Ganz wichtig für die befragten Freelancer ist, dass sie Folgeprojekte möglichst nahe an das aktuelle Projekt anschließen können. Fast 30 Prozent erhalten das Anschlussprojekt von "alten" Einsatzunternehmen, dicht gefolgt von den Vermittlungsagenturen. Von ihnen werden rund 25 Prozent der Externen mit neuen Projektangeboten versorgt. Damit sind die Agenturen bereits der zweitwichtigste Vertriebsweg für die befragten High-Tech-Experten. An dritter Stelle stehen mit 10,8 Prozent die guten persönlichen Kontakte. Künftig dürften auch soziale Netzwerke wie Xing oder Facebook (drei Prozent) als Vertriebswege eine wichtigere Rolle spie-len. Wenig hilfreich bei der Suche scheint laut Studie die eigene Internet-Präsenz zu sein.
Mehr Aufträge durch Cloud?
Am häufigsten sind die Studienteilnehmer in den Bereichen Beratung/Consulting (77 Prozent), Projekt-Management (47,2 Prozent) sowie Softwareentwicklung (46,5 Prozent) tätig. Interessant wird zu beobachten sein, ob der Kuchen für deutsche IT-Freiberufler durch Trends wie Globalisierung, Standardisierung und Cloud Computer kleiner werden könnte. Albert Lidl, Vorstand bei Top Itservices, befürchtet, dass die Anzahl der Aufträge zurückgehen könnte. Schließlich würden etliche standardisierte Programme im Ausland - sei es in Osteuropa oder Indien - entwickelt. Abgenommen hätten ebenfalls Aufgaben im Support, in der Systemadministration und im Helpdesk. "Die Globalisierung macht es für den deutschen Freelancer nicht einfacher", räumt Lidl ein.
Thomas Müller, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Solcom Unternehmensberatung GmbH, sieht aufgrund des insgesamt wachsenden Bedarfs keine Verkleinerung des Kuchens. Allerdings würde der Anspruch an die IT-Profis wachsen. "Einfache Tätigkeiten fallen verstärkt weg, dafür ist künftig noch mehr Know-how gefragt", betont der Solcom-Manager. Dazu würden Skills in unterschiedlichen Technologien, aber auch Fremdsprachenkenntnisse gehören. Ein ganz klares Nein kommt von Frank Schabel, Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation beim Personaldienstleister Hays. "Der Kuchen wird eher größer werden, weil die Flexibilisierung in der IT weiter zunehmen wird", betont er. Cloud Computing hält er dagegen für einen Hype.
Durchschnitt 20 Jahre Erfahrung
In einem anderen Punkt sind sich die Vertreter der Personalvermittler indes einig. Ihrer Meinung nach werden IT-Freiberufler kein allzu großes Problem damit haben, Service- und Consulting-Know-how aufzubauen. Gulp-Geschäftsführer Michael Moser: "Schließlich kann der durchschnittliche Externe knapp 20 Jahre Berufserfahrung vorweisen." Aus seiner Sicht sollte das eine ausreichende Zeit sein, um die erforderlichen Skills auf- und auszubauen. "Die wenigsten Freiberufler gehen direkt von der Universität oder dem Ausbildungsplatz in die Selbständigkeit, zumeist sammeln sie Erfahrung und Wissen in der Festanstellung", weiß Moser. Um als Freelancer Skills auszubauen, sei die Praxis immer noch das beste Training.
Lückenlose Projekthistorie hilft
Thomas Goetzfried, Vorstandsvorsitzender der Goetzfried AG, Mitglied der Allgeier-Group, stimmt dem Gulp-Manager zu. Aus seiner Sicht ist die Praxiserfahrung aus diversen Projekten der wichtigste Baustein, um den Kunden einen möglichst großen Mehrwert zu bringen. "Voraussetzung für hochwertige Services, inklusive Consulting, sind gute kommunikative Fähigkeiten sowie ein professionelles Auftreten", davon ist Goetzfried überzeugt. Hays-Mann Schabel wiederum ist überzeugt, dass in Zukunft nicht nur die Berater, sondern auch die Programmierer mit ihren klar umrissenen Kenntnissen weiter gefragt sein werden
In puncto Flexibilität erhalten die IT-Selbständigen Pluspunkte. Kelly Elsasser, Sprecher des Vorstandes der Reutax AG, hält den Großteil der IT-Freelancer auf jeden Fall für flexibel genug, um den künftigen Anforderungen gewachsen zu sein. "Flexibilität ist mittlerweile zum täglichen Brot der Externen geworden, an der Mobilität indes könnten etliche von ihnen noch arbeiten", meint der Reutax-Manager. Nach seiner Erfahrung gilt heute mehr denn je, dass diejenigen, die über eine lückenlose und stringente Projekthistorie verfügen, für neue Auftraggeber ein interessanter Kandidat sind. Hin und wieder lohne es sich daher, auch Anschlussprojekte anzunehmen, die nicht in der bevorzugten Einsatzregion liegen.
Lob und Kritik gleichermaßen teilt Top- Itservices-Manager Lidl aus: "Die IT-Freelancer sind deutlich flexibler als die Ingenieure." Allerdings würden die Freiberufler selbst die Flexibilität nicht immer ernst nehmen. "Läuft der Projektmarkt nicht so gut, nehmen Freelancer gerne Aufträge in einer anderen Stadt an. Zieht der Markt wieder an und der Externe erhält in einem anderen Unternehmen, vielleicht noch vor Ort, ein besser dotiertes Angebot, schmeißt so mancher von ihnen von heute auf morgen hin", bedauert Lidl diese Wankelmütigkeit.
Ein Thema, das die Externen nicht zur Ruhe kommen lässt, ist die Scheinselbständigkeit. Auf die Frage, was IT-Freiberufler tun sollten, um nicht in diese Falle zu tappen, hatten Agenturvertreter einige Tipps parat. Für Reutax-Manager Elsasser ist das beste Rezept, wenn Freiberufler für verschiedene Kunden arbeiten, auch wenn die Laufzeit einiger Projekte dadurch kurz ist. "Vor Ort im Projekt ist es zudem wichtig, darauf zu achten, dass der Projektgeber die Freelancer im Unternehmen eindeutig als Externe kenntlich macht", rät Elsasser.
Angst in der Scheinselbständigkeit
Solcom-Gründer Müller wiederum empfiehlt, Projekte nicht über einen größeren Zeitraum als neun Monate laufen beziehungsweise eine mehr als 75-prozentige Abhängigkeit entstehen zu lassen. Müller: "Das kann ein Freelancer erreichen, indem er im Jahr mehrere verschiedene Aufträge unterschiedlicher Auftraggeber und Kunden parallel betreut." Es gelte, weniger als fünf Sechstel ihrer Umsätze in einem Jahr bei einem einzigen Auftraggeber zu generieren. Die Gründung eines Unternehmens, das mindestens einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wäre eine weitere Alternative, die in Betracht gezogen werden könnte.
IT-Freiberuflerstudie 2010
Rund 1200 IT-Freiberufler wurden im Sommer dieses Jahres von der COMPUTERWOCHE online zu Themen rund um ihre Arbeit befragt.
In einer vierteiligen Serie stellt die CW nun die Ergebnisse vor und bittet Vertreter bedeutender Personalvermittlungsagenturen um ihre Interpretation.
1) Status quo und Selbstverständnis (16.9.2010)
2) Perspektiven und Herausforderungen (29.9.2010)
3) Kooperation mit Personaldienstleistern (Oktober)
4) Freiberufler aus der Sicht des CIO (Oktober)
Der Freiberuflermarkt aus Sicht der Vermittler