Viele Unternehmen schrecken davor zurück, sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Oft ahnen die Entscheider, dass sich damit ihre Unternehmenskultur, manchmal auch das ganze Geschäftsmodell radikal verändern würde. Doch das Risiko dieser ignoranten Haltung ist groß. Jedes Unternehmen muss sich heute fragen, ob es seine digitale Zukunft gestalten oder hinter mutigere und agilere Wettbewerber zurückfallen will.
Kulturelle Herausforderungen
Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen besteht darin, das in ihnen verteilte Wissen zusammenzuführen. Wissenstransfer, -netzwerke und -management gehören in der Prioritätenliste ganz nach oben, sowohl in technischer als auch in organisatorischer Hinsicht. Zwar ist Knowledge-Management wahrlich nichts Neues, doch die Bedeutung nimmt noch einmal zu. Weitere Ansatzpunkte sind das Prozessmanagement, die Art und Weise des Kommunizierens und Zusammenarbeitens sowie die Berücksichtigung dessen, dass nun eine digitale Generation in die Unternehmen eintritt. Sie macht nicht alles besser, aber vieles anders. Es gilt, den Spagat zwischen klassischer Hierarchie und neuen Netzstrukturen zu bewältigen sowie klare Strukturen und kurze Entscheidungswege zu schaffen.
Bereits seit Jahren gibt es viele technische Lösungen, um die interne und die externe Kommunikation zu modernisieren und den kulturellen Veränderungen anzupassen. Die auf dem Markt verfügbaren Systeme dafür sind beispielsweise Tools für Social Collaboration sowie Cloud- und Enterprise-2.0-Plattformen.
Viele Erfolgsgeschichten - aber ...
In den vergangenen Jahren gab es denn auch eine ganze Reihe von Erfolgsgeschichten. Gemeint sind Unternehmen, die sich der Aufgabe gestellt haben, ihre Organisation und ihre Kultur weiterzuentwickeln, oder die sich komplett verändert und dem digitalen Zeitgeist angepasst haben. Anderen Unternehmen scheint indes noch immer nicht klar zu sein, dass sich ihr Umfeld, ihre Spielwiese oder ihr Markt teilweise radikal verändern. In immer mehr Branchen tauchen zudem ganz neue Mitbewerber auf.
Innovative Konkurrenz
Google beispielsweise stellt mittlerweile Thermostate her und forscht bekanntlich an autonom fahrenden Autos. Apple baut heute Armbanduhren, beschäftigt sich mit medizinischen Themen und plant offenbar ebenfalls die Entwicklung eines Autos. Die beiden Giganten aus dem Silicon Valley sind zudem auf dem Weg, ernsthafte Konkurrenten für die Banken und ihre Bezahlsysteme zu werden. Ein Newcomer namens Uber greift massiv den Markt der Taxifahrer an. Das macht er so gut, dass er Milliardensummen von großen Investoren einsammeln konnten. Airbnb ermöglicht weltweit die private Zimmervermittlung - ein Alptraum für die Hotelwirtschaft.
Nutzen Unternehmen ihr Wissen?
Es ist erstaunlich, wie lange die deutsche Automobilindustrie brauchte, um erste Antworten auf den amerikanischen Autobauer Tesla zu finden. Dabei ist es unwahrscheinlich, dass in Konzernen wie Volkswagen, Daimler oder BMW das dafür notwendige Know-how nicht vorhanden ist. Aber das Wissen ist über viele Standorte verteilt. Es versandet in den Hierarchien und den verkrusteten, trägen Strukturen der Autobauer. Keine Branche wird von den Auswirkungen der Digitalisierung verschont bleiben. Sie ermöglicht es, das Produkte völlig neu erdacht, Services ganz neu kreiert werden können. Damit verändert sich der Wettbewerb: Unternehmen mit einem Fokus auf Informationstechnik wittern ihre Chance. Viele Unternehmen aus den klassischen Branchen haben das noch nicht auf dem Schirm. Sie beobachten immer noch allein die klassischen Wettbewerber, statt das Spektrum ihrer Wahrnehmung zu vergrößern.
Aufbruch in die digitale Zukunft bedeutet jedoch auch kulturellen Wandel. Unternehmen müssen Rahmenbedingungen schaffen, unter denen ihre Mitarbeiter ihre Potenziale entfalten und ihren Beitrag leisten können. Bedingungen dafür sind starke Wissensnetzwerke, ein freier Informationsfluss und die uneingeschränkte Kommunikation.
Geringe Bereitschaft zum Wandel
IT-Lösungen sind lediglich ein Vehikel, um eine einmal definierte digitale Strategie umsetzen zu können. Von der Einführung einer neuen Software den Eintritt ins digitale Zeitalter zu erhoffen, ist ein Fehler, den wohl jeder als dumm bezeichnen würde, der aber immer wieder gemacht wird.
Verhaltensänderung nötig
Social Collaboration ist ein tiefgreifender Prozess. Geprägt durch die Einführung der IT-Lösungen der vergangenen Jahre stellen aber viele Unternehmen für die Einführung einen engen Zeitplan auf, den sie dann abarbeiten - meistens durch die IT-Abteilung. Dieser Ansatz greift viel zu kurz. Ziel muss es sein, das Kommunikationsverhalten jedes einzelnen Mitarbeiters - egal in welcher Position - zu verändern. So etwas gelingt nicht von heute auf morgen. Zur Erinnerung: Auch die Einführung des Telefons hat viele Jahre gedauert, weil man das persönliche Face-to-Face-Gespräch vorzog. Und die E-Mail brauchte ebenfalls ein Jahrzehnt, um sich zu etablieren.
Das ganze Unternehmen gefordert
Die Einführung von Social Collaboration kann nicht durch eine einzelne Abteilung bewerkstelligt werden. Trotzdem packt kaum ein Unternehmen das Thema ganzheitlich an. Meist sind es einzelne Personen oder Bereiche, die sich dafür engagieren. Mal ist es das Marketing, das intern genauso hip und modern kommunizieren möchte, wie sich das Unternehmen nach außen in der Werbung darstellt. Oder es ist die IT, die Software installiert und mal schaut, was damit passiert.
Auch in Personalabteilungen gibt es immer wieder Mitarbeiter, die auf Employer Branding Wert legen und ihr Unternehmen in puncto Technik- und Kommunikationseinsatz als modern oder gar avantgardistisch darstellen wollen.
Problematisch ist oft auch, dass es Unternehmen am gemeinsamen Ziel mangelt. Collaboration - wozu? Richtungslosigkeit bedeutet, dass es wenig Motivation zur Veränderung gibt. Zudem erfahren Projekte in solchen Fällen meist keine Unterstützung durch das Management oder durch die leitenden Mitarbeiter.
Den Entscheidern im Unternehmen muss klar sein, dass Social-Collaboration-Plattformen die Kultur und die Organisation verändern. Unternehmen müssen diese Veränderung gestalten. Tun sie es nicht, wird die Einführung scheitern. Natürlich kostet das Zeit, Geld und Ressourcen. Aber nicht in die Mitarbeiter und den digitalen Wandel zu investieren, kommt auf Dauer noch viel teurer.
Lange Zeit wurde versucht, einschlägige Collaboration-Lösungen als freie Kommunikationsplattformen einzuführen, nach dem Motto: Ab jetzt kann jeder bloggen. Das ist natürlich viel zu kurz gegriffen. Der freie Austausch von Gedanken, Anregungen und Ideen ist zwar ein wichtiges Element dieser Systeme, aber nicht ihr alleiniger Sinn und Zweck. Die Plattformen müssen sich an den Aufgaben und den Kommunikationsprozessen orientieren. Nur wenn diese identifiziert, weiterentwickelt und schließlich unterstützt werden, ist den Mitarbeitern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben geholfen.
Unterstützung tut not
Die Praxis hat gezeigt, dass die flächendeckende Nutzung von Collaboration-Tools nur gelingt, wenn die Mitarbeiter jemanden zur Unterstützung an ihrer Seite haben. Community-Manager sind vergleichbar mit Projektmanagern: Es kann ohne gehen, aber zur richtigen Zeit die richtige Unterstützung hilft den Beteiligten, ihre Aufgaben schneller, preiswerter und besser zu erledigen.
Gemeinsam müssen die Fachbereiche und die IT den digitalen Arbeitsplatz entwickeln. Die schiere Menge an Informationen macht es notwendig, dass der Anwender durch die intelligente Verknüpfung der verschiedenen Systeme sowie die Filterung und Aufbereitung der Informationen unterstützt wird.
Viele Fragen
Bisher müssen sich Anwender immer erst überlegen, mit welchen digitalen Hilfsmitteln sie ihre Aufgaben lösen können: Soll die Nachricht per Mail übermittelt werden, oder ist ein Blogeintrag sinnvoller? Wo muss eine Datei abgelegt sein, um bearbeitet werden zu können? Hat der Kollege darauf Zugriff? Warum tauchen Informationen an falscher Stelle auf? Muss ich für Aufgaben am Arbeitsplatz sein, oder geht es auch von unterwegs?
Mittlerweile zählt die Datenbank von Crisp Research über 110 Social-Collaboration-Plattformen für Unternehmen. Im Rahmen eines umfangreichen "Product Reviews" haben wir verschiedene Systeme nach Kriterien wie Produktumfang, Integrationsmöglichkeiten und User Experience untersucht. Das typische Merkmal für alle Plattformen ist, dass sie über einen Activity Stream alle Benutzer in einen gemeinsamen Kommunikationsraum bringen und somit allen die gleichen Informationen zur Verfügung stehen. Dieser gemeinsame Informationsfluss, der automatisch oder durch den Nutzer gefüllt wird, ist der wichtigste Unterschied zur E-Mail mit ihrer persönlichen Inbox. Ein weiteres Basiselement ist eine integrierte Benutzerverwaltung mit den eigenen Profilen, die es ermöglicht, persönliche Netzwerke zu bilden. Außerdem gehört bei fast allen Produkten die Bildung von Gruppen oder Communities dazu.
Weitere Elemente vieler Plattformen sind Blogs, Wikis, Dateimanagement und Foren. Einige Plattformen integrieren auch technische Lösungen wie beispielsweise Videokonferenzsysteme oder Online-Office-Suiten. Viele Systeme zeichnen sich darüber hinaus durch vielfältige Programmierschnittstellen oder die Anbindung an andere, im Internet verfügbare Systeme aus. Zusätzlich bieten einige Hersteller die Einbindung von E-Mail, Analytics-Funktionen oder eine Portalintegration an.
Bei der Entscheidung für eine Plattform spielt auch die Möglichkeit zur Einbindung in die eigene Systemumgebung oder die Sicherheit der Daten eine wichtige Rolle (Cloud/On Premise).
Vielfältiges Angebot
Bei der großen Zahl von Lösungen gibt es für jedes Unternehmen ein passendes Angebot. Auf der CeBIT werden Anwender in Halle 4, Stand A72, fündig, wo die "Social Business Arena" einen guten Marktüberblick vermittelt. Grundsätzlich haben die großen Anbieter Microsoft, IBM und Jive als Generalisten die Nase vorn. Andere Anbieter konzentrieren sich auf die Unterstützung von CRM-Prozessen, Enterprise-Content-Management (ECM), Dokumentenmanagement, Intranet oder Projektmanagement.
Groß und Klein teilen sich den Markt
Die Marktführer sind seit vielen Jahren Microsoft mit Yammer und Office 365, IBM Connections sowie Jive. Sie haben bereits vor Jahren die großen Unternehmen als Kunden gewinnen können und bieten jeweils ein umfangreiches Lösungspaket mit unterschiedlichen Schwerpunkten an.
Innovativer als die Marktführer
Hinzu kommen aber viele, im Vergleich zu den Marktführern oft innovativere und funktional umfangreichere Lösungen. Zu nennen sind hier die Produkte von Sitrion, Intrexx, Bitrix, MangoApps oder Citrix. Auch Salesforce.com und SAP haben eigene Entwicklungen am Markt.
Der Renner
Daneben gibt es aber viele weitere Nischenprodukte. Slack ist mit seiner Anbindung an sehr viele Internet-Dienste zurzeit der Renner. Stackfield bietet eine durchgängige Verschlüsselung an, die bereits im Browser beginnt. Der nächste große Player steht vor der Tür. Facebook hat angekündigt, seine Erfahrungen und seine Technologien gezielt Unternehmen für ihre interne Kommunikation anzubieten.
Fazit: Alle müssen sich wandeln
Im Ergebnis lässt sich festhalten: Die sich schnell entwickelnden Technologien zwingen Unternehmen, sich mit ihren Kommunikationstechnologien und ihren Strukturen auseinanderzusetzen. Der Markt verändert sich teilweise radikal. Die digitale Transformation ist eine Herausforderung für jedes Unternehmen.