienstleister um fast sechs Milliarden Euro zurück.
Anfangs sah es so aus, als ob die IT-Serviceanbieter von der Krise profitieren. Im Herbst 2008 gingen aber auch ihre Aktienwerte in den Keller.
Nicht die Krise an sich, sondern der Kostendruck kurbelt die Nachfrage nach Outsourcing-Diensten an.
Am stärksten leidet das Geschäft mit den Finanzdienstleistern in den USA. Doch in Europa läuft es nicht viel besser.
Mit Ausnahme von Großbritannien gilt die These: Je reicher ein Land ist, desto mehr wird dort ausgelagert.

Wenig Veränderung: Angesichts dessen verwundert es nicht, dass viele Unternehmen auf halbem Weg stecken bleiben. Ein häufiger Vorwurf beim Betrieb eines SSC ist, dass bestehende Probleme nicht gelöst, sondern nur zentralisiert werden. Weder das Know-how des einzelnen Mitarbeiters noch der Wissens-Pool der gesamten IT verändern sich. Auch die Prozesse werden nicht zwangsläufig neu geordnet, so dass positive Auswirkungen auf Qualität und Preise keineswegs sicher sind. "Es ist eine enorme Kraftanstrengung erforderlich, um etwas zu verändern, wenn es keinen Druck von außen oder keinen besonderen Anlass gibt", räumt Resch ein.

Längere Entscheidungswege: Die Veränderungen sind nicht nur auf Seiten der IT-Mitarbeiter, sondern auch in den Fachbereichen wichtig. Um die Anforderungen in den Geschäftsbereichen in Bahnen zu lenken, richten die Unternehmen in der Regel eine Demand-Organisation ein. Im Shared Service Center gibt es mit der Supply-Einheit das Pendant dazu. Beide Einrichtungen einigen sich darauf, welche Leistungen mit welchen SLAs und Preisen zur Verfügung gestellt werden. "Die Kommunikation zwischen IT und Business ist oft belastet. Wenn zwischen diesen Bereichen noch eine künstliche Trennlinie eingezogen wird, dann verbessert sich die Zusammenarbeit nicht unbedingt", fürchtet Hartmut Jaeger, Mitglied der Geschäftsleitung beim Beratungshaus PA Consulting Deutschland. Daher sind für Demand- und Supply-Seite besondere Mitarbeiter erforderlich, die sich nicht zwangsläufig aus einer auf den IT-Betrieb fokussierten Abteilung rekrutieren lassen. Die Unternehmen müssten dazu Spezialisten verpflichten oder ausbilden. Das wird in vielen SSCs nicht ausreichend berücksichtigt.

Zusatzkosten: Mit der Trennung von Nachfrage- und Lieferorganisation entscheidet der Konzern, Mitarbeiter ausschließlich mit der Steuerung der IT zu befassen. Das macht die IT wiederum teurer. Zudem ist oft fraglich, ob die Shared Service Center im Infrastrukturbereich, wo die Preise etwa für Hardware und Speicher schnell fallen, der professionellen Einkaufsmacht der Outsourcing-Provider etwas entgegenzusetzen haben.

Die Vorteile: Besserer Service, Branchen-Know-how

Andreas Resch, Managing Partner Beim Beratungshaus Modalis: Shared Services Center konzentrieren sich auf Konzernkunden und haben daher einen engen Branchenfokus.

Konzentration auf Servicebetrieb: Mit der Implementierung von SSCs trennen Unternehmen Angebots- und Nachfrageseite voneinander. Damit bekommt das Urteilsvermögen der Fachbereiche in Sachen IT mehr Gewicht. Sie entscheiden, welche Software eingesetzt werden soll. Für die Einführung und den Betrieb ist das SSC zuständig. "Wenn die, die liefern, auch bestimmen können, was gebraucht wird, dann verselbständigt sich die IT in eine ungesunde Richtung", kommentiert Resch. Bayer Business Services habe mit der Trennung gute Erfahrungen gemacht, nachdem das Geschäftsmodell ständig verfeinert und verbessert worden sei. Im Lauf der Zeit, so berichtet Resch, habe sich sowohl die Service- als auch die Nachfrageseite professionalisiert.

Skaleneffekte: Indem die Betreiberseite konzernweit in einer Organisation zusammengezogen wird, lässt sich der Bedarf an IT-Equipment bündeln. So sind Skaleneffekte in einer Größenordnung zu erzielen, die ein SSC auf Augenhöhe mit externen Providern arbeiten lässt. "Doppeltes Leistungsvolumen bedeutet nicht doppelte Kosten", bringt es Resch auf den Punkt.

Branchenerfahrung: Einige Industriezweige wie die Pharma-, Versicherungs- und Bankenbranche sind stark reguliert. Daten dürfen Unternehmen nur unter strengen Auflagen verlassen, Abläufe müssen eingehalten und dokumentiert werden. Die internen SSCs wissen das, sie haben sich jahrelang auf das ganz spezielle Geschäft des Mutterkonzerns ausgerichtet. Damit kennen sie die Besonderheiten und die Branchenspezifika deutlich besser als externe Anbieter, die eine Vielzahl von Unternehmen aus unterschiedlichen Industrien bedienen. "Beispielsweise haben Energieversorger einen bestimmten Typ von Applikationen, um sich das für solche Spezialanwendungen erforderliche Know-how anzueignen", weiß Eul. Das ganze Geschäftsmodell des SSC ist einzig und allein auf die Bedürfnisse des Konzerns ausgerichtet, so dass sich dessen Gesellschaften im In- und Ausland der besonderen Fürsorge sicher sein dürfen.

Flexibilität: Mit der Konzentration auf die Anforderungen des Kunden richtet sich ein SSC ganz selbstverständlich neu aus, wenn sich die Geschäftsstrategie des Konzerns verändert. Das zahlt sich besonders für Branchen aus, in denen sich die Geschäftsanforderungen ständig ändern. Hier haben sich schon oft fixe Verträge mit Outsourcing-Partnern als hinderlich erwiesen. Gerade wenn sich unerwartet Änderungen etwa durch Unternehmensveräußerungen oder -akquisitionen sowie neue Produktstrategien einstellen, die durch ein Outsourcing-Abkommen nicht abgedeckt sind, kann es zu Problemen mit externen Providern kommen. Änderungen werden dann oft unverhältnismäßig teuer.

Günstigere Preise, bessere Qualität: Auch im laufenden Betrieb sind Outsourcing-Anbieter nicht zwangsläufig besser aufgestellt, zumal die SSCs unter finanziellen Aspekten einen Vorteil haben: Im Infrastrukturbereich kalkulieren externe Provider beispielsweise mit einer Gewinnspanne von 15 bis 17 Prozent. Die SSCs müssen dagegen keine Gewinne erzielen. Sie können ihre Dienste zum Selbstkostenpreis weiterreichen. Forscher der Universität St. Gallen haben die Rollen konzerninterner IT-Dienstleister untersucht, sie halten die internen IT-Organisationen für wettbewerbsfähig. Die Wettbewerbsfähigkeit haben sie in den sechs Handlungsfeldern Geschäftsmodell, Industrialisierung, Kundenorientierung, Wertschöpfung, Internationalisierung und Innovationen analysiert.

Die Ergebnisse beschreiben die Experten in ihrem Buch "Die Zukunft der IT in Unternehmen", das im Dezember 2009 erscheint. Wenn sich die internen IT-Organisationen auf den genannten sechs Handlungsfeldern verbessern, können sie den externen Anbietern Paroli bieten. "Konzerninterne IT-Dienstleister haben in den letzten Jahren schon große Schritte in die richtige Richtung gemacht. Sie haben die Hälfte des Weges zurückgelegt, es sind weitere Anstrengungen nötig. Das Management ist sich der Defizite aber bewusst", schildern Walter Brenner, Professor für Wirtschaftsinformatik, und Veit Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen, das zentrale Ergebnis der Analyse.

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  • Interne IT-Abteilungen betreiben die IT selbst. Das IT-Budget wird auf die Fachbereiche umgelegt (hier geht es zum Artikel "Interne IT: Hang zur Lethargie").

  • IT GmbHs arbeiten wie Shared Service Center, versorgen aber darüber hinaus auch externe Kunden (hier geht es zum Artikel "IT GmbHs: Im Haifischbecken").

  • Im Outsourcing werden Dienste extern betrieben. Verträge mit Providern regeln Schnittstellen, SLAs und Preise (hier geht es zum Artikel "Outsourcing: Enttäuschte Erwartungen").