Business-Software für Retail

Fressnapf handelt mit Java-ERP

10.02.2009 von Frank  Niemann
Die Franchise-Tiernahrungskette Fressnapf wickelt Prozesse im Einzelhandel mit einer Java-ERP-Lösung ab. Vorausgegangen war eine umfangreiche Datenmigration aus dem AS/400-Vorgängersystem.

Die Franchise-Tiernahrungskette Fressnapf ist Einzel- und Großhändler zugleich. Die in Deutschland und im Ausland angesiedelten Verkaufsgeschäfte agieren im Einzelhandel. Gegenüber seinen Franchise-Nehmern agiert die Firma als Großhandelshaus. Etwa 6000 Produkte umfasst das Großhandelssortiment. Der Einzelhandelsbereich dagegen europaweit über 200.000 Artikel.

Für den Bereich Großhandel verwendet die Firma die ERP-Software "SoftM Suite", für die Einzelhandelsprozesse mittlerweile die Java-gestützte Branchensoftware "Greenax" des in der Schweiz beheimateten Softwareanbieters Bison Group. Zuvor nutzte der Tiernahrungsanbieter auch für die Einzelhandelsabläufe SoftM Suite.

Greenax wurde seinerzeit von SoftM als modernes, Java-gestütztes Handelsprogramm alternativ zur SoftM Suite angeboten. Die Einführung begleitete das auf ERP-Einführung spezialisierte Unternehmen Innovabee aus Waiblingen bei Stuttgart.

Unicode-Umstellung

Alexandre Erren, Leiter Zentrale IT, erhoffte sich von Greenax vor allem mehr Flexibilität und Effizienz bei der Stammdatenpflege. "Als Händler sind Artikelstämme unser größtes Kapital", meint Erren. Für einen Wechsel auf eine neue Software sprach auch die Unicode-Technik. Das SoftM-Suite-Release unterstützte den entsprechenden Zeichensatz UTF-8 noch nicht. Zwar sollten Folgeversionen der ERP-Software dazu in der Lage sein, doch laut Erren wäre die Umstellung mit zu viel Aufwand verbunden gewesen.

Unicode gestattet es, auf einer Softwareinstanz unterschiedliche Länder- und Sprachversionen abzubilden. Für Fressnapf ist das von Belang, da das Unternehmen im Ausland expandiert. Viele Softwarehäuser haben in den letzten Jahren ihre Applikationen entsprechend erweitert.

ERP-Abläufe ohne Programmierung anpassen

Neben der effizienten Stammdatenpflege kommt es bei Fressnapf wie auch in anderen Handelshäusern darauf an, schnell auf Markttrends und Konkurrenzangebote reagieren zu können. "Wir müssen in der Lage sein, rasch neue Produkte ins Sortiment aufzunehmen und neue Angebote einrichten zu können", erklärt Erren. Mit großen, monolithischen Systemen würden wir uns schwer tun, Prozesse für neue Sonderangebote in kurzer Zeit zu implementieren. Dies sei nun mit Greenax machbar.

Über eine grafische Oberfläche können die Anwender Abläufe definieren und anpassen. Dazu zählen beispielsweise Rabatte und Kombinationsangebote. Greenax verfügt wie viele andere moderne ERP-Lösungen über ein grafisches Frontend, um Abläufe ohne Programmieren anpassen zu können.

Datenmigration mit Open-Source-Tool

Große Stammdatenbestände lassen sich nicht auf Knopfdruck in ein neues System überführen. Erst recht nicht, wenn wie im Falle von Fressnapf, die neue Software auf einem anderen Betriebssystem beziehungsweise Hardware sowie auf einer anderen Datenbank aufsetzt. Für die Datenmigration von SoftM Suite nach Greenax nutzte das Projektteam ein Open-Source-Werkzeug für Extract, Transform and Load (ETL) von Pentaho. Damit wurden Artikeldaten aus der Datenbank des Altsystems (DB/400) ausgelesen, überarbeitet und über einen Konnektor in die Tabellen der Datenbank (Microsoft SQL Server) der neuen Geschäftsanwendung überführt.

Mapping-Tabellen sorgen dafür, dass sich Informationen aus dem Datenmodell des alten Systems in das der Greenax-Lösung einfügen ließen. Auf etwaige Pannen hat sich das Team vorbereitet. "Die Datenübernahme war jederzeit reproduzierbar und dokumentiert", so Erren. Nach zwei Tagen an einem Wochenende war der Datentransfer abgeschlossen.

Das Greenax-System läuft in der Firmenzentrale in Krefeld. Die an Fressnapf angebundenen Händler erhalten aktuelle Produktdaten über Dateien. Sie enthalten Änderungen bei Preisen sowie im Sortiment. Umgekehrt erzeugt das lokale Händlersystem Dateien und informiert so die zentrale IT beispielsweise über Abverkäufe. Diese Daten wertet die Fressnapf-Zentrale über eine analytische Software des mittlerweile zu Oracle gehörenden Business-Intelligence-Anbieters Hyperion aus.

Anbindung der Händler und Filialsoftware bleibt

An der Händleranbindung hat sich auch nach der Einführung des neuen Systems nichts geändert. Der asynchrone Datenabgleich über Dateien soll gewährleisten, dass die Geschäfte unabhängig von Netzverbindungen verkaufsfähig bleiben. In den Fressnapf-Läden läuft die für Händlerfilialen spezialisierte Standardsoftware "Dewas" des Softwarehauses Superdata aus Hamburg.

Über eine grafische Oberfläche lassen sich bei modernen ERP-Lösungen wie Greenax und anderen Geschäftsprozesse ohne Programmierung gestalten und verändern.

Große Probleme gab es während der Einführung keine. Auftretende Performance-Engpässe ließen sich beheben, in dem Softwarespezialisten Datenbank-Statements entsprechend anpassten. Das Greenax-Projekt dient Erren auch dazu, herauszufinden, ob die Java-Software auch für weitere Aufgaben innerhalb des Unternehmens taugt, etwa als Nachfolgesystem für die Warenwirtschaft in der Großhandelssparte. "Derzeit analysieren wir unsere Prozesse und evaluieren die Software dahingehend." Neben dem Funktionsumfang geht es dem IT-Leiter um die Integrationsfähigkeit der Business-Software. In der Buchhaltung nutzt Fressnapf ein System des zu SoftM gehörenden Anbieters Schilling Software sowie die CRM-Lösung "Sorry!" von Rödl & Partner.

Kommt es zukünftig vielleicht zu einem Softwarewechsel im Rechnungswesen oder beim Großhandelsprodukt, würde sich Fressnapf sicherlich auch von der System-i-Plattform verabschieden müssen. "Ich bin kein Verfechter von Windows-Systemen, aber für Greenax ist die AS/400 nicht die geeignete Plattform." Ein weiteres Argument: Vergleicht man die Kosten für Rechenleistung, schneidet die IBM-Rechnerplattform in der Anschaffung schlechter ab als Intel-Systeme. Doch ausnahmslos begeistert ist Erren vom dann notwendigen Hardwarewechsel nicht. "Wir betreiben derzeit elf AS/400-Rechner mit einer halben Arbeitskraft. Für Windows- und Linux-Systeme ist mehr Personal erforderlich." Zwar kann auch Java-Software auf der AS/400 laufen, doch scheidet diese Option für Erren aus. "RPG und Cobol gehören auf die AS/400, Java wird nur darauf portiert."

Vom 10. bis 12 Februar zeigen zahlreiche Softwareanbieter auf der Handelsmesse "EuroCIS" neue Lösungen (siehe auch "Software auf der EuroCIS").