Vista trotzdem nicht auslassen

Gartner: Microsoft hat ein Windows-Problem

10.04.2008 von Thomas Cloer
Aus Sicht der Marktforschungs- und Beratungsfirma Gartner hat Microsoft ein gravierendes Problem. Und das heißt schlicht und ergreifend Windows.

Die beiden Analysten Neil MacDonald und Michael Silver erläuterten auf der Gartner-Konferenz "Emerging Trends", warum aus ihrer Sicht Windows und damit auch dessen Hersteller Microsoft in Schwierigkeiten steckt. Viele Argumente sind weidlich bekannt: Microsofts Entwicklungszyklen beim Betriebssystem sind zu lang und liefern nur beschränkte Innovation, Microsofts Betriebssysteme bieten ein inkonsistentes Erlebnis auf unterschiedlichen Plattformen (mit signifikanten Kompatibilitätsproblemen) und andere Anbieter ziehen Microsoft in Sachen Innovation davon.

Windows Vista braucht jede Menge Hardware-Power.
Foto: Microsoft

Unternehmen beschere dies unvorhersehbare Releases mit geringem Mehrwert, zu hohe Verwaltungskosten und neue Versionen, die Anwendungen ruinieren und deren Testing und Einführung zu lange dauert. Und dann fangen auch noch die Endnutzer an, ihre eigenen Softwarelösungen ins Büro einzuschleppen - für Microsoft ein Trauerspiel ohne Ende.

Damit aber nicht genug. Gartner führte noch weitere, neue Argumente ins Feld, um aufzuzeigen, wie tief in der Klemme Microsoft eigentlich steckt. Weit oben auf der Liste steht die Komplexität von Windows, seine fehlende Modularität, sein Hardware-Footprint (speziell auf Low-end-PCs) und der wachsende Trend zu Web-basierenden und anderen Applikationen, denen das unterliegende OS egal ist.

MacDonald und Silver argumentierten unter anderem:

Vista ganz auszulassen mag Gartner Firmen aber nicht anraten.
Foto: Microsoft

All diesen Bedenken zum Trotz sollten Unternehmen Microsofts aktuelles Desktop-Betriebssystem Windows Vista nicht komplett auslassen, sagt Gartner-Mann MacDonald. Ratsam sei aber eine schleichende Einführung ("by attrition"), zum Beispiel mit neuer Hardware, auf der Vista ohnehin vorinstalliert sei. Nicht unbedingt wegen des Mehrwerts von Vista, aber Microsofts nächstes Desktop-OS "Windows 7" sei erst für 2009 oder 2010 avisiert und man wolle ja vielleicht doch nicht bis 2012 auf ein Deployment warten.

IT-Verantwortlichen in Unternehmen rät Gartner kurzfristig, die Bandbreite von Windows-Varianten in ihrer Infrastruktur zu bewerten und für ihre Firma den Wendepunkt für OS-agnostische Applikationen zu bestimmen. Im kommenden Jahr sollten IT-Manager dann evaluieren, wo die verschiedenen Virtualisierungs-Techniken und betriebssystem-agnostische Anwendungen frühe Vorteile bringen könnten.

Den Wechsel auf eine andere Betriebssystemplattform sollten Anwender zumindest theoretisch einmal durchrechnen, so MacDonald und Silver. Microsoft werde seine Botschaft so lange nicht ändern, bis Unternehmen klarmachten, dass sie Techniken und Strategien einführen würden, von denen ihre Nutzer am meisten hätten. Die beiden Gartner-Männer haben ihre Standpunkte übrigens auch schon dem Microsoft-Chef Steve Ballmer vorgetragen. Allerdings komme 95 Prozent des Microsoft-Umsatzes aus dem OEM-Geschäft. Für Ballmer stünden "Milliarden auf dem Spiel", sagt Silver. "Ich glaube, Microsoft wird einen Weg langsamer, inkrementeller Veränderung gehen, weil der für seine Aktionäre am sichersten ist. Falls Sie nicht mit Ihren Dollars anders votieren." (tc)