Ohne Absicht zum Millionär

Für Torvalds war Linux nur ein Hobby

08.06.2001
Das Buch "Just for Fun" von Linus Torvalds beleuchtet mit zahlreichen Geschichten den persönlichen Hintergrund des Open-Source-Idols. Neben Anekdoten aus dem Privatleben des finnischen Hackers erfährt der Leser zahlreiche Details über die Entstehung des Linux-Kernels und den Erfolg der Open-Source-Bewegung. Von Inge Steutzger*

"Ich war ein Freak. Ein Nerd. Ein Geek." Der schwedisch sprechende Finne und Wahlkalifornier Linus Torvalds hat keine gewöhnliche Kindheit und Jugend hinter sich. Der Sohn einer Übersetzerin und eines Journalisten frönte schon früh mit aller Leidenschaft seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Programmieren von Computern.

Linus erwies sich als gelehriger Schüler, als sich der Großvater einen Commodore VIC-20 kaufte. Linus gab die Programme ein, da der Großvater, ein gelernter Statistiker, mit der Tastatur nicht zurechtkam - eine folgenreiche Arbeitsteilung.

Denn fortan wird sich der Enkel kaum mehr um etwas anderes kümmern als um diesen Rechner. In der Schule gilt er als der "Mathe-Typ". Er pflegt so gut wie keine Sozialkontakte, nimmt man die Querelen mit seiner Schwester Sara aus. Die Mutter schätzte dieses für sie unkomplizierte Verhalten.

Auch an der Uni sollte sich das lange Zeit nur unwesentlich ändern; in dieser Zeit brütete Tor-valds ja schließlich seinen Linux-Kernel aus. Den Weg dahin beschreibt Torvalds in aller Ausführlichkeit: die Unzufriedenheit mit Andrew Tanenbaums "Minix", den Entschluss, für die Einwahl auf den Uni-Rechner seinen eigenen Terminal-Emulator zu schreiben, und zwar auf der Hardwareebene, also nicht unter Minix, die nachfolgende Entwicklung eines Festplattentreibers, die Umsetzung zahlloser Posix-Systemaufrufe und schließlich die Arbeit eines ganzen Sommers, um die freie "Bourne Again Shell" (bash) auf Basis des rudimentären Kernels zum Laufen zu bringen.

Nachdem Torvalds seine Minix-Partition versehentlich zerstört hatte, stieg er endgültig auf Linux um, und schon zu diesem Zeitpunkt folgten ihm andere Minix-User. Linux begann, eine Eigendynamik zu entwickeln. Sein Schöpfer übernahm damals die General Public Licence (GPL) von Richard Stallman, distanzierte sich allerdings stets von dessen ideologischem Eifer. Schließlich meldete sich auch der Minix-Erfinder Tanenbaum bei Torvalds. Die berühmt-berüchtigte Usenet-Auseinandersetzung zwischen den beiden wird nicht vollständig abgedruckt, sondern auf einen typischen Schlagabtausch beschränkt. Die Kontrahenten verlegten ihren Streit schließlich auf private E-Mails, der Ton war zu rau für die Allgemeinheit geworden. Torvalds erläutert seine Vorbehalte gegen Microkernels und erzählt von seinem vergeblichen Versuch, etwa ein Jahr später in den Niederlanden ein Autogramm von Tanenbaum für dessen Buch "Operating Systems" zu ergattern.

Zu dieser Zeit hatte Torvalds bereits eine Fangemeinde, fing an, Vorträge zu halten, und dennoch: "Ich hatte damals kein richtiges Leben." Als Dozent eines Informatik-Einführungskurses lernte er schließlich seine spätere Frau Tove kennen. "Sie hatte einen noch größeren Einfluss auf mein Leben als das Buch ,Operating Systems''".

Mit ihr und der Ende 1996 geborenen Tochter zog Torvalds Anfang 1997 nach Kalifornien, wo er einen Job beim Chiphersteller Transmeta Corporation annahm. Dort durfte er sich auch während der Arbeitszeit Linux widmen. Spätestens 1998 kam mit Netscapes Freigabe des "Navigator"-Codes der große Durchbruch für freie Software. IBM, SAP und Oracle begannen, Linux zu unterstützen.

Kam mit dem Erfolg auch das Geld? Auch das. Und Torvalds outet sich als Gegenteil des konsumfeindlichen Asketen, zu dem ihn seine Fangemeinde gerne stilisieren würde, betont aber auch seine Prinzipien. So erschien es ihm richtig, "den Londoner Unternehmer abzuweisen, der mir zehn Millionen Dollar anbot, nur damit ich als Board-Mitglied meinen Namen für seine Firma hergab".

In der Frage geistigen Eigentums vertritt Torvalds eine Sowohl-als-auch-Meinung, wünscht sich freilich, dass künftig Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums statt ökonomisch moralisch inspiriert sein werden. Also doch: "Nieder mit der Gängelei" etwa in der Musikbranche, wo Torvalds die Ansicht vertritt, dass MP3 in die richtige Richtung weist.

Die kursiv gedruckten Einsprengsel von Co-Autor David Diamond beleuchten vor allem das Familienleben von Torvalds und lockern die Lektüre auf. Das Buch lässt immer wieder den Humor seines Verfassers durchblitzen. Und damit ist der Drahtseilakt letztlich geglückt, "ein einigermaßen persönliches Buch herauszubringen und gleichzeitig nicht die Leute zu enttäuschen, die etwas anderes erwarten".

*Inge Steutzger ist freie Autorin in München.

Linus Torvalds, David Diamond: Just for Fun oder Wie ein Freak die Computerwelt revolutionierte. München, Wien: Hanser 2001. Zirka 240 Seiten, zirka 39,80 Mark.