Freie CMS-Lösungen für Unternehmen

20.01.2005 von Wolfgang Sommergut
Im riesigen Angebot freier Content-Management-Systeme (CMS) haben einige Projekte einen hohen Reifegrad erreicht. Damit empfehlen sie sich oft als Alternativen zur teuren kommerziellen Konkurrenz.

Kaum ein Softwaremarkt ist so stark fragmentiert wie jener für Web-CMS, wo sich zahlreiche kleine Anbieter tummeln. Hinzu kommen mehrere Dutzend, wenn nicht Hunderte freie Alternativen. Auch wenn in den letzten Jahren mehrere kommerzielle Anbieter aufgekauft wurden, lässt die immer wieder prognostizierte Konsolidierung des CMS-Marktes weiter auf sich warten.

Hier lesen Sie …

  • dass das Angebot an freien CMS sehr groß ist;

  • welche technischen Anforderungen ein System für den professionellen Einsatz erfüllen sollte;

  • welche anderen Kriterien bei freier Software noch eine Rolle spielen. Dazu zählt die Verfügbarkeit von professionellem Services, Dokumentation oder eine erweiterungsfähige Architektur.

Typo 3 gilt als eines der funktionsreichsten, aber auch kompliziertesten freien Web-CMS. Es basiert auf PHP.

Ein Grund dafür ist sicher, dass konfektionierte CMS-Lösungen fast nie den Anforderungen eines Unternehmens genügen. Vielmehr entfällt ein großer Teil solcher Projekte auf die Anpassung und Erweiterung von Standardprodukten. Laut CMS Watch erzielen die großen Enterprise-CMS-Anbieter 60 bis 70 Prozent ihrer Einnahmen mit Dienstleistungen - und das, obwohl sich die Lizenzkosten kommerzieller Systeme oft im sechsstelligen Bereich bewegen.

Eine solche Konstellation aus hohen Anschaffungskosten für Software und großem Serviceanteil bietet günstige Voraussetzungen für Open-Source-Alternativen. Das Geschäftsmodell von Firmen in diesem Umfeld konzentriert sich zumeist auf Dienstleistungen. Außerdem bieten freie Systeme in einem Markt mit vielen kleinen Anbietern unter Umständen mehr Investitionssicherheit. So sind einige Softwarehäuser, die mit Web-Tools in der Dotcom-Zeit Furore machten, mittlerweile verschwunden.

Allerdings führt der Weg zu einem quelloffenen CMS über einige Hürden. Die durchweg kleinen Dienstleister sind in der Regel auf ein Produkt spezialisiert und können bei der Auswahl des richtigen Systems nicht helfen. Andererseits reicht es bei Open-Source-Alternativen nicht aus, ein System zu finden, das die erforderlichen Funktionen bietet. Vielmehr müssen zusätzliche Kriterien beachtet werden, etwa wie groß und aktiv die betreffende Community ist, wie viele professionelle Dienstleister existieren, ob eine ausreichende Dokumentation vorliegt oder ob das System auf einer erweiterungsfähigen Architektur beruht.

Eine wesentliche Rolle spielt zudem die Wahl der richtigen Plattform. Neben den üblichen Faktoren (vorhandene Kenntnisse und Infrastruktur) kommt bei freien Web-CMS ein spezifischer Aspekt hinzu: Projekte auf Basis von Scriptsprachen wie PHP und Python entstanden in der Mehrzahl schon früher und haben gegenüber den meisten Java-Systemen einen erheblichen Entwicklungsvorsprung. Umgekehrt bietet Java jedoch im Enterprise-Umfeld einige wesentliche Vorteile.

Diese ergeben sich dadurch, dass die als Servlets und JSPs implementierten Systeme auch auf vollwertigen J2EE-Servern wie jenen von Bea, IBM oder Jboss laufen. Diese Infrastruktur bietet automatische Lastenverteilung, hohe Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit. Darüber hinaus besitzt Java mit seinen Enterprise-APIs und der Java Connector Architecture (JCA) erprobte Mechanismen zur Integration mit anderen Anwendungen. Mit JSR-170 kommt in Zukunft noch ein Standard hinzu, der einen einheitlichen Zugriff auf Content-Repositories zulässt. Da die meisten Open-Source-Projekte diese Schnittstelle implementieren werden, können sie auf die Systeme der Branchengrößen wie Documentum, IBM, Opentext oder SAP zugreifen. Eine Referenzimplementierung wurde von Day Software an Apache übergeben, wo es im Projekt "Jack-rabbit" weiterentwickelt wird.

Derzeit finden sich in der langen Liste freier Web-CMS nur wenige Java-Implementierungen. Zu den funktionsreichsten gehört mittlerweile "Apache Lenya”. Es geht auf ein Produkt der Schweizer Firma Wyona zurück, die auch heute noch treibende Kraft hinter der Entwicklung dieser Software ist. Sie wurde erst kürzlich von Apache zum Top-Level-Projekt befördert. So profitiert sie nicht nur vom hohen Ansehen der Open-Source-Organisation, sondern auch von ihrem umfangreichen Softwareportfolio. Lenya beruht unter anderem auf dem XML-Framework Cocoon, nutzt die Suchmaschine "Lucene" und die WebDAV-Implementierung "Slide". Im Gegensatz zu den meisten Web-CMS setzt es durchgängig auf XML. Neue Dokumententypen entstehen durch die Definition einer entsprechenden XML-Struktur. Der Einsatz von XML als natives Format erweist sich auch als Vorteil bei der Integration mit anderen Anwendungen, weil immer mehr von ihnen in der Lage sind, Daten mit Fremdsystemen über Web-Services auszutauschen.

XSLT immer noch ein Exot

Im Vergleich zum Präsentationsformat HTML eignet sich XML zudem besser für die Beschreibung des Dokumentenaufbaus. Zur Transformation in unterschiedliche Ausgabeformate spielt XSLT eine zentrale Rolle. Damit sind viele Anwender indes noch nicht vertraut und ziehen daher oft alternative Systeme auf Basis des populären PHP in Betracht. Bei der Ausgabe von Inhalten profitiert Lenya von den vielfältigen Cocoon-Möglichkeiten. Dazu zählt die dynamische Erzeugung von PDF, WML, HTML oder Office-Dateien. Lenya kann zudem Portlets nach dem Standard JSR-168 generieren.

Bausteine von Apache

Lenyas Stärken beruhen vor allem auf den Fähigkeiten der verwendeten Apache-Plattform und liegen besonders in der Integration mit Backend-Systemen sowie WebDAV-fähigen Autorenwerkzeugen wie Office. In der Version 1.4, die im Laufe dieses Jahres fertig werden soll, kommt mit der Unterstützung von JSR-170 eine weitere Option hinzu. Dann soll es möglich sein, Informationen nicht nur wie bisher im Dateisystem abzulegen, sondern über die Jackrabbit-Abstraktion in Datenbanken zu speichern.

Zu den bereits gut etablierten Systemen zählt "Open CMS". Nach rund zwei Jahren steht dort mit der Version 6.0 wieder ein größeres Release bevor. Unter den Java-basierenden freien CMS besitzt diese Software das dichteste Netz an Dienstleistern. Die Weiterentwicklung des Kernsystems obliegt hauptsächlich der Kölner Alkacon Software, während die Community mehrere Zusatzmodule beisteuert. Open CMS bedient sich ebenfalls einiger Apache-Module, darunter Lucene oder Tomcat. Cocoon kommt indes nicht zum Einsatz, so dass im Vergleich zu Lenya nur wenige Ausgabeformate unterstützt werden. Es fehlt auch die Möglichkeit, Inhalte in Form von Portlets auszugeben.

Noch ziemlich mager sieht der Funktionsumfang bei einigen anderen freien Java-CMS aus. Das gilt etwa für "Daisy", das ebenfalls auf Cocoon beruht und ein Wiki als Frontend bietet. Noch dürftiger präsentiert sich "Magnolia" von der rührigen Schweizer Firma Obinary, dem derzeit noch wesentliche Funktionen für den Unternehmenseinsatz fehlen. Dazu zählen eine Workflow- und Such-Engine, Versionierung sowie Authentifizierung über LDAP. Einiges davon soll in der Version 2.1 geliefert werden. Eine zentrale Rolle spielt bei Magnolia die Unterstützung für JSR-170, die ebenfalls von Apaches Jackrabbit stammt.

Als Geheimtipp gilt derzeit noch "Nukes" von Jboss, eine Portierung von "PHP Nuke" auf J2EE. Wesentliche Funktionen sind dort in Form von Enterprise Javabeans (EJBs) implementiert. Die Entwickler versprechen eine sehr gute Eignung des CMS für Sites mit hohem Besucheraufkommen, weil ihm die volle Leistungsfähigkeit des J2EE-Servers zur Verfügung steht. Jboss betreibt damit seine eigene Website, unter deren Last PHP Nuke kapitulieren musste. Unklar ist hingegen die Perspektive für das CMS von Red Hat. Die Linux-Company lieferte das letzte Update im Jahr 2003 aus und hat mittlerweile alle Verweise auf diese Software von seiner Website entfernt.

PHP-Systeme im Überfluss

Im Vergleich zu den wenigen Java-CMS wirkt das Angebot an Systemen, die in Scriptsprachen geschrieben wurden, regelrecht üppig. Der Löwenanteil entfällt dabei auf PHP. Viele dieser Programme setzen indes bestimmte Anwendungsschwerpunkte (etwa Weblogs) und eignen sich nicht als CMS für vielfältige Aufgaben. Legt man als Kriterium ferner einige Funktionen an, die im professionellen Einsatz normalerweise erwünscht sind, dann engt sich der Kreis der Kandidaten weiter ein. Macht man etwa Versionierung, die Unterstützung für Workflows und Staging sowie die Authentifizierung via LDAP zur Bedingung, dann scheidet die Mehrzahl der Systeme bereits aus.

Einige gut etablierte und besonders aktive Projekte warten mit einem beeindruckenden Funktionsumfang auf. Im Gegensatz zu den Java-Systemen, bei denen meist eine Firma die Hauptlast der Entwicklung trägt, zeichnen sich die Scipt-basierenden Alternativen häufig durch außerordentlich lebendige Communities aus, die eine Vielzahl von Erweiterungen beisteuern.

Die in der Tabelle berücksichtigten "Drupal", "Midgard" und "Typo 3" bieten eine Fülle von Anwendungen, die man bei den Java-Konkurrenten vergeblich sucht. Dazu zählen Weblogs, Wikis, Projektverwaltung, Diskussionsforen, FAQ- oder Link-Management, Newsletters, Umfragen oder Fotogalerien. Voraussetzung für solche extern entwickelten Zusätze ist eine erweiterungsfähige Architektur mit entsprechenden APIs. Eine solche darf man in der Java-Welt normalerweise voraussetzen, bei Projekten, die in Scriptsprachen realisiert sind, gilt das jedoch nicht als selbstverständlich.

Die aktive Community hinter den genannten Projekten wirkt sich auch positiv auf die Zahl der verfügbaren Dienstleister aus. Ein besonders großes Angebot an professionellem Service gibt es für Typo 3, das hierzulande zu den beliebtesten Open-Source-CMS zählt. Allerdings eilt ihm der Ruf voraus, kompliziert zu sein und hohen Lernaufwand zu erfordern. Midgard zeichnet sich gegenüber den beiden anderen dadurch aus, dass es automatische Lastverteilung unterstützt.

Geringe Anforderungen für PHP

Im Vergleich zu den Java-Sys-temen haben die PHP-Lösun-gen den Vorteil, dass sie als Infrastruktur nur den üblichen LAMP-Stapel (Linux, Apache, MySQL und PHP) voraussetzen. Kleine Firmen, die keinen eigenen Server betreiben möchten, können damit ihre Site aufbauen, indem sie ein preiswertes Web-Hosting-Paket mieten. Dafür ist in der Regel nicht einmal ein Shell-Zugang erforderlich.

Dieser Aspekt gilt im Prinzip auch für Perl-Software. Allerdings ist für die dynamische Erzeugung von Seiten das Apache-Module mod_perl praktisch unverzichtbar, wird aber von kaum einem Hoster angeboten. Der Kreis der Perl-Kandidaten ist relativ klein und Anforderungen wie Versionierung und Staging unterstützt einzig Bricolage.

Eine geringe Zahl von Python-Systemen setzt auf den populären "Zope"-Server auf. Dazu zählen "Easy Publisher", der "Collaborative Portal Server" (CPS) und "Plone". Letzteres erfreut sich seit einiger Zeit auch hierzulande einer wachsenden Anhängerschaft und wird von mehreren Dienstleistern unterstützt. Im Unterschied zu den PHP-Systemen weisen die Lösungen auf Basis von Zope einige Besonderheiten auf. Dazu zählt neben der Programmierung in Python auch, dass sie eine proprietäre Datenbank ("ZODB") und einen eigenen Web-Server mitbringen. Zwar lassen sich über Adapter Apache und MySQL anbinden, dies stellt jedoch nicht die Standardkonfiguration dar.

Fazit

Aus der großen Menge freier Content-Management-Systeme eignen sich mittlerweile einige für den Einsatz in Unternehmen, sowohl für die externe Website als auch für das Intranet. Sie können den gesamten Prozess von der Erstellung über die Verwaltung und die Publikation von Inhalten abdecken. Gerade die fortgeschrittenen Systeme aus der PHP- und Zope-Welt glänzen durch einen enormen Funktionsumfang und aktive Communities. Die Java-Kon-kurrenz genießt hingegen den Vorteil einer Enterprise-Plattform, zu der neben Skalier-barkeit und Ausfallsicherheit vor allem unübertroffene Möglichkeiten zur Integration von Fremdsystemen zählen. Dies gilt insbesondere für jene, die XML als natives Dateiformat einsetzen.