"Ein IT-Spezialist ist ein Mensch", erklärt Shahin Pour von iPAXX, "den kann man nicht einfach nach Bestellung aus dem Regal holen." Was im Schuhgeschäft noch prima funktioniert, lässt sich also nicht zwangsläufig auch auf ein Geschäft wie die Freiberufler-Vermittlung anwenden. Zu wichtig und prägend ist die menschliche Komponente für dieses Geschäft. Überhaupt geht es bei diesem Freiberufler-Roundtable der COMPUTERWOCHE sehr Menschen-fixiert zu.
People Business
Der Grund dafür dürfte wohl sein, dass unter den rund 20 eingeladenen Freiberuflervermittlern neben Branchengrößen wie Hays auch viele kleinere und spezialisiertere Häuser vertreten waren. Stephan Frohnhoff, Geschäftsführer der emagine, sieht die wichtigste Komponente für den Vermittlungserfolg bei den Freiberuflern selbst und sagt: "Solange der Markt so ist, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt, ist es notwendig, wie ein Account Manager zu handeln. Ich muss den Kandidaten heute vom Projekt begeistern können." Im People Business Personalvermittlung zählt also zuvorderst die persönliche Ebene.
Fehlt es allerdings an einem spannenden, herausfordernden Projekt, wird es für jeden Vermittler schwer. So jedenfalls schätzt Frank Shams von first solution den Markt ein. Aus seiner Sicht sei der Freiberuflermarkt derzeit ein "extremer Verkäufermarkt." Die Konsequenz: "Freiberufler können sich im Prinzip aussuchen, wo sie hinmöchten." Das Bewusstsein über die eigenen Qualitäten der Freelancer, das Shams hier zum Ausdruck bringt, sieht auch Maxim Probojcevic von der SOLCOM. Für den schwäbischen Personalvermittler ist klar: "Der Markt wächst auch deshalb, weil die Qualität, die deutsche Freelancer abliefern, sehr geschätzt wird."
Selbstbewusste Freelancer verlangen kreative Dienstleister
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels haben es die Vermittler mit einer zunehmend fordernden und anspruchsvollen Klientel zu tun - nachzulesen im vorherigen Artikel zum Freiberufler-Roundtable der COMPUTERWOCHE. Verstärkt wird der Druck dadurch, dass der deutsche Markt nach wie vor sehr stark lokal geprägt ist: "Die deutschen Unternehmen wollen vor allem deutschsprachige Mitarbeiter", so Carlos Frischmuth vom Marktführer Hays. Ein zunehmender Trend zur Internationalisierung im Freelancer-Markt - das jedenfalls stellen alle Diskutanten fest - ist spürbar. Dieser Trend führt jedoch nicht zu einem steigenden Handlungsdruck für die Dienstleister: "Das Thema Internationalisierung taucht seit Jahren immer wieder auf, wir verspüren da aber keinen Druck", bringt Maxim Probojcevic auf die Wahrnehmung der Diskutanten auf den Punkt.
Doch auch wenn der unmittelbare Druck aus der Internationalisierung keine Handlungszwänge erzeugt: Mit Plattformen wie LinkedIn, die zunehmend Einfluss auf das Arbeitsleben nehmen, erwächst den klassischen Dienstleistern auf dem internationalen Parkett ein Konkurrent mit Millionen von aktuellen Profilen. "Plattformen werden Einfluss nehmen. Und wir müssen unsere Services darauf ausrichten, personalisiert und stärker mit dem Menschen in Interaktion zu sein - das wollen auch die Freiberufler", erklärt Hays-Vertreter Frischmuth. Eine pragmatische Anpassung an die Wünsche und das Nutzungsverhalten der Freelancer sieht auch Frank Shams als Auftrag für die kreative Entwicklung von USPs.
Zertifikate, die die Welt bedeuten
In einer Branche, in der sich die Talente von Menschen nur schlecht in vergleichbare Standards pressen lassen, fällt die Auswahl der "perfekten Kandidaten" schwer. Um so wichtiger sind deswegen Zertifikate wie BSI Grundschutz, ITIL oder PRINCE2. Sie sorgen letztlich dafür, dass sich Skillsets von Freelancern vergleichen lassen und so auch beim Kunden Klarheit über die Fähigkeiten der Externen herrscht. "Die Freiberufler tun gut daran, up-to-date zu sein", ergänzt Carlos Frischmuth - vor allem in der Softwareentwicklung. Neben dem klassischen Development, das sich zunehmend von der Ebene der Querschnitttechnologien wie Cloud Computing oder Big Data löst, gilt der Trend zum Zertifikat auch für andere Bereiche. Frank Shams beispielsweise sagt: "Projektmanager müssen heutzutage zertifiziert sein." Mit dem Einzug von Zertifikaten stellte sich den Teilnehmern der Diskussion auch die Frage, inwiefern agile Methoden wie SCRUM den Freiberufler-Markt bewegen.
Während für Maxim Probojcevic das Thema nicht mehr wirklich zu den Hype-Themen gehört ("SCRUM ist schon längst etabliert."), eröffnet Carlos Frischmuth eine neue Perspektive auf SCRUM, nämlich den Compliance-Aspekt: "SCRUM als agile Methode erfordert eine andere Einbindung von Ressourcen im Unternehmen. Sogar die Politik beschäftigt sich damit, wie SCRUM als Methodik aus der IT compliance-fähig werden kann." Der Hintergrund ist relativ einfach erklärt: Inwiefern lässt sich der Freelancer in ein SCRUM-basiertes System aufnehmen, ohne dass er aufgrund der Weisungen des Auftraggebers (die in einem agilen System durchaus vorkommen können) Gefahr läuft, in die Scheinselbständigkeit zu geraten.
IT-Security? Sicher!
"IT-Security hat enorm zugenommen." Mit diesen Worten leitet Frischmuth den letzten größeren Themenblock ein, den die Teilnehmer des COMPUTERWOCHE-Freiberufler-Roundtables diskutiert haben - Security. "Wir sehen bei uns in diesem Jahr bei der Zahl der Anfragen den mit Abstand größten Sprung im Bereich IT-Security - das explodiert förmlich. Die anderen Hype-Themen sind zwar da, spielen aber vom Business-Anteil keine wirkliche Rolle. Das Thema IT-Security liegt bei uns inzwischen im IT-Sektor bei zehn Prozent, ist also absolut wahrnehmbar", erklärt SOLCOM-Vertreter Probojcevic.
Angesichts der zunehmenden Adoption bei Cloud-Computing-Lösungen (beispielsweise für Backup oder Disaster Recovery) oder BI und Data Analytics verwundert dieser Trend kaum, werden doch Daten in zunehmendem Maße eine missionskritische Komponente. Das haben laut Probojcevic inzwischen viele der Kundenunternehmen der Personalvermittler verstanden: "Es geht nicht mehr nur um irgendeine Sicherheitsthematik, sondern ums Überleben. Wir sprechen mittlerweile auf internationaler Ebene von Wirtschaftsspionage. Dementsprechend versuchen die Unternehmen denen es noch gut geht, sich entsprechend aufzustellen."
Insofern dürften IT-Security-Spezialisten in den Schuhregalen der Personaldienstleister künftig Gold wert sein - erst recht, wenn sie alle notwendigen Zertifikate mitbringen.
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