Freiberufler: Festanstellung, nein danke.

16.08.2007 von Karen Funk
Viele IT-Freelancer können sich derzeit nicht nur ihre Kunden aussuchen, sondern auch, wann und wo sie arbeiten wollen. Diese Freiheit wollen sie nicht mehr missen. Drei von ihnen lassen sich über die Schulter gucken.

Die Landstraße windet sich über die niederbayerischen Hügel bei Pfarrkirchen. Wir kommen an einsamen Orten wie Bruderöd, Höllenöd oder Lukasöd vorbei. Irgendwo hier macht Dieter Spaar IT. Endlich die Hofbezeichnung "Spitzmäusing". Auf dem fünf Hektar großen Land lebt und programmiert der 43-jährige Freiberufler. Spaar zeigt uns stolz seinen Hof, die zum Naturschwimmteich umgebaute Jauchegrube, seine zwei Pferde und natürlich seine Programmierstube im Haupthaus. Hier entwickelt Spaar, der sich auf das Windows-Umfeld, Embedded Systems, Treiberentwicklung und Applikationen mit grafischer Oberfläche spezialisiert hat, Lösungen für seine Kunden. Und zwar ausschließlich hier.

Hier lesen Sie …

  • ... welche Freiheiten Freiberufler haben;

  • … wie Freiberufler mit ihren Kunden zusammenarbeiten;

  • … was Freiberufler können müssen, um erfolgreich zu sein;

Dieter Spaar, 43 Jahre, Elektroingenieur

Nie zum Kunden: Auf diesem niederbayerischen Vierkanthof lebt und arbeitet der IT-Freiberufler Dieter Spaar. Die Kommunikation zum Klienten läuft per Telefon und E-Mail.

"Ich gehe nie zum Kunden", sagt Spaar. "Telefon und E-Mail reichen für die Kontaktpflege aus." Das geht jetzt sogar noch besser, seit er einen DSL-Anschluss hat. Vorher musste er sich mit einer ISDN-Anlage begnügen. Wir sind erstaunt, dass die Kunden diese Arbeitsweise akzeptieren. "Ich sage gleich von Anfang an klipp und klar, dass ich nur von zu Hause aus arbeite", erklärt der Elektroingenieur. Es komme natürlich vor, dass Interessenten ihn dann nicht beauftragen, aber die meisten sehen laut Spaar ziemlich schnell, dass eine Zusammenarbeit auch so klappen kann. "Für meine Programmierarbeit sind die jeweiligen Spezifikationen und die Dokumentation wichtig. Aber die sind ja schon da. Das lese ich mir durch, und der Rest geht per Telefon. Dazu muss ich nicht in einem Meeting beim Kunden sitzen", so Spaar weiter.

Einer seiner Kunden habe beispielsweise nur verteilte Entwickler, da arbeite jeder in einem anderen Land. Für einen Kunden in den USA hat Spaar einen Smartcard-Treiber entwickelt. Der komplette Kontakt von der Vermittlung bis über den Abschluss des Projekts lief ausschließlich über E-Mail; das entsprechende Gerät wurde ihm für die Programmierung zugeschickt. Auch sonst werden die für die Projekte notwendigen Geräte mit der Post zugesandt. Wenn es um seinen langjährigen Auftraggeber aus dem medizinischen Umfeld geht, kommt auch mal ein Kollege aus der Firma vorbei, der im benachbarten Rottal-Münster wohnt, und bringt das Gerät mit. "Na ja, letzte Woche war ich das erste Mal seit fünf Jahren wieder einmal bei diesem Kunden vor Ort. Manchmal muss es doch sein", räumt Spaar ein.

IT-Freiberufler in Deutschland

Laut dem Statistischen Bundesamt arbeiteten 2005 rund 59.000 IT-Spezialisten selbständig. Der Projektbörse Gulp zufolge sind IT-Freelancer im Durchschnitt …

  • 41 Jahre alt,

  • haben eine Berufserfahrung von 17 Jahren,

  • verlangen einen Stundensatz von 68 Euro,

  • kennen vier Betriebssystemen, sechs Programmiersprachen, vier Datenbanksysteme, sechs Datenübertragungsprotokolle und drei Fremdsprachen.

"Und zwischendurch gehe ich reiten"

Dieter Spaar: "Wenn ich in einem Projekt mal nicht weiterkomme, gehe ich reiten."

Die Liebe zur Heimarbeit entdeckte Spaar bereits während des Studiums. Vier Tage pro Woche pendelte der damals in Augsburg lebende Student an die Münchner TU, einen Tag die Woche arbeitete er von zu Hause aus für eine Firma in Dachau, die Informationssysteme für Funk und Fernsehen herstellte. Nach seinem Studium entwickelte Spaar insgesamt knapp fünf Jahre als Festangestellter Software für dieses Unternehmen fast ausschließlich von Augsburg aus.

"Zu Hause kann ich mir die Arbeit so einteilen, wie ich will", erläutert Spaar seine Vorliebe für die Heimarbeit. "Ich arbeite meistens an zwei bis drei Projekten gleichzeitig", so der Entwickler weiter. "Wenn ich mal in einem Projekt nicht weiterkomme, mache ich an einem anderen weiter." Bei kniffligen Problemlösungen könne er hier in Ruhe nachdenken, ohne dauernd durch Kollegen oder andere Störenfriede unterbrochen zu werden. "Wenn ich mich mal gedanklich verhakt habe, dann gehe ich raus zum Reiten", fügt der passionierte Reiter hinzu. "Und wenn ich morgens mal nicht gut drauf bin, dann fange ich gar nicht erst an zu arbeiten. Aber ich mache es dann vielleicht abends um 20 Uhr."

"Im Mittel arbeite ich 35 bis 40 Stunden."

Auf diese Flexibilität möchte Spaar nicht mehr verzichten. Er kann selbst entscheiden, ob und wann er arbeitet, reitet, einkauft oder Freunde besucht. Angst vor einer Vermischung von Arbeit und Privatleben hat der momentan alleine lebende Programmierer nicht. Denn wenn er in seinem Büro ist, dann arbeitet er, sobald er es verlässt, ist Freizeit angesagt. Alles eine Frage der Organisation und Disziplin. Mehr nicht, sagt Spaar. Das sei auch in seinen Beziehungen nie ein Problem gewesen. Er laufe auch nicht Gefahr, aufgrund der Heimarbeit zu viel zu arbeiten: "In Zeiten wo ich eher wenig mache, komme ich auf rund 20 Stunden die Woche. Wenn mal mehr los ist, sind es 40 bis 50 Stunden. Im Mittel vielleicht so zwischen 35 und 40 Stunden – alles also ganz normal." Die Frage nach Urlaub bringt Spaar zum Lächeln: "Urlaub? Ich gehe hier raus und mache das Heu. Das ist für mich Erholung."

Mundpropaganda und persönliche Netzwerke

Spaar ist seit zwölf Jahren Freiberufler. Als sein damaliger Dachauer Arbeitgeber verkauft wurde, verließen einige Mitarbeiter das Unternehmen. Spaar machte sich selbständig. Von ehemaligen Kollegen erhielt er die ersten Aufträge, weitere folgten über Bekannte. Im Verein "Augsburger Computerfreunde" (heute "Augsburger Computer Forum") lernte er einen Freelancer kennen, der ihm einen Klienten vermittelte, den er inzwischen seit rund zehn Jahren hat. Die Anfangszeit als Freiberufler war teilweise schwierig, aber inzwischen hat Spaar einen festen Stamm von fünf bis sieben Kunden, die ihn immer wieder beauftragen und ihn weiterempfehlen. "Als die Internet-Blase um 2001 herum platzte, meldeten ein bis zwei meiner Kunden Insolvenz an, aber sonst habe ich keine verloren", sagt der Softwareentwickler.

Nach dem großen Auftragseinbruch im Jahr 2002, als die Projektbörse Gulp nur noch 21 300 Projektanfragen zählte, hat sich die Lage für die Freiberufler deutlich verbessert: 2006 schalteten die Projektanbieter bei Gulp rund 85.800 Anfragen. Im abgelaufenen Monat Juli erreichten die Angebote mit 14.263 absolutes Rekordhoch. Auch Spaar spürt den Aufwärtstrend: "Es geht deutlich bergauf."

Zwei Arten von Kunden

Mit den Kunden kommt Spaar gut klar. Er unterteilt sie in zwei große Gruppen: Die eine Sorte fragt bei einem Freelancer Entwicklungskapazität für ein Projekt an, das noch noch nicht spruchreif ist. Dann herrsche oft monatelang Funkstille, und plötzlich kommt doch der Auftrag, der dann aber ganz schnell erledigt werden soll. "Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt", sagt Spaar gleichmütig. "Entweder sagt der Kunde ja oder eben nicht." Die andere Sorte Kunden wolle über längere Zeiträume reden, setze den Freiberufler ins Bild über die gesamte Planung und fordere ihn auf, Bescheid zu sagen, wenn er wegen anderer Aufträge im Zeitdruck gerät.

Mehr machen als nötig ist

Denjenigen, die gerade erst als Freiberufler anfangen, rät Spaar: "Das, was man macht, muss man richtig machen. Das heißt auch, dass man mal mehr macht, als erwartet wird." Denn so könne man beim Kunden einen guten Eindruck hinterlassen. Das Ergebnis sei ein rundum zufriedener Kunde, der wiederkommt. "Ich stehe hinter dem, was ich abliefere", lautet Spaars Devise.

Der Idee, einen eigenen Hof zu haben, reifte bei Spaar bereits zu Studentenzeiten. Schon damals ging er regelmäßig reiten – als Ausgleich zum Sitzjob. Viele andere im Reitverein hatten bereits Höfe. Doch im Augsburger Raum waren Bauernhöfe zu teuer. Als der Elektrotechniker in einer Pferdezeitschrift das Inserat eines niederbayerischen Hofes fand, der erschwinglich und in gutem, gerade renoviertem Zustand war, schlug er zu. "Ein absoluter Glücksgriff", strahlt Spaar heute. Seit fünfeinhalb Jahren lebt und arbeitet er jetzt hier in der Abgeschiedenheit. "Ich vereinsame nicht, weil ich nicht immer dasselbe mache", versichert er. Der Freiberufler aus Leib und Seele könnte sich unter keinen Umständen vorstellen, wieder in eine Festanstellung zurückzugehen. "Ich soll das gegen ein kleines Büro in einem Betonklotz eintauschen?" fragt Spaar und zeigt auf seine zwei Pferde, den Hof und das weite Land. "Niemals."

Um erfolgreich zu sein, müssen Freiberufler …

  • sich organisieren können,

  • sich verkaufen können,

  • diszipliniert sein,

  • Networking aktiv betreiben,

  • gerne Freiberufler sein.

Walter Schmidt, 50 Jahre, Mathematiker

Walter Schmidt: "Die Kunden, die nerven, habe ich nicht mehr."

Ein paar Tage später treffen wir Walter Schmidt, ebenfalls IT-Freiberufler, in einem Café in München. Der promovierte Mathematiker ist seit 1994 Freelancer und kam ebenso wie Spaar nach einem festen Arbeitsverhältnis auf die Idee, sich selbständig zu machen. "Ich war Assistent an der TU München. Als mein Zeitvertrag auslief, dachte ich, als Mathematiker müsste man recht gut als freier Programmierer arbeiten können", schildert Schmidt. Es sei für ihn keineswegs eine Notlösung gewesen, sondern er habe dazu große Lust gehabt. Allerdings gab es damals wenig Infrastruktur für Freiberufler, Projektbörsen wie heute Gulp oder Geco waren kaum vorhanden, auch Online-Netzwerke wie Xing fehlten, und man wusste nicht recht, wen man fragen konnte.

Von Schulungen zur Projektleitung

Also begann Schmidt zunächst damit, technische Schulungen in einer Firma zu geben, die für das Luft- und Raumfahrtunternehmen Dasa tätig war. An diesen Auftrag war er über private Kontakte gekommen. Anschließend ging es Schlag auf Schlag: Über Mundpropaganda erhielt er Schulungsaufträge von Borland Software. "Da konnte ich Erfahrung im Softwarebereich sammeln und bekam zudem ein paar Kundenkontakte", so der Mathematiker. Am Anfang seiner freiberuflichen Programmiertätigkeit war Schmidt viel mit Projektleitung betraut: "Auf der rein technischen Ebene war das für mich okay, nur die organisatorische Seite liebe ich nicht so." Überhaupt hat er von Projekten einen klare Meinung: "In der Projektleitung wird man hauptsächlich für seine Leidensfähigkeit bezahlt", erklärt er augenzwinkernd.

Inzwischen ist Schmidt vor allem im Bereich Versicherungsmathematik für einen Rückversicherer unterwegs. "Da geht es darum, welche Strukturen der Erstversicherer braucht, um die nächsten 100 Jahre zu überleben. Das sind komplizierte Vertragsstrukturen, und ich programmiere die Grafik dafür."

"Kunden, die nerven, habe ich nicht mehr."

Schmidt lebt hauptsächlich von Bestandskunden. "Ich hatte einmal ein Projekt, das war auf drei bis sechs Monate terminiert. Jetzt bin ich schon seit zehn Jahren dabei", grinst er. Das ursprüngliche Projekt sei dabei erfolgreich abgeschlossen worden, aber durch Wartung und Ergänzungen sei er weiterhin im Geschäft. Andere Aufträge kommen durch Empfehlungen. Über Projektbörsen erhält er derzeit ein bis zwei Anfragen pro Monat: "Nach Finanzmathematik besteht gerade eine große Nachfrage." Diese Angebote muss er im Moment leider ablehnen: "Mein aktuelles Projekt hat eine lange Laufzeit. Ich bin erst 2009 wieder frei."

Das Verhältnis zu seinen Kunden beschreibt Schmidt als sehr gut und vertrauensvoll. Man gehe sehr respektvoll miteinander um. Wenn die Chemie zwischen ihm und seinem Auftraggeber mal nicht stimmt, dann nimmt er kein Projekt an. Oder bekommt auch keins. "Letztendlich ist es so, dass ich die Kunden, die nerven, sowieso nicht mehr habe", sagt der Mathematiker.

"Ich würde das nicht programmieren"

Wie Spaar würde auch Schmidt um nichts in der Welt wieder in eine Festanstellung zurückgehen. Er schätzt die Heimarbeit - allerdings geht er ein- bis zweimal im Monat zum Kunden – ebenso wie die Freiheit zu entscheiden, wann er programmiert, wann er an der Isar joggt oder wann er Rennrad fährt. Auf Hierarchieebenen sowie interne Firmenpolitik kann er gut verzichten: "Vor kurzem unterhielt ich mich mit einem Festangestellten, der etwas nicht gerade Ausgereiftes für seinen Chef entwickeln sollte. Ich sagte zu ihm: ‚Ich würde das nicht programmieren.’ Woraufhin er meinte: ‚Ja, Sie können das, aber ich leider nicht.’" Als weiteren Vorteil der Selbständigkeit nennt Schmidt, dass man sich die Hardware, die man für seine Arbeit braucht, so einrichten könne, wie man selbst will. Und dass sie funktioniere.

Über Behörden und Projektanbieter …

"Begeisterung findet man bei fast allen Freiberuflern", sagt Schmidt. "Zumindest bei denen, die Freiberufler sind, weil sie es sein wollen, und nicht, weil sie es sein müssen." Als ein Haar in der Suppe der Selbständigkeit nennt der Münchner Entwickler den Ärger mit den Behörden. Es sei schwierig gewesen, der Sozial-, Renten- und Krankenversicherung beizubringen, dass man freiberuflich arbeite. Hier könne ein Steuerberater anfangs helfen.

Auch Projektanbieter können einem Freelancer Knüppel zwischen die Beine werfen. Manche Vermittler fragen zwar Projekte bei Selbständigen an, zögern den Kontakt zum Endkunden aber hinaus. "Den muss er aber irgendwann herstellen, sonst empfindet der Freiberufler dies als Vertrauensbruch", erklärt Schmidt. "Gut ist, wenn der Projektanbieter seine Vermittlungsmarge transparent macht und wenn der Freiberufler so viel bekommt, wie er verlangt. Schade ist, wenn die Gebühr des Projektvermittlers das Projekt scheitern lässt."

Wolfgang Wiedemeyer, 42, Wirtschaftsinformatiker

Wolfgang Wiedemeyer: "Im SAP-Bereich ist man in der glücklichen Lage, dass man sich die Projekte aussuchen kann."

Der freiberuflich arbeitende SAP-HR-Spezialist Wolfgang Wiedemeyer ist gerade auf seiner Baustelle, denn er saniert ein um 1880 errichtetes Haus in Augsburg, in das er mit seiner Familie einziehen möchte. "Wir können uns gerne unterhalten", ruft er ins Handy. "Wenn Sie der Baulärm nicht stört." Er stört uns nicht. "Das hier ist mein Ausgleich zur SAP-Implementierung", erklärt Wiedemeyer.

"Meine Firma war mir fremd"

Der SAP-Spezialist, der unter anderem Bosch, Eon und die Hypovereinsbank zu seinen Kunden zählt, hatte Mitte der 90er Jahre als Personalreferent bei der Alexander Moksel AG begonnen. Das Unternehmen gehörte zu den ersten zehn Firmen, die konzernweit R/3 einführten. Von diesem Unternehmen wurde Wiedemeyer eineinhalb Jahre später von einer Unternehmensberatung abgeworben, um SAP-Software bei einem Chemiekonzern zu installieren. Die Arbeit bei der Consulting-Firma sah allerdings so aus, dass er mehr Zeit beim Kunden als im Mutterunternehmen verbrachte. "Die Firma, in der ich angestellt war, war mir eigentlich fremd", erläutert der Augsburger SAP-Profi. "Nach und nach reifte in mir der Gedanke, dass ich eigentlich einer Arbeit nachgehe, die ich auch alleine machen kann." Und nachdem sein Arbeitgeber sein ursprüngliches Versprechen, ihn auch einmal international einzusetzen, nicht erfüllte, fiel ihm die Entscheidung zur Selbständigkeit umso leichter.

Man trennte sich in beiderseitigem Einvernehmen, Wiedemeyer arbeitete sogar übergangsweise als freiberuflicher Berater für seinen ehemaligen Arbeitgeber, um beim Kunden Kontinuität zu wahren. Erst nach etwa einem Vierteljahr ging Wiedemeyer als eigenständiger Freiberufler direkt zu dem Kunden. Nach der Implementierung des HR-Moduls von SAP kamen weitere Module hinzu. Zusätzliche Aufträge erhielt Wiedemeyer durch Mundpropaganda, nachdem er sich einen gewissen Ruf in der Chemiebranche erarbeitet hatte. Anfangs, in den 90er Jahren, habe er auch mal den Personalwirtschaftskongress von SAP besucht, um Kundenkontakte zu knüpfen, erinnert er sich.

"Keine Fünf-Tage-Woche mehr"

Und seitdem geht es ihm richtig gut, denn SAP-Projekte haben eine durchschnittliche Laufzeit von ein bis zwei Jahren. "Da kann man gut planen", so Wiedemeyer. "Momentan brauche ich keine Aufträge mehr, denn ich mache Elternurlaub." Vor wenigen Monaten kam Kind Nummer drei zur Welt, und der SAP-Spezialist genießt es, mehr Zeit mit der Familie und vor allem den noch kleinen Kindern zu verbringen. Daher entschloss er sich auch, keine fünf Tage mehr, sondern nur noch durchschnittlich drei Tage pro Woche zum Kunden zu gehen. Diese drei Tage stimmt er individuell mit den Kunden ab. Sogar große Firmen wie Bosch, die ihn am liebsten in Vollzeit hätten, könne man mit den richtigen Argumenten von drei Tagen überzeugen. "Klar gibt es Projektspitzen oder unerwartete Probleme, wo man ab und zu länger beim Kunden ist", räumt Wiedemeyer ein. "Aber regelmäßig vier Tage im Hotel kann ich mir nicht mehr vorstellen."

Derzeit fährt er drei Tage die Woche zum Kunden nach Starnberg. Den Rest der Arbeit, sofern etwas anfällt, erledigt der SAP-Profi in seinem Büro. Im Gegensatz zu Spaar und Schmidt legt Wiedemeyer Wert auf eine stärkere Trennung von Arbeit und Privatleben. Urlaub macht Wiedemeyer mindestens zwei Monate im Jahr. Manchmal auch ohne Familie, wie vor kurzem, als er zwei Wochen mit seinen Kumpels beim Motorradfahren auf Korsika war.

Auf Augenhöhe mit dem Kunden

Wiedemeyer ist überzeugter Freiberufler: Angenehm sei vor allem das Arbeiten auf gleicher Augenhöhe mit dem Kunden: "Das ist in einem Angestelltenverhältnis so nicht möglich." Neben der Unabhängigkeit und Freiheit – etwa zu entscheiden, ob man mit dem Auto oder Flugzeug reist, oder in welchem Hotel man übernachten möchte - schätzt er zudem: "Im SAP-Bereich ist man in der glücklichen Lage, dass man sich die Projekte aussuchen kann." Ob die Freiberuflichkeit Nachteile habe? Wiedemeyer denkt nach. "Eigentlich keine", kurzes Zögern. "Wenn überhaupt dann war das 2002. Da war mal ein Projekt ausgelaufen, und das Nachfolgeprojekt kam nicht sofort, sondern erst nach drei Monaten. Das war unangenehm." Um als Freiberufler Erfolg zu haben, muss man sich seiner Meinung nach gut verkaufen und organisieren können. "Und man muss Networking aktiv betreiben."

Der Baulärm im Hintergrund nimmt zu. Wie es denn mit einem festen Job aussehe, wollen wir auch von Wiedemeyer wissen. Würde er als Familienvater das eher als die Singles Spaar und Schmidt in Betracht ziehen? "Man könnte mich mit einem Job vor der Haustür, also in Augsburg, locken", erwidert er nachdenklich. "Aber nur als Teilzeitbeschäftigung und mit Auslandseinsatz. Na ja, eigentlich wäre das eher eine Option vor den drei Kindern gewesen." Ein lautes Hämmern im Hintergrund macht eine weitere Unterhaltung unmöglich. Aber im Grunde ist alles schon gesagt.

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